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Nymphomaniac Vol. 1, Lost in Translation, Dexter

Von der Sucht nach Sex und dem Drang zum Mord.

Jeder Mensch braucht mal Abwechslung, wir alle mögen Filme, also schreiben wir jetzt immer freitags über ein paar Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, den Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob derjenige dazu raten würde, dem Streifen eine Chance zu geben. Mit „wir" ist die ganze Redaktion gemeint, denn jeden Freitag wird ein anderer Redakteur ein paar Zeilen schreiben, damit die Abwechslung sowohl im Stil als auch im Filmgeschmack gewährleistet ist.

Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige in den letzten Wochen sah. Es kann ein nach zwanzig Jahren wiederentdeckter Schatz sein oder etwas, das gerade im Kino anlief. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein paar Inspirationen geben, was sich vielleicht lohnen könnte. Erst mal also viel Spaß, ausnahmsweise nur bedingt interaktiven.


Nymphomaniac Vol. 1

Überraschend anspruchsvoll

Ihr wolltet schon immer einmal sehen, wie sich Shia LaBeouf an seinem schlaffen Glied herumspielt? Oh Junge, habe ich da den richtigen Film für euch! Na gut, so wirklich weiß ich noch immer nicht, in welchen Nacktszenen nun die echten Schauspieler, Doubles oder andere Tricks wie Prothesen benutzt wurden. Vielleicht waren es auch verdammt gute Gesichtsprojektionen. Von daher kann ich nicht versprechen, dass es nun sein echtes Ding ist, aber wer aus welchem Grund auch immer daran interessiert sein sollte, darf sich trotzdem freuen.

Das Bemerkenswerte an LaBeoufs - eine Qual, diesen Namen korrekt zu schreiben - Performance ist allerdings nicht sein Drang zur nackten Haut, sondern die Verkörperung einer Rolle, die perfekt auf seine öffentliche Persona passt. Einen schmierigen, dümmlichen, egoistischen Prahler, den man gerne hasst. Er spielt zumindest im ersten Teil von Lars von Triers neuestem Opus den zentralen Liebhaber der nymphomanischen Protagonistin, die selbst nicht so richtig weiß, warum sie den Schleimprinz so faszinierend fand.

Nachdem die Frau Joe von einem älteren Mann mitten in einem dreckigen Hof gefunden wird, erzählt sie ihm ihre Lebensgeschichte. Bereits zu Beginn sieht sie sich als schrecklichen Menschen und fühlt ihre Wunden gerechtfertigt, von denen der Zuschauer nur erahnen kann, wie sie entstanden sind.

Ihr Retter möchte jedoch ungern schnelle Vorurteile ziehen und diskutiert einzelne Lebensabschnitte, wobei er stets positive Aspekte beleuchtet und trotz teils seltsamer Geschichten niemals die Handlungen seiner Gesprächspartnerin angreift. Faszinierend empfand ich dabei die Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln, die jedes Mal mit einer einfachen Observation des Raumes beginnen, in dem sich die beiden befinden. So sieht Joe beispielsweise einen Köder zum Fliegenfischen und erzählt daraufhin von ihren ersten Versuchen des Männerfangs. Ein kleines Spiel, bei dem sie während einer Zugfahrt versucht, mit so vielen Männern wie möglich zu schlafen. Natürlich versucht ihre Freundin das Gleiche und die Gewinnerin erhält am Zielort schließlich eine Tüte Süßigkeiten.

Lars von Trier schafft in solchen Szenen den fast unmöglichen Spagat zwischen Drama und surrealem Humor, basierend auf der jeweiligen Situation. In ihrem späteren Leben führt die Nymphomanin mehrere Liebschaften gleichzeitig, bei denen jeder Partner einen festen Termin zugeschrieben bekommt. Einer von ihnen will allerdings mehr und entschließt sich spontan, seine Frau und Kinder zu verlassen. Was folgt, ist ein Ereignis, das die verlassene Ehefrau, gebrochen und frustriert, nur noch mit Sarkasmus verarbeiten kann. Zusammen mit ihren Kindern folgt sie ihrem Mann in die Wohnung der "Hurerei" und sorgt für urkomische Dialoge, bei denen ich mich unglaublich unwohl fühlte und dennoch lachen musste.

