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IL-2 Sturmovik: Battle of Stalingrad - Nichts ist so hardcore wie dein eigenes Unvermögen

Ein Noob auf der Suche nach dem Auftrieb.

Ich habe Dark Souls durchgespielt. Mehrfach. Habe gelitten, geflucht, gezweifelt. Doch das war lediglich ein Spaziergang im Vergleich zu dem, was mich an diesem Tag in Prag erwarten sollte. IL-2 Sturmovik. Erst jetzt weiß ich, was wirklich hardcore ist.

Der Mann, der vom Himmel fiel

Ich bin gestorben. Dabei bin ich eigentlich nur geradeaus geflogen. Wollte eine kleine Kurve drehen, aber auf einmal heißt es: Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Mein Flugzeug kommt ins Trudeln, wird unkontrollierbar, fällt wie ein Stein senkrecht vom Himmel. Bumm, Game over. Und das auch noch auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad.

Ein wenig peinlich ist mir das im ersten Moment schon, komme mir vor wie ein Kind, das zum ersten Mal ohne Stützräder Fahrrad fährt - noch nicht mal geradeaus fahren klappt... Ich beobachte verschämt aus den Augenwinkeln meine Journalistenkollegen aus aller Welt und stelle erleichtert fest: Bei denen sieht es genauso aus. Exakt genauso. Überall. Links und rechts von mir schlagen Kampfflieger auf der grünen Wiese ein, ohne Feindeinwirkung, wie Hagelkörner.

Einer der Kollegen versucht gerade von der Startbahn abzuheben. Auch das gelingt nicht. Das Flugzeug kommt ins Schleudern, kippt auf die Seite und rotiert im Kreis, so als versuche es, mit dem Reifen einen Donut in den Asphalt zu malen. Irgendwann bricht es in der Mitte auseinander... DAS ist Hardcore. Das ist IL-2 Sturmovik: Battle of Stalingrad.

So nahe kam an diesem Nachmittag keiner der angereisten Journalisten seinem Gegner.

„Hardcore with Passion" nennen die russischen Entwickler von 1C Company ihre Firmenphilosophie. „Braucht irgendjemand heutzutage wirklich noch so etwas?", fragen sie daher zu Beginn gleichsam ironisch wie rhetorisch in die Runde. Nun, von den hier versammelten Journalisten offenbar niemand. Doch die Fan-Community solcherlei Flugsimulationen ist gar nicht mal so klein und vor allem: mit Herz und Leidenschaft bei der Sache.

Heartcore

"Es geht um die möglichst authentische Simulation jedes einzelnen Aspektes der damaligen Luftschlachten."

Die Zeit sei reif, das Genre auf ein neues Level zu bringen, schießen dann die Phrasen aus der Marketingpistole. Schön und gut, aber das erzählt einem jeder Entwickler. Doch was dann folgt, macht selbst mich Ignoranten neugierig. „In einer modernen Flugsimulation geht es um mehr als nur darum, dass man jedes einzelne Knöpfchen drücken kann", beginnen sie die Erläuterung ihrer Vision.

Nun gut, aber um was geht es dann? Es geht um die möglichst authentische Simulation jedes einzelnen Aspektes der damaligen Luftschlachten. Das erklärte Ziel ist es, eine Erfahrung zu schaffen, die dem damaligen Geschehen so nahe wie möglich kommt. Nicht einfach nur Spiel, nicht einfach nur Simulation, „Dokumentarspiele" sollen es sein.

So wie Dokumentarfilmer historische Ereignisse in bewegten Bildern für die Nachwelt festhalten, so möchte 1C Company Luftfahrtgeschichte für nachfolgende Generationen rekonstruieren und erfahrbar machen. Denn die Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs fliegen heute schon lange nicht mehr, auch von den Zeitzeugen, die damals im Cockpit saßen und darüber berichten können, gibt es nur noch wenige. Eines Tages wird in Vergessenheit geraten sein, wie es als tollkühner Mann in einer fliegenden Kiste war.

Dank Original-Blaupausen verspricht 1C Company die authentische Rekonstruktion von zehn legendären WW2-Kampffliegern.

Einen davon hat 1C als Berater aufgetrieben, um dafür zu sorgen, dass sich das Fluggefühl echt anfühlt. Stapelweise Original-Konstruktionspläne und komplexe aerodynamische Modelle habe man herangezogen. Auch bei der KI achte man auf größtmöglichen Realismus. „Die KI cheatet nicht. Sie soll sich so verhalten, wie sich ein echter Mensch verhalten würde."

Aerodynamik, so erklärt mir später einer der Entwickler, sei auch der Grund, warum mein Flugzeug ständig aus buchstäblich heiterem Himmel abgeschmiert sei. Er redet über Luftströmungen, macht Handbewegungen, die Flügel, Auftrieb bedeuten sollen. Ich nicke, verstehe aber kaum ein Wort, wundere mich, wie sich diese Maschinen dereinst überhaupt in der Luft hielten.

Einem Gegner sind wir an diesem Tage übrigens allenfalls als fernem Punkt am Horizont begegnet. Ans Kämpfen war nicht mal ansatzweise zu denken. Wie gesagt: Es war schon schwer genug, den Vogel in der Luft zu halten. Möglicherweise auch deshalb lassen viele Spieler von IL-2 Sturmovik die Dogfights links liegen und erfreuen sich einfach nur am reinen Flugrausch, wie die Entwickler aus ihren Statistiken wissen.

Vom Flugmodell über die komplexe Aerodynamik bis hin zur Künstlichen Intelligenz: IL-2 Sturmovik: Battle of Stalingrad gibt sich auffallend Mühe, den Luftkampf des Zweiten Weltkriegs so authentisch wie möglich abzubilden. Die Idee eines „Dokumentarspieles", mit dem eine ganze Ära aus den Anfängen der Luftfahrt für nachfolgende Generationen festgehalten werden soll, halte ich jedenfalls für höchst spannend.

Wer dafür nicht erst monatelang Flugstunden nehmen möchte, wie es uns Noobs notgetan hätte, bekommt in der fertigen Version natürlich auch ein Tutorial und die Möglichkeit, die Realismuseinstellungen so bis ins Detail zu regeln, dass aus der Hardcore-Simulation beinahe schon eine Arcade-Ballerei wird. Hätte ich das mal vorher gewusst...

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