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Fantasy Strike: Komplexität macht kein gutes Prügelspiel aus

David Sirlin im Gespräch über sein "radikal zugängliches" Crowdfunding-Prügelspiel.

"Radikal zugänglich" soll das neue Projekt Fantasy Strike werden und so denjenigen, die bisher vor Street Fighter und Co. zurückgeschreckten, einen leichten Einstieg in die Welt der Beat'em ups ermöglichen. Hinter dem Projekt, das via Crowdfunding über die Plattform Fig finanziert werden soll, steht David Sirlin mit seinem Studio Sirlin Games.

Unerfahren ist Sirlin, mit dem ich mich über sein neues Projekt unterhielt, definitiv nicht. Er hat beide Seiten der Medaille kennengelernt, war zum Beispiel früher dreimal unter den besten acht beim Evo-Turnier und von Beginn an Teil der Fighting Game Community (FGC). In seinem Buch Playing to Win, das hier kostenlos verfügbar ist, schreibt er über die Denkweise professioneller Spieler im Vergleich zur normalen Zielgruppe.

Auf Entwicklerseite arbeitete er wiederum als Designer an Super Street Fighter 2 Turbo HD Remix, bei dem er einerseits die Balance verbessern und hier und da ein wenig den Spaßfaktor erhöhen sollte, aber andererseits ging es darum, das Spiel einer größeren Zielgruppe zugänglich zu machen. Darüber hinaus hat er ein Kartenspiel namens Yomi entwickelt, das die Essenz von Beat'em ups in Kartenform einfangen soll.

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"Schon seit langer Zeit wollte ich ein Prügelspiel entwickeln, das eine Menge der guten Sachen bietet, die wir alle kennen, allerdings sollte es nicht allein um der Schwierigkeit Willen schwierig sein", erklärt Sirlin im Gespräch mit Eurogamer.de. "Die Sache ist, dass Kampfspiele von Natur aus schwierig zu spielen sind, weil Timing und Reaktionen ebenso nötig sind, wie das Lesen des Gegners, das Treffen strategischer Entscheidungen und so weiter. Sie bieten so viel, dass es einfach traurig ist, wenn man das nicht mit Menschen teilen kann, die Probleme damit haben, einen Dragon Punch auszuführen."

Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen nennt er Spiele wie Street Fighter 2 oder BlazBlue, bei dem er den "Drive"-Button mochte. Ausgehend davon machte er sich Gedanken darüber, wie man Teile solcher Spiele vereinfachen könnte.

"Aber dann erschien Divekick. Zuerst war ich nicht wirklich daran interessiert und spielte es erst lange nach der Veröffentlichung. Als ich das endlich tat, war ich wirklich beeindruckt. Es hat meine Erwartungen auf jeden Fall übertroffen. Es nutzt lediglich zwei Buttons und keinen Joystick, dennoch sorgt dieses Kontrollschema für ein äußerst interessantes Gameplay, mehr als ich gedacht hätte. Divekick veränderte meine Denkweise", sagt er.

Sirlin war zwar beeindruckt von der trügerischen Einfachheit des Titels, aber Divekick war wiederum nicht genau das, was er wollte. Aber er verwendete es als Grundlage für seine neue Herangehensweise. Er griff Divekicks Idee auf und ergänzte sie um die Möglichkeit, sich nach links und rechts zu bewegen, fügte einen weiteren Button für Angriffe und mehr hinzu. Schließlich kam er an einen Punkt, an dem er zwar einiges hinzugefügt hatte, was in einem unterhaltsamen Spiel resultieren könnte, das Ergebnis war aber dennoch weniger komplex als jedes andere ihm bekannte Prügelspiel. Er glaubt, dass es genau der richtige Weg war, "zu einfach" anzufangen und Dinge zu ergänzen. So habe man ein einfacheres und eleganteres Design erhalten, als wenn man es andersrum gemacht hätte.

