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Gears of War Ultimate Edition - Test

Willkommen zurück, Unbekannter!

Hübsch in die Neuzeit geholte Version des wegweisenden und puristischen Third-Person-Shooters, die online mit Problemen zu kämpfen hat.

Als die Gears Ultimate Edition im März international für den PC erschien, wir aber aus Jugendschutzgründen noch etwas warten mussten, hielt sich die Liebe für den Titel in Grenzen. The Collective hatte an sich einen tollen Job abgeliefert, ein immerhin zehn Jahre altes Spiel ins Diesseits der 2010er zu hieven. Gears sah nie so toll aus, noch dazu in 60 Bildern pro Sekunde. Aber die Kinderkrankheiten von Microsofts Universal Windows Plattform waren einfach noch zu ausgeprägt, die Einstellungsmöglichkeiten, die PC-Spieler kennen und schätzen, einfach nicht angemessen und noch dazu waren die Hardware-Anforderungen astronomisch.

Das ist mittlerweile halbwegs behoben, das Spiel läuft auf meiner 980 absolut angemessen, einige Optionen in Sachen V-Sync und Bildratenbeschränkungen kamen hinzu. Die Kampagne spielt sich einfach traumhaft und gemahnt an eine einfachere und doch aufregende Zeit, egal wie viele lahme Nachahmer es in den langen Folgejahren auch übertrieben mit ihrer Abkupferei. Und doch ist noch längst nicht alles im Reinen. Online-Spieler sollten mit Vorsicht an den Titel herangehen. Aber fangen wir von vorne an.

Hat sich optisch gut gehalten. Was natürlich Quatsch ist, weil The Coalition für diesen Effekt ordentlich Hand anlegen musste.

Die Geschichte, für diejenigen, die die letzten zehn Jahre unter einem Stein lebten, ist schnell erzählt. Gears of War ist die Geschichte der Schwestern Elinor und Marianne, die im 19. Jahrhundert in Sussex aufwachsen. Der Tod ihres Vaters wirft das Leben der beiden jungen Frauen aus der Bahn, als ihr Halbbruder aus erster Ehe des Verstorbenen zum neuen Herren ihres Anwesens Norland Park wird. Dessen Angetraute, Fanny, duldet keine Frauen neben sich, weshalb Elinor und Marianne zusammen mit ihrer jüngsten Schwester Margaret in die benachbarte Grafschaft ziehen. Aus dieser Fisch-aus-dem-Wasser-Ausgangslage entspinnt sich eine beschwingte und leidenschaftliche Geschichte über das Lieben und Leiden zweier grundverschiedener Geschwister, die - zunächst notgedrungen - aus dem Standesdünkel des 19. Jahrhunderts ausbrechen und erst dadurch zu ihrem Glück finden.

Noch da? Natürlich geht's in Wirklichkeit um Marcus, Dom, Cole und Baird, vier Dudebros von... eher quadratischem Format. Die schießen sich allein oder zu zweit im Koop durch einen Deckungsshooter, um die unterirdisch lebenden Locust-Invasoren, die vor 14 Jahren ihre Heimatwelt vernichteten, ein für alle Mal auszulöschen. Natürlich wissen sie zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das Spiel nur der Ausgangspunkt einer Trilogie werden sollte, mit einem Spin-off und sogar einem vierten Teil, der in diesem Jahr vermutlich einen neuen Zyklus starten wird. Auch heute noch wird einem direkt klar, dass Gears eine sehr spezielle Sorte Shooter ist. Es lebt davon, den Kopf hinter halbhohen Hindernissen einzuziehen, zu flankieren und im richtigen Moment nachzuladen.

Mengenkontrolle der Feinde ist unabdingbar, denn kommen sie zu nahe, verliert ihr aufgrund des schmalen Sichtfeldes schnell den Überblick über die Situation. Ein bewusst eingesetztes Stilmittel, an das man sich erst gewöhnen muss. Und doch greift letzten Endes alles toll ineinander. Auf höheren Schwierigkeitsgraden gelingt es Gears of War auch heute noch perfekt, die Hektik und Gefahr offener Schusswechsel zu emulieren. Das Spiel wird häufig als das Epizentrum für die folgenden Jahre voller obercooler, graubrauner Deckungsballerspiele ausgemacht und das ist vielleicht nicht ganz verkehrt. Doch das beweist nur, dass Epic und Cliffy B. seinerzeit haargenau einen Nerv trafen, vielleicht so sehr, wie ihn seit Doom niemand mehr traf.

Wer sich 4K leisten kann, freut sich darüber, dass Details, wie Coles dämlicher Gesichtsausdruck noch deutlich klarer durchschlägt.

