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Infinite Space

Zu groß für den DS

Es gibt Momente, in denen man einfach das Gefühl hat, ein Spiel macht alles richtig, aber es kam einfach auf der falschen Konsole raus. Die illustre Platinum-Games-Truppe und ihre Compadres von Nude Maker trafen vielleicht eine etwas unglückliche Entscheidung, als sie beschlossen, ihr Rollenspiel Infinite Space auf dem DS zu veröffentlichen. Diese Plattform ist ja nun wirklich nicht schlecht besetzt an hochwertigen RPGs, man möchte fast sagen im Dutzend billiger. In einem solchen Rahmen aufzufallen, fällt nicht immer leicht. Und für das, was Infinite Space hier macht, ist der Winzscreen eigentlich viel zu klein.

Mit den Worten „Das ist sowas wie EVE, nur halt Solo und für DS“ lies man mich etwas verwirrt mit dem Spiel in der Hand zurück. Das ist ja ungefähr so, als würde man sagen „Das ist wie Elefant als Toaster, nur halt für die Hosentasche.“ Verwirrung und Kontradiktion in einem Abwasch.

Aber schon nach kurzer Zeit fühlt man sich gar nicht mehr so verwirrt, sondern drückt eine gefühlte Million schon mal gelesener Zeilen Text weg. Minderjähriger Junge hat keinen Bock auf seinen eigenen Planeten, aber böser Herrscher will nicht, dass die Steuerzahler in den Weltraum verschwinden. Also holt ihn eine Söldnerin ab – die Brüste sagen „Ja“, aber das Gesicht sagt „In den Knast, Du Kinderschänder“, Anime halt – und will ihm das Universum zeigen. Oder zumindest gegen Kohle ein paar Planeten weiter absetzen. Dann nimmt der Diktator die kleine Schwester unseres jugendlichen Helden als Geisel, um ihn zurückzuordern, was wiederum die wohlgerundete Söldnerin dazu bewegt, sich weit mehr zu involvieren als es die bisherige Charakterisierung der Figuren hergibt.

Nur eines der vielen Schiffe.

Das ist der übliche J-RPG-Junkfood und die erste halbe Stunde ist nichts anderes als schmerzhaft. Dann aber werdet ihr erst einmal abgelenkt, denn schon nach kurzer Zeit dürft ihr euch ein eigenes Raumschiff basteln, das dann Teil einer ganzen eigenen Flotte sein wird. Wow, das sah ich nicht kommen, schon gar nicht mit der hier gebotenen Flexibilität im System. Der grundsätzliche Bauplan wird in Form einer Blaupause eingekauft, dann geht es auf Wunsch an eine ganze Vielzahl von Feinheiten bei Panzerung, Bewaffnung und sonstiger Ausstattung. Das sind keine kleinen Randdetails, sondern im späteren Verlauf absolut essenzielle Entscheidungen, denn wer im Weltraum nicht aufpasst, den hört bald keiner mehr schreien.

Selbst Zufallsbegegnungen können schmerzhaft enden, sobald ihr die Reichweite und Art der gegnerischen Waffen außer Acht lasst oder nicht einmal so genau wisst, was ihr an Bord habt. Auf dem unteren Screen befinden sich im besten Enterprise-Stil alle Bedienelemente für die Waffen und Steuerung, oben läuft der eigentliche Kampf ab. Das meiste davon ist jedoch kaum mehr als nette Zierde, denn der wichtigste Indikator ist ein eher unscheinbarer Balken, der die Entfernung der Kontrahenten zueinander anzeigt. Erst auf die richtige Distanz sind eure Waffen effektiv, seid ihr zu nah dran oder zu weit weg, kann es schnell passieren, dass ihr dem Feind in die Hände spielt. Es wird dabei nicht in 3D, sondern lediglich vor und zurück navigiert, was die Sache deutlich übersichtlicher macht.

Die Tiefe des Systems entfaltet sich sicher nicht am Anfang, aber es lässt sich leicht erahnen, wie die Unmenge an Schiffsmodifikationen, Bauweisen und Kombinationen an Flottenzusammensetzungen dem zuerst simplen Schlagabtausch zu ungeahnter Tiefe verhelfen. Die Raumkämpfe ersetzen dabei vollkommen das sonst übliche Mann gegen Mann. Ein paar Minidungeons und Raumschiffsinterieurs werden in der First-Person-Perspektive durchwandert, aber der Schwerpunkt liegt auf allem, was im Weltall passiert.

Infinite Space - Trailer

Der größte Schwachpunkt, den ich bisher ausmachen konnte, dürften die pottenhäßlichen Raumkämpfe sein. So gut sie sich spielen, so grottig sehen sie aus. Das DS ist hier schlicht überfordert. Die Animezeichnungen und einige Planetengrafiken holen wieder ein wenig was hervor, aber ein schönes Spiel ist es am Ende immer noch nicht. Mehr ein technisches, funktionales. Kritikpunkt Nummer zwei könnte sich im Laufe des Spiels in eine Stärke verwandeln. Beim ersten Anblick des Helden spürt man schnell diese latente Übelkeit, die man irgendwann entwickelte, als ein Kind mit Kulleraugen zu oft die Welt rettete. Hier aber ist es letztlich nur die eine Hälfte. Es sind die Ursprünge der Helden, die nach einem Zeitsprung in der Handlung erwachsen wurden und dann erst den weit gespannten Plot abschließen. Das Wissen um diese Entwicklung macht die Kinderhelden im zarten TKKG-Alter nicht nur leichter erträglich, es macht sie interessant und gibt ihnen die Tiefe, die im Angesicht des großen Plots auch dringend benötigt wird.

Und trotzdem, eine große Plattform hätte Infinte Space sicher besser zu Gesicht gestanden. DS-Titel werden im Westen bei der breiten Masse nicht immer für voll genommen und die technischen Defizite, selbst unter Berücksichtigung der Hardware, machen es nicht einfach, das Spiel zu promoten. Das ist schade, denn Infinite Space dürfte eines der ungewöhnlichsten J-RPGs der letzten Jahre sein. Eines, das mit seinen dynamischen Schiffskämpfen, seinem Raumkreuzer-Bastelmodus und seiner Jahre überspannenden Handlung zumindest auf ein paar Konventionen verzichtet und vielleicht mit mehr Aufmerksamkeit beobachtet werden würde, wenn es doch nur in groß kommen würde. Das „kleine“ Infinite Space mag am Ende weniger pompös daherkommen als andere SciFi-Anwärter, aber es sieht schwer danach aus, als würde es sich nicht unbedingt verstecken müssen.

Die Japaner cruisen schon durch den Inifinite Space, wir müssen noch bis zum 26. März warten.

In diesem artikel

Infinite Space

Nintendo DS

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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