Im Vordergrund steht dabei vor allem, dass Spieler mehr Spaß mit ihren Freunden haben sollen. Einige von euch dürften sicherlich wissen, wie es meistens endet, wenn ihr gegen jemanden antretet, der sich in Street Fighter, Tekken oder Smash Bros. bestens auskennt beziehungsweise diese Titel schon länger spielt. Sirlin zufolge gibt es mehr als eine Antwort auf die Frage, wie er die Spieler solcher Titeln ansprechen will.

"Die passendste Antwort wäre wohl, dass Fantasy Strike so etwas wie ein 'Sammelbecken' ist, das die Leute zusammenbringen kann. Ihr müsst nicht damit aufhören, andere Spiele zu spielen, die ihr mögt. Ich persönlich liebe Guilty Gear und natürlich liegt mir auch Street Fighter sehr am Herzen. Aber ganz egal, welches komplexe Prügelspiel ihr spielt, nebenbei könnt ihr auch Fantasy Strike spielen. Dadurch ist es einem Super-Smash-Bros-Spieler zum Beispiel möglich, in einer Art und Weise gegen einen Guilty-Gear-Spieler anzutreten, die ansonsten sehr schwer machbar wäre, weil es für beide Spieler sehr schwierig ist, ihre Fähigkeiten im Spiel des anderen auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen", erklärt er.

Darüber hinaus hat Fantasy Strike zwar einen Trainings-Modus mit allem drum und dran zu bieten, aber laut Sirlin müsst ihr ihn gar nicht oft benutzt. Viel effektiver sei das Training gegen echte menschliche Konkurrenten, anstatt sich stundenlang alleine mit der KI zu beschäftigen. Er ist überzeugt davon, dass zum Beispiel diejenigen, die gerne öfter gegen andere Menschen antreten wollen, vollständig zu Fantasy Strike wechseln könnten, aber es eigne sich gleichermaßen als Zweitspiel, wenn man zwischendurch mal etwas anderes spielen möchte.

Ich selbst spielte erst kürzlich Tekken 7 bei einem Freund und fühlte mich beim Blick auf die Liste der Moves ein wenig überwältigt, wodurch ich am Ende meist einfach irgendwelche Tasten drückte und damit mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg hatte.

"Aus irgendeinem Grund tendieren 3D-Prügelspiele dazu, sehr lange Move-Listen zu haben. Über 200 Stück oder so etwas. Ich habe früher Virtua Fighter gespielt und ich mag die Soul-Calibur-Serie wirklich sehr, aber sie alle gaben mir das Gefühl, dass es zu viel überflüssigen Kram gibt. Ich denke nicht, dass sie so viele Moves benötigen", sagt er.

"Bei 2D-Prügelspielen sind es meist um die 30 Moves. Das ist vernünftig, obwohl viele dieser Moves oftmals gar nicht so häufig genutzt werden. In Fantasy Strike haben wir weniger als das, aber wir stellen sicher, dass jeder Move einen echten Zweck erfüllt - oftmals sogar mehrere. Wir versuchen also mehr mit weniger zu erreichen und das Resultat ist, dass wir euch eine Move-Liste für euren Charakter zeigen können, bei der ihr alle Moves mit großem Text und einer Beschreibung auf einem einzelnen Bildschirm seht. Auf diese Art fühlt es sich einfach sehr zugänglich an."

Kombos sollen ebenfalls einfacher auszuführen sein, ob das nun 2-Hit- (A, B) oder 3-Hit-Kombos (A, A, B) sind. Man will damit erreichen, dass ihr mehr darauf achtet, in der richtigen Situation zu sein, um eine Kombo auszuführen, anstatt daraus etwas Schwieriges zu machen, das ihr bei der Ausführung ständig vermasselt.

Im Kern geht es bei dem Projekt darum, ein Prügelspiel "radikal zugänglich" zu machen, ohne dabei jedoch auf strategische Spieltiefe zu verzichten. Sirlin zufolge hätten die meisten Spieler Angst davor, dass ein Spiel so sehr vereinfacht wird, dass es keinen Spaß mehr macht. Aber man könne ein Spiel auch ohne solche Auswirkungen entschlacken.

