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Marauders: Ein Space-Tarkov, so klapprig, wie die Kähne, die man dort fliegt – darin liegt ein gewisser Zauber

Gear Fear – The Game.

Ganz klar: Hätte man mich im Vakuum gefragt, was ich glaube, wo Marauders entwickelt wurde, ich hätte als Erstes und ohne groß nachzudenken “irgendwo in Osteuropa” geraten. Es mag ein Klischee sein, aber diese Sorte ebenso klappriger wie hartherziger Loot-Shooter, mit seinen oft hochtrabenden spielerischen Ambitionen und großer Leidensfähigkeit in Sachen Glitches und Bedienbarkeit kam bisher sehr häufig aus der Ecke der Welt. Marauders, das seit ein paar Tagen im Early Access ist, stammt allerdings aus Großbritannien.

Unterm Strich muss man sagen, dass es in diesem Zustand im Early Access sehr gut aufgehoben ist. Es krächzt und knarzt an allen Ecken und Enden, aber man kann bereits einwandfrei erkennen: Dieses Spiel hat Potenzial, das es im maßvollen Dialog mit den Spielern und Spielerinnen schon noch entfalten wird. Hoffnung gibt insbesondere das spannende Konzept. In einem alternativen Diesel-Punk 1992 durchs All zu tuckern, Weltraumstationen einzunehmen oder mit Enterkapseln in andere Spielerschiffe einzudringen, um anschließend mit vollem Loot-Säckerl zu evakuieren, bevor einem buchstäblich die Luft ausgeht, das übt schon jetzt einen sehr großen Reiz aus.

Im Weltraum gibt es aktuell noch zu wenig zu tun. Das Entern anderer Schiffe macht aber schon jetzt sehr viel Spaß. Jetzt muss es sich nur noch lohnen. Oben links seht ihr die gewaltige Raumstation, an der ihr andocken könnt - und wo die meisten Missionen stattfinden.

Wenn man mal das Szenario und den attraktiven und oft fließenden Wechsel von Weltraumkampf mit mehreren Crewmitgliedern subtrahiert, kennt man die Struktur von Escape von Tarkov. Zu Anfang steht ihr mit recht leerem Inventar und der absolut notwendigen Ausrüstung in der Lobby, nehmt periodisch wechselnde Aufträge an (aktuell noch jeder für sich, als Crew zusammen Aufträge erledigen, ist Glückssache), steigt allmählich im Level auf und schaltet dadurch Crafting-Rezepte frei. Die wiederum münzt ihr mithilfe von erbeuteten Ressourcen in neue Ausrüstung um.

Der Kniff an der Sache ist, dass in den unterschiedlichen Stückchen Weltraum nicht nur KI-Gegner unterwegs sind, sondern eben auch andere Crews aus menschlichen Glücksrittern. Und die versuchen ebenfalls, ihr Inventar bis zum Rand zu füllen oder Fundsachen bei den ebenfalls wechselnden Händlern zu Credits zu machen. Während die KI oft recht planlos agiert, geht von den Spielern eine Zielsicherheit und Listigkeit aus, die irrsinnig gefährlich ist. Das Schöne ist, dass Sitzfleisch hier oft obsiegt – und auch vonnöten ist. So kristallklar und unüberhörbar wie die Schrittgeräusche hier durch die Gänge hallen, fühlt man sich oft angehalten, eine haarige Situation einfach auszusitzen und darauf zu warten, dass dem Gegenüber der Geduldsfaden reißt.

Millimeterweise mit der Waffe im Anschlag die Treppe hoch. Wenn man weiß, dass am anderen Ende jemand wartet, ist das wahnsinnig spannend.

So schwierig dieses Spiel ist, wenn es erst mal läuft, ist das Inventar dennoch schneller voll, als man gucken kann. Was sicher auch an der schnell einsetzenden Gear-Fear liegt. So schnell man die Feinde mit konventionellen Maschinenpistolen auch legt, so schnell ist man eben auch selbst tot, und so hortet man nach und nach immer mehr der wertvolleren Dinge, anstatt sie zu benutzen. Da muss noch eine Balance gefunden werden. Wenn man pro Lauf gut 50 Container durchwühlt, bevor man nach gut 20 Minuten wegen drohenden Sauerstoffmangels Rückzug antritt, kommt der Ausrüstungsschrank schnell an seine Grenzen. Das Lager zu erweitern, ist nur mit Prestige-Münzen möglich, für die man Level 40 erreichen und eben prestigen muss. Das ist auch vorerst alles, was es an Endgame gibt. Abwischen, Münze einsacken, von vorne mit dem Leveln loslegen. Da geht noch mehr.

