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L.A. Noire

Endlich menschlich

Hinweis: Schaut in unsere Komplettlösung zu L.A. Noire, wenn ihr Hilfe bei der Lösung der Fälle braucht oder Filmrollen und Zeitungsartikel sucht.

Das menschliche Gesicht hat etwas Faszinierendes an sich. Wenn man redet, lacht, schreit oder weint, ist es ständig in Bewegung. Dutzende Muskeln gleichzeitig verändern sich und transportieren so Stärke, Schwäche, Zuversicht und Verzweiflung. Doch leider bereitet gerade diese Komplexität den Entwicklern Probleme. Es passiert einfach zu viel, um es wirklich glaubwürdig erscheinen zu lassen. Mal ganz abgesehen von der grafischen Präzision, Lichtreflexionen in der Haut und den vielen Poren sind es vor allem Animationen der Mund- und Augenpartien, die aus einem toten, emotionslosen Zombie einen lebenden, atmenden Menschen machen.

Einige Studios nutzen deshalb Motion Capturing für die Gespräche. Kleben ihren Schauspielern dutzende weiße Punkte an und lassen sie ihre Dialoge sprechen. Doch selbst auf diese Art und Weise wird keine Perfektion erreicht. Ja, einige Figuren aus Heavy Rain, GTA IV und Mass Effect transportieren Gefühle und Ängste, lassen einen mitleiden und zittern. Doch erst dem mysteriösen Rockstar-Projekt L.A. Noire gelingt es, die Grenze zur Realität zu überschreiten. Dank der sogenannten MotionScan-Technologie werden in dem Werk des australischen Entwicklers Team Bondi Dialoge erzeugt, die zumindest mit der entsprechenden schauspielerischen Leistung filmische Dimensionen annehmen.

Statt nur einzelne Bewegungspunkte aufzunehmen, wird hier mit 32 HD-Kameras der geschmickte, festgezurrte Schauspieler-Kopf eingescannt, während er seinen Text vorträgt. Das Ergebnis: Ein hochauflösendes 3D-Modell des Kopfes, der sich nicht nur in Gesprächen, sondern auch beim Zuhören ständig an das Kopfkino anpasst.

Verrauchter Nachtclub, melancholische Gesangseinlagen und düstere Machenschaften. Film Noir at it's best.

Da zucken der Mundwinkel, die Augen, kleine Falten bilden sich und selbst das Blinzeln wirkt wie bei einem echten Menschen. Doch diese neue Technik ist nicht nur Selbstzweck, sondern auch ein entscheidendes Gameplay-Element. In eurer Rolle als Polizist lauscht ihr nämlich nicht nur den großartigen Dialogen, sondern müsst in Befragungen erkennen, ob euch jemand die Wahrheit sagt oder lügt.

Dabei tretet ihr in die Fußstapfen von Cole Phelps, einem Kriegsveteranen, der 1947 nach Los Angeles kommt, um sich seine Sporen als Detective zu verdienen und der von Mad-Men-Schauspieler Aaron Staton auf beeindruckende Weise zum Leben erweckt wird. Er ist kein ödes Abziehbild von einem Charakter, sondern ein Mensch mit Sorgen und Nöten. Eindringlich gespielt und mit genau der richtigen Portion Naivität gesegnet, um nicht auf die dunkle Seite gezogen zu werden. Es ist eine Geschichte, die ganz bewusst am Film Noir angelehnt ist. Diesen düsteren Kriminalstreifen, die mit ihrer harten Sprache und damals wagemutigen Themen ein neues Zeitalter einläuteten.

Ein immer wiederkehrendes Thema: Die verdorbene Gesellschaft der glitzernden Filmmetropole, die sich mit schmutzigem Geld und korrupten Polizisten über das Gesetz hinwegsetzt und hinter der leuchtenden Fassade tiefe Abgründe aufwirft. Ihr selbst seid dabei ein Fels in der Brandung. Gesetzestreu, unbestechlich und unnachgiebig. Euer Auftrag: Verbrechen aufklären, die weit mehr sind als es anfangs den Anschein hat.

Und genau an dieser Stelle kommt MotionScan ins Spiel. Ihr steht mit einem Block bewaffnet Verdächtigen, Opfern und Zeugen gegenüber, stellt ihnen Fragen, die auf gefundenen Beweisen beruhen, und bewertet anschließend ihre Antworten. Glaubt ihr ihnen, hakt Cole freundlich nach. Habt ihr Zweifel, wird er schon etwas härter. Wenn ihr wisst, dass sie lügen, könnt ihr ihnen direkt mit den Gegenbeweisen konfrontieren. Ein wenig erinnert dieses Element an die Abenteuer von Phoenix Wright. Das System ist zwar nicht sonderlich flexibel und erlaubt nur wenig Alternativen, sorgt durch seine brilliante Umsetzung aber für eine Spannung, die über das Kasperletheater der Konkurrenz hinausgeht.

Doch diese eindringlichen, oft intimen Befragungen sind nur ein Element von L.A. Noire. Die meiste Zeit seid ihr in der Third-Person-Perspektive unterwegs. Könnt das fantastisch umgesetzte Los Angeles befahren, geratet in Schlägereien, liefert euch knallharte Verfolgungsjagden und heftige Schießereien. Die offene Welt ist dabei aber wie bei Mafia 2 vor allem Kulisse für die packenden Kriminalfälle. Es wird zwar auch ein paar Nebenaufträge geben – im Auto waren Notrufe zu hören, die man annehmen konnte –, die meiste Zeit rast ihr aber von Tatort zu Tatort, versucht Verdächtige zu stellen und kombiniert euch die Seele aus dem Leib.