Jotunnslayer: Hordes of Hel. Huch, ich bin ja doch nicht immun gegen dieses Virus namens Vampire Survivors – aber auch nur, weil dieser Nachahmer gleich drei Schippen drauf legt!
Vampire oder Götter? Hauptsache Krawall!
Bevor es um Jotunnslayer: Hordes of Hel geht, ein „Sorry!“ an alle, die ich damit womöglich vor den Kopf stoße, aber mit Vampire Survivors bin ich nie warm geworden. Ja, ich finde es sogar regelrecht langweilig, nur dabei zuzusehen, wie Zahlen und Sprites über den Bildschirm gespült werden, während der Held oder die Heldin komplett automatisch kämpft. Ein spielerisch dermaßen abgespecktes Crimsonland macht auch die absurde Vielzahl an Gegnern für mich nicht besser.
Dachte ich jedenfalls. Bis ich die Demo von Jotunnslayer: Hordes of Hel eingelegt habe und daran hängengeblieben bin wie Bienen an einem saftigen Glas frisch geerntetem Honig. Blöder Vergleich, ich weiß, aber mich hat das tatsächlich nicht mehr losgelassen – dabei passiert hier im Grunde genau das Gleiche wie bei dem erfolgreichen Vorbild: Ganz von selbst haut oder schießt mein Alter Ego auf Dutzende anrückende Feinde, deren Wegfindung mit „gerade Linie von mir nach dir“ bereits über Gebühr gefeiert wird, und wann immer die Abklingzeit für den zentralen Angriff oder eine Spezialfähigkeit abgeklungen ist, wird die entsprechende Aktion automatisch ausgelöst.
Beseitigte Angreifer hinterlassen daraufhin Erfahrungspunkte, die man einsammeln sollte, denn bei jedem Levelaufstieg erhält man eine weitere Fähigkeit oder die Verbesserung einer bereits vorhandenen. Mehr als Herumlaufen tut man dabei nicht – in der Liste traditionell geprägter Videospiel-Enthusiasten dürfte dieses Genre für mein Gefühl nicht mehr als zwei Mikrometer über den schrecklichen Idle Games harren, die sich ja buchstäblich fast selbst spielen.
Okay, mir ist natürlich nicht erst seit Jotunnslayer oder Vampire Survivors klar, dass das Zusehen von ständig wachsenden Zahlen beziehungsweise damit verbundener Inhalte Dinge mit dem Gehirn macht, denen sich Mensch schwer entziehen kann. Und dieses Wachstum-Gucken funktioniert auch hier ausnehmend gut, weil es dieselbe Belohnungssucht aktiviert.
Aber das alleine ist es eben nicht! Während Vampire Survivors (ähnlich wie die meisten Idle Games) diese Rechnerei nämlich dermaßen nüchtern visualisiert, dass ich dabei einschlafe, lässt es Jotunnslayer krachen wie ein ausgewachsenes Actionsfest. Mal ganz abgesehen davon, dass die ersten Level-ups hier deutlich schneller durchlaufen sind als in der Blaupause: Was ab ungefähr Stufe zehn schon abgeht, fühlt (!) sich unglaublich intensiv an. Ab Level 20 oder gar 30 sollte man dieses Spektakel dann selbst erlebt haben. Ich erwähnte ja schon, dass es auf Steam eine Demo davon gibt…
Je nach Charakterentwicklung (die beginnt ja mit jeder Runde von vorn, da der Zufallsgenerator bestimmt, welche Fähigkeiten man erhält) hat das sogar einen ganz eigenen audiovisuellen Reiz. Der Hammer von Thor rauscht etwa mit einem sonoren Summen übers Feld und ein Schutzfeld von Freya besänftigt mit seinem leisen Summen. Manchmal weben diese und alle anderen Fähigkeiten ein so hypnotisches Netz um die schonungslose Schlachtplatte, das das Spektakel ein Zen-artiges Flair ausstrahlt.
Wobei es hier nicht so sehr um die schiere Masse an Kreaturen geht, sondern diese satte Inszenierung im Vordergrund steht. Ich habe ja gerade erst mit Path of Exile 2 angefangen und Jotunnslayer kann man sich ganz ähnlich vorstellen. Es ist näher am fokussierten Action-Rollenspiel dran als am Taschenrechner.
