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Kingdom Hearts 1.5 HD ReMIX - Test

Eine Ode an die Fans. Aber lohnt es sich auch für Neueinsteiger?

Denken wir an vergangene Erfahrungen mit Spielen zurück, dreht es sich dabei nicht immer um das Spiel selbst. Selten kann man es aus dem Kontext herausfiltern, sondern betrachtet das Produkt stets zusammen mit den Umständen, die es erst zu einem außergewöhnlichen Moment machten. Erinnere ich mich an das erste Kingdom Hearts, kann ich es als reines Spiel unmöglich isolieren. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, steigt sofort das wohlige Gefühl in mir auf, das ich damals spürte. Und das lag zwar zu einem Großteil am Spiel, aber auch an einem guten Freund, der mich auf meiner Reise durch das virtuelle Universum begleitete. Fünf Tage und laut meines alten Spielstands 74 Stunden verbrachten wir gemeinsam mit dem Spiel, bis wir wirklich 100 Prozent des Inhalts gespielt, gesammelt und besiegt hatten.

Rückkehr zu alten Tagen

Genau hier liegt das Problem mit der Nostalgie. Wir erinnern uns nicht an das Spiel. Wir erinnern uns an die Zeit, in der wir es spielten, wie wir uns fühlten und blenden dabei schlechte Ereignisse aus. Wir filtern eine Erfahrung ganz nach unserem Geschmack, verbinden sie mit einem Produkt, das dazu beitrug, und wünschen uns diesen Zustand bei einem weiteren Durchgang zurück.

Erst bei einem erneuten Aufeinandertreffen können wir feststellen, ob unsere Zuneigung berechtigt war, auch wenn wir nicht jedes nostalgische Gefühl ausblenden können. Als ich nach mehreren Jahren wieder das Menü zu sehen bekam und mich die weiche Melodie empfing, fühlte es sich wie eine Heimkehr an.

Viel besser sieht es im Vergleich zum Original nicht aus. Braucht es aber auch gar nicht.

Die ersten Minuten verbringt ihr als Protagonist Sora auf einer kleinen Insel, die ausschließlich von Kindern bewohnt wird. Zwar erzählen sie zwischendurch von ihren Eltern, aber man sieht sie niemals. Über die Jahre hatte ich viele Beschwerden bezüglich der Kamera und Steuerung gehört. Vor allem die Sprungsequenzen sorgen bei einigen Spielern für entnervte Wutausbrüche. Ich kann diese Anschuldigungen zwar verstehen, aber für mich nicht bestätigen. Selbst ohne Eingewöhnungszeit dirigierte ich Sora problemlos über die Insel. Die kurze Suche nach Bauteilen oder das Rennen gegen euren Freund Riku empfinde ich selbst heute nicht als störend. Es dauert vielleicht ein wenig, bis ihr tief im normalen Gameplay steckt, doch der Weg bis dahin ist keinesfalls langweilig. Dafür sorgen allein die wunderbaren Welten.

Hier lag schon immer die größte Stärke von Kingdom Hearts. Als Verbindung von Disney und Final Fantasy fliegt ihr zu mehreren Planeten, auf denen ihr die Handlung berühmter Zeichentrickfilme nachspielt. Neben Alice im Wunderland, Tarzan oder Aladdin bietet Kingdom Hearts noch eigene Schauplätze wie den Ort Traverse Town, der als zentraler Ausgangspunkt für eure Erkundungen dient. Selbst dort warten Dutzende Geheimnisse auf ihre Entdeckung. Viele davon könnt ihr erst im späteren Verlauf freischalten, nachdem ihr weitere Fertigkeiten erhalten habt. Ein gewisser Metroidvania-Stil zieht sich durch das Spiel, der euch immer wieder in alte Gebiete führt. Oder ihr folgt allein der Haupthandlung. Niemand zwingt euch zu Backtracking.

Jede Welt zeigt euch eine konzentrierte Version des jeweiligen Disney-Films.

Trotzdem empfehle ich es jedem. Kingdom Hearts brüstet sich keinesfalls mit gigantischen Arealen. Dafür strotzen diese nur so vor interessantem Leveldesign, das ganz gerne mit der Vertikalen spielt und euch nach dem richtigen Weg suchen lässt. Jeder Raum fühlt sich richtig an. Duplikate existieren nicht. Außerdem findet ihr keine langweiligen Schätze, die euch die Lust am Sammeln rauben, wie es sehr oft in zu großen, leeren Welten passiert. Dagegen muss ich in Kingdom Hearts auch heute noch jeden Fleck erkunden. Irgendwo versteckt sich immer ein nützliches Item.