"Wenn ihr Pro-Spieler wie Daigo oder Tokido spielen seht, seid ihr dann beeindruckt davon, dass sie Feuerbälle ohne Fehler schleudern? Tatsächlich ist davon keiner wirklich beeindruckt. Es ist einfach selbstverständlich, dass sie Feuerbälle schleudern, wann immer sie wollen. Wenn man die Eingaben der Moves verändern würde, sodass jeder (auch Anfänger) einen Feuerball abfeuern könnte, wann immer er will, würde das Daigo oder Tokido überhaupt nicht beeinflussen. An der Strategie ihres Spiels ändert sich dadurch nichts, weil all das von anderen Dingen abhängt: ihren Entscheidungen", erklärt er.

"Entscheidungen sind wirklich der Kern dessen, was die Spieltiefe in einem Spiel ausmacht. Ein Spiel mit entsprechendem Tiefgang bietet eine Reihe von Entscheidungen, die interessant und abwechslungsreich genug sind, um euch weiterspielen zu lassen. Stellt euch ein Spiel mit einer Menge komplizierter Systeme und vielen komplizierten Steuerungseingaben vor, das sich aber letzten Endes, sobald ihr gut darin werdet, nur auf ein oder zwei Dinge beschränkt. Das ist die Definition eines seichten Spiels, aber wie kann das sein, wenn es ja komplex ist? Die Antwort darauf ist, dass euch die Komplexität eines Spiels nichts über seine Spieltiefe verrät. Ein komplexes Spiel musst nicht notwendigerweise seicht werden, aber die Sache ist, dass ihr keinen guten Eindruck von der Spieltiefe habt, wenn ihr nur wisst, wie schwierig es ist, grundlegende Moves und Kombos auszuführen."

Sirlin sagt, dass es einfacher ist, für Spieltiefe zu sorgen, wenn ein Spiel lediglich simple Eingaben hat. Das liege daran, dass jeder bei Tests und während der Entwicklung ständig "das echte Spiel" spielt. Daher könne man sich vielmehr darauf konzentrieren, ob im Spielverlauf genügend interessante Entscheidungen getroffen werden. Bei vielen komplexen Moves braucht es hingegen Zeit, bis man alles gelernt hat und den Entwicklern zeigen kann, dass ihr Spiel am Ende doch nicht wirklich viel bietet. Daher konzentriert man sich mit Fantasy Strike eben auf Entscheidungen und nicht auf Komplexität. Hinzu kommen andere Elemente wie das Design der Moves, die Werkzeuge, die den Charakteren zur Verfügung stehen, und die Dynamik innerhalb der Matches.

Gleichzeitig hat er nichts dagegen, wenn manche Spieler dagegenhalten, für sie das Erlernen von Moves in Spielen wie Tekken 7 zur Entwicklung der eigenen Skills gehört. Aber das müsse nicht bedeuten, dass es erstrebenswert ist. Was Skill für ihn ausmacht, erklärt er wie folgt: "Kombos in Prügelspielen sind definitiv ein Skill und ein sehr schwieriger noch dazu. Sie sind ein Test, ob ihr das Ganze ausführen könnt, aber im Allgemeinen sind es eher 'Singleplayer'-Elemente. Das sind Dinge, die man viele Stunden lang alleine im Trainings-Modus übt. Es sind 'Uncontested Skills', was bedeutet, dass euer Gegner dort üblicherweise nicht mit euch interagiert. Das macht sie für mich zu der am wenigsten interessanten Art von Skill in einem kompetitiven Spiel. 'Contested Skills' sind Fähigkeiten, bei denen euer Gegner tatsächlich etwas tun kann", führt er aus.

"Es ist ein Skill, wenn man einen Move in der richtigen Entfernung ausführt, aber euer Gegner kann sich bewegen und diese Reichweite beeinflussen. Es ist ein Skill, einen Move einen oder zwei Frames vor eurem Gegner auszuführen, aber euer Gegner kann sein Timing variieren, um das Resultat zu beeinflussen. Was Prügelspiele im Kern wirklich interessant und so fantastisch macht - und das gilt für die meisten kompetitiven Spiele -, ist, dass ihr mit eurem Gegenüber interagiert."

