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Lords of Xulima - Test

Elf Wege, zehn bewacht von Drachen, einer von einem Eichhörnchen. Wo geht es wohl lang…?

Ein seltsamer Zwitter von einem RPG, der nicht so richtig zu sich findet. Aber Spaß gibt es hier immer noch mehr als genug.

Ja, was bist du denn so genau? Siehst aus wie eine Aufhübschung früher Ultimas, gepaart mit ein wenig Dungeon-Crawling à la Icewind Dale und einem taktischen Kampfsystem, das wie eine intelligente Weiterentwicklung der frühen und nun wieder auch neuen Might & Magics wirkt. Eine Art Old-school-Fantasy-Wolpertinger. Ein Zwitterwesen, von dem keiner glaubt, dass es existiert, bis man ein verstaubtes Exemplar bei einem schrulligen Tierpräparator irgendwo in den unerforschten Tiefen des bayrischen Hinterlandes entdeckt. Nur um dann festzustellen, dass es auch nur eine Hase mit angeklebten Eulenflügen und festgetackertem Geweih ist.

So ähnlich verhält es sich auch mit Lords of Xulima. Was auf den ersten Blick wie die mystische, ultimative Verquickung aller alten RPG-Tugenden wirkt, entpuppt sich beim Spielen immer mehr als ein Konglomerat verschiedener, nicht ungeschickt aneinandergesetzter Teile, die relativ gut miteinander harmonieren. Aber ganz echt ist es trotzdem noch nicht.

Sieht ein wenig aus wie Ultima, bietet aber nur das absolut notwendige Minimum an Interaktion mit der Umwelt.

Die Interaktionen mit der Umwelt beispielsweise, den NPCs und den Gegenständen, das ist ganz sicher nicht auf Ultima-Niveau. Ihr könnt wenig anfassen und nur mit wenigen NPCs über ein paar Themen reden. Die meisten haben nicht mehr zu sagen als ein, zwei Sätze und stehen, ob Tag, ob Nacht, in ihrem Vorgarten des Hauses herum, das niemand, schon gar nicht ihr als Spieler betreten könnt. Viele Areale sind gar frei von Dingen, die über Herumwandern und eine Reihe von Kämpfen hinausgehen. Ein paar Kleinigkeiten haben sich aber doch eingeschlichen. Schlösserknacken und Fallenentschärfen wurden als Minispielchen elegant umgesetzt, es gibt wenigstens einen Tag-Nach-Rhythmus - auch wenn er jenseits des visuellen Effekts keine Auswirkung hat. Die Spielwelt des Kontinents Xulima hätte sich ruhig ein wenig weiter von der leblosen Standardstatik wegwagen können. Aber andere große Titel sind ähnlich nah dran, also gibt es wenig Grund, auf ein kleines RPG am Wegesrand einzuprügeln.

In den Wäldern, Wüsten und Dungeons wird einem dann schnell klar, dass das Spiel eigentlich gar nicht schwierig ist. Es wird Xulima oft nachgesagt, dass es schwer sei, old-school-schwer. Das liest man in den Foren und die Entwickler rühmen sich damit und in gewisser Weise stimmt es auch. Es zeigt aber vor allem, wie leicht sich Xulima austricksen lässt. Greift niemanden an, der eure Gruppe in fünf Runden einstampft. Heilt nach jedem Kampf vollständig. Benutzt die Speicherfunktion, sobald ihr einen Kampf gewonnen habt. Sucht euch machbare Kämpfe und geht rechtzeitig in die Stadt zurück, um die für die Heilung eisernen Rationen aufgefrischt zu halten. Bitteschön, das war die Komplettlösung für Xulima auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad.

Das Interface ist mitunter nicht auf den ersten Blick logisch, aber man findet trotzdem erstaunlich schnell rein.

Diese Art von Rollenspiel belohnt Mut nicht übermäßig, straft Unvorsicht oder Vergesslichkeit beim Speichern und fordert schlicht ein wenig Geduld. Es ist keine brillante Balance auf Messers Schneide, sondern einfach das Schauen, wo der nächste machbare Kampf und damit die nächsten Erfahrungspunkte warten. Das gilt für viele Spiele, das ist bei einem Dragon Age: Inquisition kaum anders als bei einem Dark Souls oder modernem Retro wie Might & Magic X. Aber keines von ihnen führt diese im Grunde so simplen Mechaniken so direkt, in so linearer Abfolge vor Augen, wie es Xulima tut. Wie gesagt, das Spiel ist auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad locker machbar, wenn ihr euch an diese simplen Grundregeln haltet. Eine interessante Balance würde diese immer wieder mal über den Haufen werfen, euch Kämpfe durch Geschick und Taktik gewinnen lassen, die ihr garantiert verlieren würdet, wenn ihr einfach weitermacht wie bisher. Es ist ein ultralineares, sauberes Abarbeiten einer kleinen, schicken Welt nach festen Regeln.