Und das gilt eben auch für viele andere Aspekte des Ablaufs und Designs. Zuallererst hätte ich zu bekritteln, dass es unfassbar schwierig ist, überhaupt einen Anhaltspunkt zu finden, was in den Missionen, die man annimmt, überhaupt zu tun ist, ja, ob man überhaupt auf der richtigen Map dafür ist. Allgemein fällt die Orientierung in den oft sehr großen Raumstationen sehr schwer, was problematisch ist, weil man ja zum Evakuieren den Weg zurück zum einzigen Dock finden muss, das man mit seiner Kapitänsschlüsselkarte öffnen kann.

Mit Marauders Enterkapsel kracht man in andere Schiffe hinein, aber auch zur Flucht aus einem Level ist sie geeignet.

Auch andere Dinge sind noch nicht wirklich ausgegoren: Auf vielen Ebenen gibt das Spiel seinen Gästen nur wenige Möglichkeiten, mit den verschiedenen Situationen umzugehen oder bindet sie nicht gut ins Gameplay ein. Oft genug wurde ich zum Beispiel geentert und flog als Lösung einfach durch den Ausgang aus der Karte, bevor mich die bordende Crew töten könnte. Auch umgekehrt passierte das sehr oft. Weiterhin wird man häufig an der Luftschleuse einer Station abgecampt und für Abschüsse mit dem Schiff scheint es derzeit keine Punkte zu geben. Weil die Docks alle sehr weit auseinanderliegen, ist es fürderhin so gut wie unmöglich, einen einmal geflohenen Gegner zielgerichtet und effektiv zu verfolgen. Das sorgt für eher langweilige Evakuierungen.

Und immer wieder entstand außerdem ein Hin-und-her der prinzipiell unbegrenzten Enterkapseln zwischen verschiedenen Schiffen. Ein wenig mehr Übersicht und Lesbarkeit darüber, was gerade passiert, wäre bei aller Liebe zum Hardcore-Shooter als Konzept, mehr als wünschenswert. Auch Abstürze gibt es noch und selbstverständlich hing ich schon einmal in der Level-Geometrie einer Raumstation fest. Aber hey, DayZ hätte mir in der Situation beide Beine gebrochen. Mindestens. Es war einer der unrühmlichsten Tode in einem Shooter der letzten Zeit, als ich, hoffnungslos im Treppengeländer gefangen, von meinem Feind erlöst wurde.

Eine Fregatte zu kapern und damit die Mission zu verlassen, ist aber schon eines der cooleren Gefühle. Warum kann man die Schiffe eigentlich nicht selbst umbenennen?

Was noch? Ja, das Gunplay ist ein bisschen seltsam, vor allem weil man lehnen kann und es eines dieser Spiele ist, bei denen die Kamera an den Kopf einer komplett durchanimierten 3D-Figur montiert ist und daher Umgebungsgegenstände berücksichtigen muss, an die man stößt. Was im Übrigen auch für die Waffe gilt: Steht ihr zu nah an eurer Deckung, kann es sein, dass euer Avatar sein Gewehr wieder runternimmt, um eine Kollision der Objekte zu vermeiden. Schlecht, wenn ihr gerade einen Hinterhalt plant und euch durch Schrittgeräusche nicht verraten wollt. Zusammen mit dem exzessiven Kopfwackeln, das mit der Art der Kamera einhergeht, fühlt sich das alles schon sehr gewöhnungsbedürftig an. Ein Gefühl, das durch die geringfügigen Reaktionen, die die Gegner bei Treffern zeigen, noch ein wenig verstärkt wird.

Ach, und ich bin wirklich nicht sicher, ob das Spiel – oder irgendein Spiel, wenn wir schon dabei sind – eine dedizierte ‘Fuck you!’-Taste braucht. In dieser Sorte Shooter kochen die Gemüter auch so schon hoch genug, Marauders muss das nicht auch noch verbal befeuern.

Wenn der Shooter jetzt noch etwas gestrafft wird, die Orientierung in den Missionen erleichtert wird und es andere und flexiblere Missionsziele gibt, könnte Marauders ein Hit werden.

Und doch: Dafür ist der Early Access ja da und nach gut zehn Stunden muss ich sagen, Small Impact Games hat jetzt schon einiges richtig gemacht, angefangen beim Szenario. Durch die Außenhülle eines gegnerischen Schiffes zu krachen und sich nahtlos daranzumachen, die feindliche Crew zu dezimieren, wird einfach nie alt. Ich hoffe, die Entwickler schaffen im All noch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und bringen zusätzliche Systeme auf die Spielerschiffe, damit man eine breitere Rollenverteilung ausleben kann. Deutlich fünfstellige Spielerzahlen in der Spitze auf Steam sprechen eine klare Sprache: Auch die Spieler haben Lust auf diese Sorte klappriges Space-Tarkov.

Entwickler: Small Impact Games - Publisher: Team17 - Plattformen: PC - Release: erhältlich - Genre: Loot-Shooter - Preis (UVP): ca. 30 Euro

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Marauders

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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