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Hat Eve: Valkyrie das Zeug zum „System Seller“?

Wie Wing Commander - im Guten wie im Schlechten.

Die Katze ist aus dem Sack. Eve: Valkyrie wird jeder Oculus Rift beiliegen, die man kauft. Wer sich im ersten Quartal nächsten Jahres das Virtual-Reality-Headset zulegt, bekommt also nicht nur die Brille, einen Xbox-One-Controller und zweifellos einen ganzen Arm voller Demos, sondern auch sein erstes vollwertiges VR-Spiel. Aber wie "vollwertig" wird Valkyrie überhaupt? Um das herauszufinden, flogen wir vergangenen Dienstag nach London, um uns das Spiel genauer anzuschauen.

Was es ist? Ein Multiplayer-Weltraum-Shooter im unendlichen, spielergetriebenen Eve-Universum. Eine Vernetzung von Valkyrie und Eve Online wie seinerzeit in Dust 514 ist allerdings nicht vorgesehen. Valkyrie-Piloten bleiben demnach unter sich, ihre Schlachten haben keinen Einfluss auf das größere Ganze. Aber das müssen sie auch nicht, wenn Lead-Designer Andrew Williams das Spiel als "Top Gun im All, mit euch als Tom Cruise" beschreibt.

Und das trifft es ganz gut. Das hier ist keine Simulation, sondern ein schlankes Ballerspiel im All. "Wir wollten, dass die Spieler binnen Minuten kompetent sind", erzählt Willams. In der Praxis bedeutet das sehr einfache Kontrollen, bei denen man sich erst einmal daran gewöhnen muss, dass man außer des rechten Sticks für die Bewegung, A- beziehungsweise B-Taste für Schub und Drosselung wenig braucht. Trigger kommen noch hinzu, rechts zum Schießen, links für das klassenspezifische Extra von Lenkraketen über Micro-Warp bis hin zum Heilstrahl. Dann noch linker und rechter Bumper zum Rollen des Schiffes und eine Gegenmaßnahme auf X. Es ist im Grunde Wing Commander im Weltraum. Sehr auf Arcade getrimmt und eingängig.

Für mich als jemanden, der gut zweihundert Stunden Elite: Dangerous mit gewaltigem HOTAS-Joystick auf dem Kerbholz hat, regelmäßig in Star Citizens Alpha herumkurvt und auch sonst Simulationen bevorzugt, ist es ziemlich befremdlich, nicht einmal den rechten Stick zu benötigen. Aber wie mir Williams versicherte, schaue man sich alternative Kontrollmethoden an. Schub, Drosselung und Rollen würde ich persönlich mit dem rechten Daumen und somit vollkommen analog regeln wollen. Und dennoch, egal ob man nun einfach nur im Team-Deathmatch das Lebenskontingent des Gegners verheizt oder im anderen Modus, den wir spielen durften, Control, strategische Punkte auf der Karte eroberte: Es macht Spaß und ich hatte zwar das Gefühl, im All zu sein - die gewaltige Größe und Weite, die Oculus gekonnt vermittelt, ist der Grund dafür. Aber trotz der optisch sehr gelungenen und immersiven Aufmachung kam es mir nie so richtig vor, als steuerte ich hier tatsächlich ein Raumschiff.

Ich bin nicht einmal komplett sicher, ob das nicht der Technik geschuldet ist. Denn in Sachen Oculus-Entwicklung gilt aktuell als oberstes Gesetz: Allein der Spieler sollte Einfluss auf den Blickwinkel haben. Alles andere bietet reichlich Potenzial für projektilartiges Erbrechen. Das hat zur Folge, dass die Entwickler das Raumschiff bei Treffern nicht so durchschütteln dürfen, wie sie vielleicht wollen. Auch den Spieleravatar in Kurven physikalisch und perspektivisch korrekt in den Sitz zu drücken, ist gewissermaßen tabu. Das riss zumindest mich regelmäßig aus dem Raumschiff-Feeling heraus. Visuell überzeugte die Illusion, dort zu sein, sehr wohl. Zwischendurch erinnert einen der Körper aber immer wieder daran, dass hier eigentlich Kräfte auf ihn wirken sollten, die schlicht nicht zu verzeichnen sind.