Was die Entwickler mit Fantasy Strike vermeiden wollen, ist dieser Grinding-Aspekt; Stunde um Stunde in den Trainings-Modus zu stecken, nur um Moves zu lernen. Im Fokus stehen die erwähnten "Contested Skills" und eure Entscheidungen, die ihr in den Matches trefft. Für ihn ist es interessanter, wenn beide Spieler die gleichen Voraussetzungen haben. Wer Moves lernen will, findet auf dem Markt genügend Titel dafür. Sirlin dazu: "Wir versuchen eine andere Art von Spielerlebnis zu bieten, das mehr auf Strategie und Entscheidungen basiert, genauso wie auf Spieltiefe. Glücklicherweise ist das keine Entweder-oder-Entscheidung. Man kann einfach beides spielen, wenn man möchte."

Eine simple Steuerung bedeutet für ihn nicht, dass das Spiel nach einer gewissen Zeitspanne langweilig wird. Hier orientiert man sich an anderen Prügelspielen, indem man etwa sicherstellt, dass jeder Charakter verschiedene Stärken und Schwächen mitbringt. Ihre Spielstile sollen sich deutlich genug unterscheiden, damit die Spieler am Ende in den Matches genügend Entscheidungen treffen können, um einen interessanten Spielablauf zu gewährleisten.

Für mehr Variation will man schließlich durch weitere Charaktere sorgen, ebenso arbeitet man an einem Team-Battle-Modus, in dem ihr drei Charaktere auswählt und ein Match mit jedem Charakter gewinnen müsst. Für die finale Version ist eine weitere Spielvariante geplant, in der ihr eine Reihe von Powerups zugelost bekommt und dann gegen einen Kontrahenten antretet, bei dem das ebenfalls der Fall war. Prügelspiele machen das laut Sirlin normalerweise nicht, aber es passe perfekt zu Fantasy Strike. Einem Charakter fünf Powerups zu geben, habe dann nämlich größere Auswirkungen als bei einer Figur mit 200 Moves fünf kleinere Dinge zu ändern.

Sirlin würde es schon als Erfolg betrachten, wenn Fantasy Strike dafür sorgt, dass sich mehr Spieler für dieses Genre interessieren. Allerdings hofft er natürlich gleichermaßen, durch Balance-Fixes, neue Charaktere, Features, Modi und so weiter eine eigene Community aufzubauen. Wie viele Ideen der Entwickler umgesetzt werden können, hängt letzten Endes vom Erfolg der Crowdfunding-Kampagne ab.

"Derzeit konzentrieren wir uns aber nicht auf die Story. Nicht, weil es unseren Charakteren und der Welt an interessanten Geschichten mangeln würde - überhaupt nicht. Aber für unser Team ist es derzeit einfach zu teuer, sich mit einem Story-Modus zu befassen. Und selbst wenn es anders wäre, umfasst die Geschichte dieser Charaktere einige Kämpfer, an denen wir bislang noch nicht mal gearbeitet haben. Ich denke es macht Sinn, sich später auf die Story zu konzentrieren, wenn alle wichtigen Charaktere spielbar sind", erklärt er.

Weiterhin bestätigt er, dass es Lootboxen geben wird. Wie in Overwatch verdient ihr sie euch, indem ihr einfach nur das Spiel spielt. Darin findet ihr wiederum kosmetische Items, die das Spielgeschehen nicht beeinflussen. Es soll eines der letzten Features sein, die man integriert, denn derzeit steht das Gameplay im Vordergrund.

Angekündigt ist das Spiel derzeit nur für PC, Mac sowie PlayStation 4 und Sirlin zufolge versucht man, Fantasy Strike auf diesen Plattformen so gut wie möglich zu gestalten. Die Frage nach etwaigen Umsetzungen für Xbox One und Switch wollte er zwar nicht direkt beantworten, allerdings betonte er sein allgemeines Interesse daran, das Spiel auf weitere Plattformen zu bringen.

In diesem artikel

Fantasy Strike

PS4, PC, Mac, Nintendo Switch

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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