Leider kann ich nicht verstehen, warum der Film unbedingt aufgeteilt werden musste. Die ursprüngliche fünfstündige Fassung kürzte man hinunter auf vier und zog dann einen Spalt in der Mitte, der einen ohne abgeschlossenen Handlungsbogen unbefriedigt zurücklässt. Der Abspann erfolgt plötzlich und ich hätte mir problemlos noch zwei bis drei weitere Stunden von diesem Spektakel ansehen können, das ständig zwischen amüsanten Erlebnissen und depressiven Schicksalsschlägen wechselt, die schlussendlich eine Art Mitgefühl für die ansonsten so kalt erscheinende "Heldin" erzeugen.

Ehrlich gesagt bietet der Film so viel interessantes Material, dass man stundenlang darüber diskutieren könnte. Allein schon die Tatsache, wie stilvoll und gekonnt Trier jeglichen Sexualkontakt darstellt. Es wundert mich also gar nicht, dass er in seiner Kinofassung noch eine FSK-Freigabe ab 16 erhielt. Er geht mit Sex ganz normal um, zeigt keine verschönerte Version und lässt es zu einem offensichtlichen Teil des Films werden, der weder schockiert noch irgendwie anekelt.

Bevor ich mir Vol. 2 ansehe, warte ich jedoch lieber auf einen kompletten Director's Cut, der hoffentlich die gesamten fünf Stunden enthält. Denn das einzige Problem sind die merkwürdigen Schnitte in einigen Dialogen, bei denen wichtige Teile des Gesprächs anscheinend wegfallen und sich die Positionierungen der Figuren schlagartig ändern. Sehr holprige Stellen für einen ansonsten so akribisch zusammengesetzten Film.

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Lost in Translation

Japan, wie es wirklich ist.

Da ich bis auf Nymphomaniac keinen anderen Film seit meinem letzten Freitagskino gesehen habe, muss ich auf einen alten Klassiker zurückgreifen, den ich mir mindestens einmal im Jahr ansehe. Lost in Translation ist sicherlich kein Film, der jedem sofort gefällt. Doch seine melancholische Atmosphäre, gepaart mit dem exotischen Tokyo, hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich.

Sobald ich die ersten Klänge der einleitenden Melodie höre, kriege ich eine Gänsehaut und lasse mich von den bezaubernden Bildern einfangen. Jedes Mal freue ich mich auf den Moment, in dem Bill Murray als Bob Harris gelangweilt und offensichtlich von seinem Leben genervt die Hotellobby erreicht. Während der müde Filmstar einfach nur in seinem Zimmer verschwinden will, ballert ihn die Hotelleitung mit Informationen und Geschenken zu. Eben typisch japanisch.

Die folgenden Tage verbringt er mit mehreren Shootings für eine Werbekampagne und trifft zufällig auf die junge Charlotte. Sie übernachtet ebenfalls im selben Hotel und versucht verzweifelt, ihrem Leben einen Sinn zu verschaffen. Frisch verheiratet lässt sie ihr Mann den Tag über allein im Hotel zurück, während er als Fotograf seiner Arbeit nachgeht. Dabei übersieht er vollkommen die für den Zuschauer offensichtlichen Probleme der jungen Beziehung.

Sowohl Bob als auch Charlotte driften planlos in einer Welt, in der sie sich nicht mehr wohlfühlen. Dass sie sich also in einer fremden Kultur am anderen Ende der Welt treffen, verdeutlicht diese Verlorenheit noch stärker. Vor allem Bob konfrontiert der Film mit einigen Situationen, in denen er sich vollkommen hilflos und missverstanden vorkommt. Eine der besten und wohl bekanntesten Szenen ist der Dreh einer Werbung für japanischen Whiskey. Der Regisseur gibt Bob passionierte und präzise Anweisungen, was sogar trotz der hohen Sprachbarriere verständlich ist. Leider filtert die Übersetzerin den Inhalt ein wenig zu sehr und gibt nur die rudimentärste aller Interpretationen wieder, was wenig überraschend zu komischen Missverständnissen führt.

Über den Zeitraum der nächsten Tage entdecken beide Hauptfiguren gemeinsam ihre Freude am Leben wieder und entwickeln eine starke Freundschaft, die romantische Gefühle mit dem Ende nur leicht andeutet.