Dream Team

Sora sowie seine beiden Begleiter Donald und Goofy rüstet ihr nur mit besseren Waffen aus. Hört sich nicht sonderlich komplex an und das ist es auch nicht. Dadurch behält man aber den Fokus auf dem Kampfsystem. Ein neues Schlüsselschwert - übrigens eine der coolsten Erfindungen überhaupt - erhöht vielleicht ein paar Statuswerte, doch ohne das nötige Können gelangt ihr nicht ans Ziel.

Das Kampfsystem erscheint auf den ersten Blick recht simpel. Manch einer würde es sogar als Button-Masher bezeichnen, bei dem ihr ständig nur auf eine Taste drückt. Zum Glück ist dem nicht so. Zwar ist Soras Repertoire mit wenigen Angriffen, Zaubern und Beschwörungen arg begrenzt, doch es kommt ganz auf deren taktischen Einsatz an. Ihr müsst die Schwachstellen der Gegner erkennen, das Schlachtfeld im Überblick behalten und die Ausweichmanöver perfektionieren. Erst dann entfaltet sich das wahre Potenzial.

Ihr müsst die Schwachstellen der Gegner erkennen, das Schlachtfeld im Überblick behalten und die Ausweichmanöver perfektionieren.

Zwar muss ich die 100 Prozent noch einmal erreichen, doch dieses Mal kann ich sie mit einer Trophäe verewigen.

Wer mir nicht glaubt, muss sich nur mehr mit dem Spiel beschäftigen und alle geheimen Bosse besiegen, die zu den besten Momenten des Abenteuers gehören. Nur so kämpft ihr beispielsweise gegen den Eisgiganten oder einen mechanischen Riesenskarabäus. Mein persönlicher Favorit ist der Kampf gegen den Tod in Peter Pans Welt. Hier schwebt ihr bei Nacht vor dem Big Ben und schlagt für mehrere Minuten auf den Kuttenträger ein. Natürlich bleibt als letzte Herausforderung noch das Gefecht mit Sephiroth, dessen Schwert fast die Spannweite seiner Arena erreicht. Ihn zu besiegen, gehörte damals zu meinen größten Spieleerfolgen.

Neue Areale, Gegenstände oder Schlüsselschwerter findet ihr in der Neuauflage übrigens nicht. Ein wenig schärfer sind die Welten geworden, doch für ihre Schönheit sorgten schon immer die kräftigen Farben. Die einzigen Änderungen beziehen sich auf Steuerung und Menüführung. So dürft ihr die Kamera nun auf Knopfdruck hinter Sora zentrieren und habt für Beschwörungen eine eigene Leiste unter den drei normalen Aktionen. Dafür ließ man die Spezialleiste weg, die im Original für kontextsensitive Interaktionen benutzt wurde. Stattdessen startet ihr Gespräche oder sonstige Ereignisse mit der Dreieck-Taste. Die Version basiert übrigens auf der japanischen Final-Mix-Fassung, die unterschiedliche Schwierigkeitsgrade sowie zusätzliche Zwischensequenzen bietet.

Mit ein paar Problemen hat der Titel übrigens noch immer zu kämpfen. Die Handlung verläuft sich nach einem interessanten Start in den einzelnen Geschichten kleinerer Welten, bis ihr erst kurz vor Ende die eigentliche Quest aufgreift. Aber auch dann schafft es der Titel nach einem großartigen finalen Akt seltsame Wendungen einzubauen, die das Franchise seither nicht mehr ablegen konnte. Am Gameplay stören mich nur die Sequenzen in eurem Gummiship, das euer Transportmittel darstellt. Auf den Fahrten erwarten euch jedes Mal eher schlechte Shootersequenzen, die viel zu öde und einfach sind. Zumindest dürft ihr euer Schiff nach eigenen Wünschen ausbauen, bis ihr gegen Ende einen hässlichen Flugpanzer erschaffen habt, der selbst den Todesstern in wenigen Sekunden zerreißen würde.

Neben dem Auswählen von Karten und Kombinationen müsst ihr gleichzeitig auf eure Bewegungen und die des Gegners achten.

Womit ich persönlich nicht gerechnet habe, ist das Fehlen der deutschen Tonspur. Wahrscheinlich wollte man die paar Szenen aus der Final-Mix-Version nicht neu aufnehmen und entschied sich lieber für die englische Sprachausgabe. Normalerweise würde es mich nicht stören, doch im Fall von Disney ist es ein Problem. Denn Kingdom Hearts bot auch in der deutschen Version sämtliche Originalsprecher der versammelten Charaktere. Natürlich sind die englischen Sprecher großartig, doch verbinde ich mit den Figuren aus meiner Kindheit andere Stimmen, die nun fehlen.