Das Schlimme ist - von dem ich nicht weiß, ob es wirklich schlimm ist -, wie viel Spaß mir das gemacht hat. Wenn ihr ein Spiel möchtet, dass euch immer das Gefühl gibt, "etwas geschafft" zu haben, wenn ihr es nach einer Runde wieder beendet, ich kenne derzeit kaum ein so schuldiges Vergnügen wie dieses. Ein wenig Vortasten, eine kleine Ecke der Welt säubern, einen Dungeon ausheben. Alles weitestgehend ohne Überraschungen, aber dank einiger wichtiger Faktoren hatte ich dabei stets wirklich, ehrlich und aufrichtig viel Spaß.

Erst einmal spielt sich Xulima gut. Das Interface ist hier und da nicht immer ganz schlüssig durchdacht, aber ist man erst mal dahintergekommen, läuft es. Vor allem, wenn man die Caps-Lock-Taste drückt, damit sich der Held wenigstens ein bisschen sputet. Dann sieht das Spiel ganz nett aus. Nicht umwerfend, technisch geradezu archaisch, aber sympathisch und charmant. Es gibt immer wieder ein wenig Abwechslung in Form von fallengespickten Dungeons, labyrinthischen Abschnitten, kleinen Rätseln und ähnlichen Goodies entlang des Weges, die ein „Zuviel" an Routine lange genug von Xulima fernhalten.

Irgendwo zwischen Might & Magic und Wizardy: Das ein wenig zu verlässliche Kampfsystem.

Das Kampfsystem ist taktisch einem echten Hexfeld- oder Positionierungssystem unterlegen und die logische Aufstellung der Helden ist auch die einzige, die ihr benutzen werdet - Bogenschützen und Magier hinten, Krieger in die Mitte -, aber die Zauber, Spezialangriffe und Gegnerresistenzen halten es das ganze Spiel über frisch. Das Heilsystem, bei dem ihr nach Kämpfen ruht und euren immer begrenzten Nahrungsvorrat aufbraucht, ist nicht schlecht gelöst, auch wenn es am Ende eigentlich nur dazu führt, dass ihr im Hinterkopf immer plant, wann es wieder einen Trip zurück in die Stadt gibt. Da sich in diese rationale Überlegung aber immer ein "nur einen Kampf noch" als Stimme im Hinterkopf mischt, scheint der Reiz gegeben.

Und schließlich ist da der wichtigste Faktor: Man kommt halt immer weiter. Man hängt nie wirklich fest. Da der Schwierigkeitsgrad übertrieben gesprochen so interpretiert wurde, dass es immer zehn Feinde gibt, die unbesiegbar sind, und einen, dem man mit dem aktuellen Level gut Herr wird, definiert Xulima linearen Fortschritt für sich ganz neu. Denn obwohl ihr theoretisch schnell überall hin könnt, gibt es nur einen Weg.

Das ist auch der Grund, warum ich mich dem "Old-School", "wie Ultima" und "wie Might & Magic" verweigere, das Entwickler und Foren in jedem zweiten Satz beschwören. Früher und in diesen Spielen war ein Teil des Reizes, sich auch mal durchzumogeln, wo es eigentlich noch nicht ging, sei es durch geschicktes Vorbeischleichen oder Kampfgeschick. In Xulima steht der Feind wie ein Fels im Weg und die solange die harte Mathematik des Kampfes gegen euch ist, bleibt er auch so standhaft.

Die fallengespickten Dungeons sind ein echter Gewinn für das Spiel. Nur etwas größer hätten sie sein dürfen.

Vielleicht sollte ich noch ein paar Worte zur Handlung verlieren. Es gibt eine. Sie ist okay. Ich habe direkt nach dem Spiel noch vage Erinnerungen an sie, in zwei Monaten wird das nicht mehr der Fall sein. Dafür ist es zu belanglos, zu vorhersehbar, man hat es so oder ähnlich schon zu oft gehört. Das an sich muss für Fantasy noch nicht mal so ein großes Problem sein, aber wenn es keine spannenden Charaktere oder zumindest solche gibt, an die man sich überhaupt erinnert, dann fehlt da was. Tut alles nicht weh, aber die wenigsten werden gespannt an den Zeilen der Geschichte Xulimas hängen.

Lords of Xulima ist ein ganz eigenwilliger Fall. Aus der großen Welle der Retro-Spiele halte ich es für das schwächste. Der Rest kopierte die Vorbilder weit besser, vor allem insoweit, dass ihr wirklich ein paar spielerische Freiheiten habt. Der hohe Schwierigkeitsgrad dort war darüber definiert, wie geschickt ihr in den Kämpfen seid, wie klug ihr die Systeme ausnutzt, und fordert, und dass ihr euch den roten Faden in all den Möglichkeiten selbst suchen müsst. Xulima ist weit simpler gestrickt als das, aber es hat einen echten Pluspunkt auf seiner Seite: Es spielt sich einfach flüssig und gut, lustig und locker. Man bleibt nie wirklich hängen, arbeitet sich fröhlich durch die Dungeons und freut sich über die Level. Auch wenn es also nicht "old-school" per se sein mag, eine Empfehlung als kleines Spiel am Rande bekommt es allemal. Ich habe trotz all seiner Schlichtheit und Verfehlungen nichts als Sympathien für Lords of Xulima und sehe hier viel Potential für einen zweiten Teil.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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