Das ist allerdings kein Problem, mit dem sich allein Eve Valkyrie auseinandersetzen muss. Man merkt eigentlich jedem VR-Entwickler an, mit dem man spricht, dass man auf der Suche nach Antworten zu derartigen Fragen ist. Vieles davon wird sich erst deutlich nach der Veröffentlichung beantworten lassen. Eine andere Sache, die Elite besser gelang: Der Eindruck von Größe, der zwar auch bei Valkyrie nicht von schlechten Eltern war, gelingt Frontier Developments besser. David Brabens Spiel weiß um die Wichtigkeit von Mikro-Details an den Außenseiten der Raumstationen und -fliegern. All die kleinen Klappen, Rohre, Lichter und Kluften sind es, die den Eindruck erwecken, hier ein riesiges Objekt vor sich zu haben. In Eve Valkyrie gibt es auch geradezu titanische Schiffe, aber sie sind so plan- und ebenmäßig, dass man meint, eher ein besonders großes Spielzeug vor sich zu sehen.

So, jetzt aber genug gemeckert, denn insgesamt hatte ich sehr wohl Spaß mit Valkyrie. Das grundlegende Fliegen war schnell und dynamisch, auch wenn immer wieder direkte Dogfights in dreidimensionales Circle-Strafing ausarteten, aber ich bin sicher, im Live-Betrieb und mit Spielern, die wissen, was sie tun, ist das keine valide Taktik mehr. Tatsächlich machte vor allem das Aufschalten von Spezialwaffen und Raketen sehr viel Spaß: Zieht man den linken Trigger, erscheint ein zweites Fadenkreuz, das man allein mit seinem Blick steuert. Fixiert einen Gegner, um eine Raketenaufschaltung zu starten, wartet, bis die gewünschte Zahl an Projektilen geladen ist, und lasst dann die Taste los, um zu feuern. Ähnlich verhält es sich mit dem Reparaturstrahl des Support-Fliegers, der alternativ auch die Schilde eines Feindes demolieren kann, wenn man den nur lang genug im Blick hält. Auch cool: Die Spider-Drohnen des Support-Fliegers. Er lässt hinter sich ein "Spinnennetz" aus Energie fallen, das Alliierte repariert und Feinde schädigt.

Im Control-Modus gefiel vor allem, dass man nicht selbst durch Anwesenheit die Kontrollpunkte eroberte, sondern das von Drohnen erledigen ließ, die man absetzte und dann verteidigte. Hier einen besonders knifflig zu erreichenden Punkt zu suchen und den einzigen Zugang abzuschirmen, war ein sehr netter Touch. Nicht spielen konnten wir den Konvoi-Modus und auch für die friedliche Erkundung der schön gestalteten Maps war zu wenig Zeit. Aber im Hangarmenü konnte man schon sehen, dass die Individualisierungsoptionen der Flieger nicht nur das Waffen-Loadout und ihre Form beeinflussten, sondern sogar das Aussehen der Cockpit-Elemente. Blaupausen für neue Flieger schaltet man im Verlauf frei, zusätzlich sammelt man in den Matches Schrott, um diese dann zu bauen. Sehr schön und vor allem auf lange Sicht eine kluge Art, den Spieler stärker an seine Schiffe - bis zu vier legt ihr euch pro Match zum schnellen Anpassen eurer Taktik bereit - zu binden.

Also bis hierhin: Es ist eine wunderbare Neuigkeit, als Oculus-Käufer dieses Spiel gratis zu erhalten. Ein schnelles, an klassisches Wing Commander erinnerndes Ballerspiel im Weltraum mit einigen vielleicht nicht steuerungstechnischen, aber sehr wohl taktischen Tiefen, die ihm Langlebigkeit verheißen. In Zeiten physikalisch authentischer Raumsimulationen, mit Bewegungsfreiheit über alle Achsen hinweg, wirkt das Flugmodell aber fast schon ein bisschen archaisch. Zudem wird man nicht so rumgeworfen, wie das ansonsten sehr schnelle und fast schon rabiate Durchs-All-Düsen eigentlich vermittelt. Und doch wird das hier aller Voraussicht nach zumindest in den ersten Wochen maßgeblich den Spielealltag der Early-Adopter bestimmen. Auch als Showcase für Leute, die den Reiz der VR-Brillen bisher nicht nachvollziehen konnten, ist es ein hervorragender Appetizer. Insofern haben CCP und Oculus mit ihrer Partnerschaft alles richtig gemacht.

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