Und ganz recht: Es geht um die nordische Mythologie. Jötnar sind schließlich Götter, während Hel sowohl die Unterwelt als auch die darüber herrschende Gottheit meint. Mehrere Tests, sprich Schlachtplatten muss man dort absolvieren – warum, das weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr und es spielt auch keine nennenswerte Rolle.
Wissen sollte man nur, dass man dieses Tests freilich nicht beim ersten Mal besteht, sondern gesammeltes Geld und andere Ressourcen in den dauerhaften Ausbau passiver Eigenschaften wie Angriffsstärke, Erfahrungsgewinn sowie physischen Schutz steckt und zusätzliche Fähigkeiten in den Pool der zufällig erwürfelten Charakterentwicklung wirft. Wobei die maximalen Stufen vieler Fähigkeiten nicht nur eine weitere Steigerung der Angriffswerte oder erneute Senkung der Cooldown-Sekunden bedeuten, sondern oft auch ihre genaue Wirkung verändern, wodurch sie visuell erst so richtig mächtig in Szene gesetzt werden.
Ach, und man darf diesen Ausbau vor jedem Run komplett umgestalten, falls einem danach der Sinn steht. Das ist zum Beispiel beim Wechsel auf einen anderen Charakter wichtig, da sich deren Stärken und Schwächen mitunter stark voneinander unterscheiden.
Ja, es ist vor allem das Fest für die Augen, das mich eine Partie nach der nächsten starten lässt. Und dafür könnte ich sogar ein manuelles Zielen und Angreifen aktivieren! Anfangs habe ich das auch versucht, da es mehr meiner Vorliebe entspricht. Nur hält sich der Mehrwert davon in so engen Grenzen, dass ich das schnell wieder abgeschaltet habe. Schwer zu beschreiben… aber was Steuerung und Spielfluss angeht, ist Jotunnslayer ganz klar auf die von Vampire Survivors geprägte Automatikschiene geeicht.
Trotzdem spielt das aktive Eingreifen hier eine große Rolle. Immerhin gibt es einen Dash, den man manuell auslösen muss, und einen zur Hauptwaffe gehörenden Spezialangriff, der ebenfalls händisch aktiviert werden will. Nicht zuletzt kann man die Richtung des regulären Angriffs selbst dann bestimmen, wenn er automatisch ausgelöst wird.
Ab dem zweiten Level sollte man zudem ständig verschiedenen Arten von Beschuss und anderen Gefahren aus dem Weg gehen, weil man sonst empfindlich getroffen wird. Auch das trägt viel dazu bei, dass ich mich hier um einiges wohler fühle als in dem Spiel, das Pate stand.
Ich sollte natürlich noch erwähnen, dass Jotunnslayer heute nicht als fertiges Spiel erscheint, sondern sowohl auf Steam als auch im Epic Games Store zunächst als Early-Access-Titel startet. Im Grunde spielt das keine Rolle, da mich schon diese Version fest am Haken hat. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass noch längst nicht alle Helden und Fähigkeiten vorhanden sind, einige Mechaniken erst hinzukommen werden und manche technische Schraube noch gedreht werden muss.
Ich habe die Entwickler etwa gefragt, ob man die Verteilung der aktiven und passiven Fähigkeiten später wird speichern können. Wechselt man das Alter Ego, kostet die dafür notwendige Anpassung nämlich einiges an Zeit, da eine zaubernde Seherin ein ganz anderes Skill-Set benötigt als ein Berserker oder ein Bogenschütze, der von gespenstischen Wölfen begleitet wird. Und sie hielten das zumindest für eine gute Idee.
So oder so: Was ihr ab heute spielen könnt, hat es gehörig in sich. Mich hat es endlich davon überzeugt, dass Automatikkämpfe dieser Art tatsächlich Spaß machen können, falls das aktive Eingreifen groß genug und in ein so sattes audiovisuelles Erlebnis eingebettet ist, dass sich das gehirnverzaubernde Zahlenspiel wie ein interaktiver Blockbuster anfühlt. Wer auch nur ansatzweise dafür empfänglich ist, sollte sich Jotunnslayer: Hordes of Hel jedenfalls nicht entgehen lassen. Erwähnte ich eigentlich, dass es auf Steam eine Demo davon gibt?