Netter Bonus

Auf der Disk befinden sich neben dem ersten Kingdom Hearts noch zwei weitere Titel. Kingdom Hearts Re: Chain of Memories ist die PS2-Fassung des GBA-Spiels Chain of Memories. Die Handlung schließt direkt an das Ende des ersten Teils an und dient als Überbrückung zum zweiten Teil. Anhand eines netten Tricks schickt man euch hier durch veränderte Areale aus Kingdom Hearts. Nur dieses Mal mit einem anderen Kampfsystem, das komplett auf Karten basiert. Ihr erstellt euch ein Deck aus Angriffen, Zaubern und Beschwörungen, die ihr auf Knopfdruck einsetzt. Hört sich im ersten Augenblick unheimlich kompliziert an, ist allerdings wesentlich einfacher als jede Runde Magic: The Gathering.

Viel problematischer ist der Perspektivenwechsel, hervorgerufen durch die Portierung. Auf dem GBA konnte die Hardware kein dreidimensionales Terrain darstellen. Also entscheid man sich für eine isometrische Ansicht, die damals viele Entwickler wählten. Die Kämpfe sah man dagegen stets von der Seite wie zum Beispiel bei Street Fighter. Dadurch blieben die Feinde übersichtlicher und man konnte sich mehr auf das Kartendeck konzentrieren, bei dem ihr später den Einsatz gewisser Manöver taktisch abwarten müsst.

Nun mischt sich das System mit der normalen Perspektive aus Kingdom Hearts. Neben dem Auswählen von Karten und Kombinationen müsst ihr gleichzeitig auf eure Bewegungen und die des Gegners achten. Der stark gesenkte Schwierigkeitsgrad gegenüber der GBA-Version zeigt, dass auch die Entwickler diesen Umstand erkannten. Dennoch bevorzuge ich weiterhin das Original.

Trotz einer mittlerweile abartig komplizierten Handlung möchte man dennoch wissen, wie alle Stränge zusammenpassen, die das Hauptspiel lieber unbeantwortet lässt.

Wer nicht Kingdom Hearts 2 gespielt hat, versteht hier nur Bahnhof.

Als letzter Zusatz der Packung hätten wir noch das seltsame 358/2 Days, das ursprünglich auf dem Nintendo DS erschein. Die langweilige Missionsstruktur sorgte selbst bei harten Fans für schlechte Laune. Niemand, mit dem ich über das Spiel geredet habe, hat es wegen des eigentlichen Gameplays gespielt. Jeder besaß nur einen verzweifelten Grund: Mehr von der Geschichte hören zu wollen! Trotz einer mittlerweile abartig komplizierten Handlung möchte man dennoch wissen, wie alle Stränge zusammenpassen, die das Hauptspiel lieber unbeantwortet lässt. Von daher stehe ich hinter der Entscheidung, nur die Zwischensequenzen zusammen mit weiteren Informationen in Form von langen Textdateien einzubauen. Wählt die Sequenzen einzeln aus oder schaut euch 358/2 Days: The Movie an, der knapp drei Stunden über eure Glotze flimmert.

Separat betrachtet bieten die drei Komponenten dieser HD-Politur eine eher inkonsequente Qualität. Das erste Kingdom Hearts ist dabei noch heute der einzige Grund, warum man sich dieses Paket kaufen sollte. Der Rest ist eine nette Dreingabe, für den sich aber wohl nur die größten Fans interessieren. Endlich die Geschichte von 358/2 Days ansehen, ohne sich dabei durch das mittelmäßige Spiel zu quälen, ist auch für mich ein nettes Geschenk, das ich gerne annehme. Ebenso die Portierung von Re: Chain of Memories, die man zuvor nie Europa veröffentlichte. Obwohl ich das GBA-Original favorisiere, ist es weiterhin ein gutes Spiel, das durch den Perspektivenwechsel leider Kompromisse eingehen musste.

Für Kenner des Originals sollte eine Entscheidung daher leicht fallen. Besonders angesichts des äußerst günstigen Preises des Pakets. Ihr dürft nicht nur ein weiteres Mal in die Welten des ersten Abenteuers eintauchen, sondern erhaltet zusätzliches Material, das ihr vielleicht noch nie erlebt habt. Zudem dürfen wir als Nicht-Japaner endlich in den Genuss der Final-Mix-Version kommen, die darüber hinaus noch mit kleineren Änderung bestückt wurde.

Neulinge müssen sich dagegen überlegen, ob sie wirklich das komplette Paket brauchen. Denn solange ihr nicht von der Serie besessen seid, interessieren euch die Sequenzen aus 358/2 Days nicht die Bohne. Zumal erst Kingdom Hearts 2 den Protagonisten Roxas richtig einführt. Die beiden anderen Spiele erhaltet ihr in ihrer originalen Fassung zusammen für unter 20 Euro. Dann sogar mit deutscher Synchronisation. Auch wenn ich besonders den ersten Teil jedem Spieler ans Herz lege, ist Kingdom Hearts 1.5 HD ReMIX durch und durch ein Geschenk an die Fans. Und also solcher muss ich mich bedanken.

8 / 10

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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