Was mich nach meinem Jahr in Japan an dem Film so fasziniert, ist seine authentische Repräsentation des Landes. Zumindest in den Teilen, die gezeigt werden. Überall entdeckt man kleine Nuancen im Verhalten, die eine völlig neue Ebene der Unterhaltung für mich erschaffen. Erst recht, wenn man wenigstens einen Teil der Gespräche versteht. Das muss man zwar überhaupt nicht, um den Sinn oder die Aussagen der jeweiligen Szenen zu kapieren, doch bereichert es die Erfahrung auch nach mehrmaligem Sehen ungemein.

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Dexter

Höhen und Tiefen

Noch nie habe ich eine Serie gesehen, die so stark in ihrer Qualität zwischen den einzelnen Staffeln schwankt. Erste Staffel. Top. Zweite Staffel. Noch besser. Dritte Staffel. Hätte man sich sparen können. Vierte Staffel. Oh mein Gott, ich bin gestorben und im TV-Himmel gelandet. Besser geht es nicht! Absolut fantastisch von vorne bis hinten mit einem der besten Enden der Fernsehgeschichte.

Anschließend ging es nur noch bergab mit einem überraschenden Hoch in der siebten Staffel, bevor sich die Serie schließlich in unerträglichen Soap-Mist verwandelte, der einen von Folge zu Folge wütender auf die Autoren werden lässt. Dabei kannte ich es bereits und schaute mir alle Folgen nur noch einmal an, weil sie auf Netflix erschienen und die Freundin es gucken wollte. Ich dachte, das ständige Gemecker in meinem Kopf ausschalten zu können. Doch was dort auf dem Bildschirm abgeliefert wurde, ist absoluter Schund, der schwächere Staffeln wie das Breaking-Bad-Finale aussehen lässt. Selbst die Star-Wars-Prequels, verpackt in 40-minütige Episoden, wären besser gewesen.

Bevor ich mich weiter aufrege, eine kurze Erklärung für alle Leute, die noch nie etwas von Dexter gehört haben. Michael C. Hall spielt darin einen von inneren Dämonen geplagten Serienkiller, der seinen Morddrang nutzt, um Miami von anderen Killern zu befreien. Nebenher arbeitet er beim Morddezernat zusammen mit seiner Schwester. Ein moralisches Dilemma, bei dem man dennoch stets auf Dexters Seite bleibt, da seine Opfer wirklich zum größten Abschaum der Menschheit gehören. Die einzelnen Staffeln drehen sich stets um einen zentralen Konflikt, meist angeführt von einem Antagonisten, dessen Motive von Mal zu Mal unterschiedliche Formen annehmen. Ohne Spoiler ist es natürlich schwierig, einzelne Beispiele hervorzuheben, da die Handlungen, für ein Drama üblich, immer auf vorherigen Ereignissen aufbauen.

Trotz der unheimlich schlechten finalen Staffeln empfehle ich jedem zumindest die ersten vier Jahre. Leider war das Ende an diesem Punkt so überragend und mutig, dass sich die Autoren gleich in eine Sackgasse geschrieben hatten, aus der sie nur teilweise ausbrechen konnten. In Staffel sieben gelang ihnen noch ein letzter Geniestreich mit einem der vielschichtigsten Bösewichter der TV-Landschaft. Dementsprechend unerwartet kam das grottige Finale. Dieses nimmt sich alle bis dahin etablierten Figuren und dreht ihre Motivationen und Charakteristika auf den Kopf. Man erfährt Dinge über die Vergangenheit, die absolut keinen Sinn ergeben und praktisch den gesamten Ursprung von Dexters Persona ändern. Fast jede Handlung erzeugt mehr Fragezeichen. Es macht den Anschein, als wären die Autoren frisch hinzugekommen und hätten sich nur auf Wikipedia kurze Charakterinformationen durchgelesen.

Schade, wie sehr ein Achtel der Serie so einen Schatten über die vorherigen Errungenschaften legen kann. Daher vergesst es einfach. Tut so, als würde es die letzten Folgen gar nicht geben. Schaut bis zur siebten Staffel oder wenigsten die ersten vier und denkt euch danach den Rest selbst. Es kann niemals schlimmer oder dümmer sein als die traurige Realität. Diesen Abgang hatte Dexter nicht verdient.

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