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A Most Wanted Man, Silicon Valley

Philip Seymour Hoffman wertet alles auf, auch wenn ihm diese Woche ein IT-Start-up die Show stiehlt.

Regie: Anton Corbijn
Buch: Andrew Bovell, John Le Carré (Roman)
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Willem Dafoe, Robin Wright

Terrorkampf ohne Shock & Awe

John Le Carré Romanen und deren Verfilmungen haftet häufig etwas Biederes an. Seine Spione sind Anti-James-Bonds, Staatsdiener, die gegen Feinde von Innen und Außen ermitteln und ihren Beamtenstatus dabei sichtlich nach außen tragen. Folglich sind die Fälle, die sie aufklären, etwas gemächlicher, authentischer und gerade dadurch irgendwie beklemmend, auch wenn sie im Thriller-Regal immer ein bisschen wie eine Mogelpackung wirken. Von Tinker, Tailer, Soldier, Spy mit Gary Oldman und Colin Firth kennt man das bereits. Ein Film, über den es genau zwei Meinungen gibt: Die eine Hälfte vergöttert Alfredsons stilvolle Umsetzung des Stoffs, die andere pennt Mitte des zweiten Aktes weg.

Ähnlich dürfte auch A Most Wanted Man von Fotografie-Genie Anton Corbijn die Zuschauer spalten, ein mit gut aufgelegten Stars gespickter Streifen und eine von Philip Seymour Hoffmans letzten Arbeiten. Auch wenn die nüchtern und stilistisch etwas flach inszenierte Islamistenfahndung weit weniger innige Verehrer anziehen dürfte. An den Zutaten liegt es nicht. Hoffman ist großartig als deutscher Geheimdienstmitarbeiter (der wie sein gesamter Stab - unter anderem Nina Hoss und Daniel Brühl in Nebenrollen - natürlich englisch mit deutschem Akzent spricht), der sich an die Fersen eines geflohenen Tschetschenen macht, der zuerst russischer, dann türkischer Folter entfloh und sich nun in Hamburg versteckt. Ist der Mann eine Gefahr oder ein Opfer von kulturellem Profiling?

Rachel McAdams macht ihren Job als Menschenrechtsanwältin, der sich der Flüchtige Issa Karpov anvertraut, ziemlich gut. Robin Wright kommt als US-Botschafterin hinzu, als käme sie direkt aus House of Cards eingeflogen: kühl, kompetent. Berechnend? In jedem Fall immer geheimnisvoll. Zum Ende hin wähnen Bachmann und sein Team einen größeren Fisch an ihrer Angel und der Film schwingt sich auf einmal tatsächlich in nur einer Szene zu einer knisternden Spannung auf, die seinem gletscherhaften Tempo schon früher gutgetan hätte. Das bestürzende Finale wirkt als Nachschlag gleich doppelt nach und macht A Most Wanted Man zu einem Film, an den man sich eine Weile noch erinnert, obwohl man beim Zuschauen nicht immer eine wahnsinnig unterhaltsame Zeit verlebte.

Am Ende ist es ein sehenswerter, realistischer und irgendwie bitter stimmender Blick auf den vorgreifenden Krieg gegen den Terror in Deutschland, der sich länger anfühlt, als er eigentlich ist, und die Handlungsbögen einiger Figuren nicht zu einem befriedigenden Abschluss bringt. Dafür muss man in der Stimmung sein.

Cover image for YouTube videoA Most Wanted Man Official Trailer #1 (2014) - Philip Seymour Hoffman, Willem Dafoe Thriller HD

Silicon Valley

Creator: Mike Judge
Darsteller: Thomas Middleditch, TJ Miller, Amanda Crew, Zach Woods

Aspberger -Syndrom - die Serie

Coder Richard Hendricks macht einen Job wie Tausende andere beim fiktiven Internetriesen Hooli. Nach Feierabend programmiert er im "Incubator" eines Bekannten an einer leidlich breitenwirksamen App, mit der man prüfen kann, ob musikalische Eigenkompositionen etwaige Urheberrechte verletzen. Fast beiläufig entwickelt er dabei einen bahnbrechenden Kompressionsalgorithmus - und weckt damit Begehrlichkeiten bei seinem aktuellen Arbeitgeber und beim visionären Milliardär Peter Gregory. Schöpfer Mike Judge nimmt die geschäftlichen Untiefen eines Star-ups im Haifischbecken Silicon Valley zum Hintergrund einer himmelschreiend komischen und wahnsinnig ehrlichen Comedy-Serie im 30-Minuten-Format ohne Lachspur.

Vor allem das Ensemble überzeugt. Thomas Middleditch gibt das introvertierte Tech-Genie Hendricks, TJ Miller die großmaulige Rampensau mit Steve-Jobs-Gedenkpulli, Erlich Bachmann. Kumail Nanjiani glänzt als fähiger, aber unsicherer pakistanischer Programmier-Import und reibt sich unnachahmlich an Martin Starrs zynischem Slacker Gilfoyle. Die größte Entdeckung aber ist Zach Woods als geschäftstüchtiger Assistent Jared. Mit allen Business-Wassern gewaschen, sozial jedoch komplett überfordert, ist es eine Freude, dem Schlacks mit den daumendicken Augenringen und der geierhaften Haltung dabei zuzusehen, wie ihm im Verlauf der ersten beiden Staffeln immerhin eine Handbreit Rückgrat wächst. Keiner dieser fünf ist dabei eine Witzfigur, jeder in seinem Feld unglaublich fähig , was es umso packender macht, beizuwohnen, wie sie die Untiefen einer Multi-Millarden-Dollar-Industrie umschiffen.

Und davon gibt es zahllose. Mit jedem Problem, das Pied Piper, so der Name von Hendricks Erfindung, aus dem Weg räumt, stellt sich ihnen eine neue Herausforderung in den Weg. Sei es nun ein Weltkonzern, der Hendricks Algorithmus per Reverse Engineering kopierte, eine Firma, die durch geschäftliche Hintertüren gegen das Start-up intrigiert, oder so simple Dinge wie Rechtefragen und Ressourcenknappheit. Zwischen all den herzhaften Lachern, die sich aus der Figurenkonstellation und deren einzigartigen Art, ihre Probleme zu schultern, ergeben, ist man einfach gespannt bei der Sache, drückt die Daumen und wünscht den schrägen Vögeln nur das Beste. Für mich die Serienüberraschung der letzten Jahre - und zwischen all den tollen, unerwarteten neuen Shows von Orange is the New Black bis House of Cards will das etwas heißen.

Cover image for YouTube videoSilicon Valley: Season 1 | Official Teaser | HBO

Was ist Freitagskino?

Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.

Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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