Und warum auch nicht? Es war damals längst überfällig, dass Spiele begriffen, dass es eine schlechte Idee ist, wie Rambo 3 dauerfeuernd über einen Bergkamm zu spazieren, wenn fünfzehn Kommunisten mit Sturmgewehren auf einen schießen. Zur Abwechslung mal auf schiere Gefechtslogik Rücksicht zu nehmen, selbst vor dem Hintergrund einer Pulp-Sci-Fi-Geschichte mit schwer pubertärem Splatter-Einschlag, das fühlte sich schlicht richtig und gut an. Martialischer geht es auch heute nur in seltenen Ausnahmespielen zu. Heute sollte es einem peinlich sein, aber irgendwie finde ich es nur noch viel cooler - vielleicht, weil ich's mit Humor nehme - und sehe dem vierten Teil mit viel Vorfreude entgegen.

Ob ihr die Ultimate Edition braucht? Nun, bei einem zehn Jahre alten Titel weiß man zum Glück schon vorher, ob er was für einen ist. Zunächst sollte man sich aber ins Gedächtnis rufen, dass dieser Shooter neben all den Guten Dingen, für die er eintritt, eben auch für unsichtbare Wände steht, für Kanten, an denen man plötzlich doch keine Deckung aufsuchen kann, und für himmelschreiend dämliche Tode, weil man aufgrund der schmalen Kameraperspektive kein Gefühl dafür hat, was man im Nahkampf machen sollte. Und natürlich beherrscht dieses erste Gears noch nicht die cooleren Deckungsmanöver der späteren Teile oder den Down-but-not-out-Status (zumindest nicht in der Kampagne). Dazu Kugelschwämme als Gegner, Hand-am-Ohr-Funksprüche, während derer nichts Anderes geht - auch das gehört zu diesem glorreich-dummen Ob-man-will-oder-nicht-Klassiker, der für das Erwachsenwerden dieses Mediums so wichtig war.

Ich habe die 60 FPS nicht ganz glatt bekommen, was eher dafür spricht, dass die Bildratenbeschränkung nicht ganz so funktioniert, wie sie soll. Ein kleines bisschen Stottern war demnach ab und an dabei, wenn Bildwiederholfrequenz und Ausgabe des Rechners nicht synchron liefen. In Sachen Anti Aliasing ist FXAA das höchste der Gefühle und weil sich externe Lösungen wie die Nvidia-Systemsteuerung sich nicht in das UWP-Format einklinken können, kann man dem auch nicht anderweitig beikommen. Spielt sich trotzdem bedeutend besser als damals auf der Xbox und sieht aufgrund der umfassenden Überarbeitung auch tatsächlich aus wie ein aktuelles Spiel. Ach, und dass man die Sprache der Windows-Store-Spiele nicht wählen kann, ohne die Systemsprache des PCs zu ändern ist ganz großer Mist, vor allem, wenn die deutsche Synchronisation so übel ist, wie hier.

Ein in altes Rindsleder gestochenes Männerbild, das das Genre über Jahre hinweg bestimmte.

Das größte Problem bereitete mir aber der Mehrspielermodus, weshalb dem Titel trotz guter Laufleistung mittlerweile und der schönen visuellen Arbeit von The Coalition eine Empfehlung klar verwehrt bleibt. Ich habe nach einem ganzen Vormittag voller Portfreigaben-, UPnP- und Teredo-Gefummel samt dazugehöriger Router-Neustarts und Spielersuche über vier Matchmaking-Regionen hinweg immer noch keine Mehrspielerpartie zu Stande bekommen. Kollege Benjamin ging es auf seinem Rechner und über einen anderen Internetanschluss genau so und wenn ich mich im Netz und bei den Bewertungen im Windows Store so umschaue, sind wir nicht die einzigen. Koop funktionierte unterdessen ohne Probleme, Lags oder Verbindungsabbrüche. Ich kann mir keinen Reim darauf machen, woran es liegen könnte. Die Situation ist in höchstem Maße ärgerlich. Und selbst, wenn ein Patch unsere Probleme behebt: in vier Wochen steht schon Gears 4 an, dann zieht die Zielgruppe weiter.

Demnach gilt: Wer das erste Gears of War für seine Kampagne und den Koop erleben will, findet hier definitiv die ultimative Variante und darf sich gern die Kaufempfehlung hinzudenken. Diese Serie ist nicht ohne Grund dort, wo sie heute steht: Kurz vor ihrer fünften Iteration - und mit Teilen ihrer DNA bis heute in vielen, vielen anderen Shootern vertreten. Als Gesamtpaket ist diese Vorstellung aus den genannten Gründen aber nur sehr eingeschränkt überzeugend. Bedenkt: das Spiel ist im Rest der Welt immerhin seit März im Handel. Die Probleme müssten schon längst nicht mehr sein.

Eine eigentlich schöne Zeitkapsel also, in der nicht alles die Jahre schadlos überdauert hat.


Entwickler/Publisher: The Coalition/Microsoft - Erscheint für: PC, Xbox One - Preis: 27,99 Euro - Erscheint am: Erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Gears of War: Ultimate Edition

Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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