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Mass Effect Andromeda angespielt: Die Reise ins gewisse Ungewisse

Bis zur Unendlichkeit, aber wie viel weiter noch?

Einer der ersten Sätze des Producers beim Anspieltermin von Mass Effect Andromeda geht direkt ins Herz: "Wir wollten das Gefühl abenteuerlicher Entdeckung wiedererwecken, welches das erste Mass Effect definierte", beschreibt Fabrice Condominas den Ansatz, mit man vor fünf Jahren mit der Ideenfindung für Andromeda begann. Selbst als jemand, der das letzte Mass Effect trotz einiger Ungereimtheiten am Schluss für den Ritt und die Endgültigkeit genoss, mit der es die Trilogie abschloss, muss man doch gestehen: Der Trekkie-artige Zauber vom Beginn blieb irgendwann zu Gunsten eines kosmischen Weltenuntergangsspektakels ein bisschen auf der Strecke.

Die Expedition ins Unbekannte war es doch, die mich für diese Reihe gewann. Dem zweiten Teil hielt ich wegen des Universums und seiner Bewohner die Treue und dem dritten wegen der Aussicht auf ein großes Finale. Meine Beziehung zu der Reihe wandelte sich im Verlauf, was wohl nur natürlich ist. Aber mit der wachsenden Vertrautheit mit diesem Universum und im Orbit um den einen, großen Konflikt wich auch der Zauber unbekannter Welten in den Hintergrund. Ich vermisste dieses Flitterwochengefühl unter Sternen. Nun, mit Andromeda soll es wieder Einzug halten. Condominas sagt, der Aufschwung von Science-Fiction-Themen in der öffentlichen Wahrnehmung stärkte Bioware den Rücken, dass die Zeit gekommen sei, wieder in unbekannte Welten vorzustoßen.

Mass Effect Andromeda - Gameplay-VideoAuf YouTube ansehen

Der Auftrag für die Besatzung des Nexus und der vier Archen beginnt zwischen den Geschehnissen von Mass Effect 2 und 3. Die zu diesem Zeitpunkt noch etwas diffuse Bedrohung durch die Reaper weckt in der Menschheit und ihren Partnern eine Art Aufbruchsstimmung in eine neue Galaxie, ein "Plan B" für die Menschheit, Kroganer, Asari, Salarianer und Turianer soll diese Reise werden, wie Condominas es beschreibt. "Eine neue Heimat für die Menschheit finden", die Agenda. Das bedeutet auch, den alten Welten für immer "Lebewohl" zu sagen. 600 Jahre dauert die Reise in die Andromeda-Galaxie, deren Heleus Cluster nach ersten Scans offenbar lebenswerte Welten enthielt. Doch während die Tausenden Crewmitglieder der diversen Schiffe im Cryoschlaf nichts davon mitbekommen, bleibt am Zielort die Zeit nicht stehen.

Als wir gut 90 Minuten aus der Eröffnung spielen, bekommen wir direkt viel vom Sci-Fi-Geist zu spüren, Entdecker unter einem fremden Firmament zu sein. Unplanmäßig ruppig wird die Besatzung bei ihrer Ankunft geweckt. Sarah oder Scott Ryder, wen auch immer ihr spielen wollt, geht zusammen mit dem Pathfinder - ebenfalls ein Ryder und Vater der beiden - auf den nahen Planeten runter, um zu sehen, wodurch genau die Arche zum Stehen kam. Ryder, der ältere, war Mitglied der legendären N7-Einheit, der auch Shepard angehörte, und ist die erste Instanz, wenn es darum geht, neue Welten für eine mögliche Kolonisierung zu sichten und sichern. Natürlich werdet ihr auf dem Weg nach unten getrennt und macht euch nur mit einem weiteren Verbündeten, Liam auf die Suche nach den anderen. Der Planet hat seit den ersten Untersuchungen vor 600 Jahren eine mysteriöse Wandlung durchgemacht. Schwerelose Felsbrocken, offenbar terraformte Gebilde, Blitze, die unentwegt im Boden einschlagen. Ein allgemein lebensfeindlicher Eindruck lassen erste Zweifel daran entstehen, ob es eine gute Idee war, das Ein-Weg-Ticket dieser Freiwilligenmission einzulösen.

Im Charaktereditor könnt ihr euren/eure Ryder aussehen lassen wie ihr wollt. Die andere Hälfte des Geschwisterpaars übrigens auch. Die Animationen der Gesichter sind allerdings immer noch ein wenig steif.

"Ihr seid die Fremden, ihr seid die Flüchtlinge", schlägt Condominas bei seiner Einleitung die gewagte Brücke zu einem brandaktuellen Thema. Der Gedanke ist nachvollziehbar, aber die Flüchtlinge von Mass Effect Andromeda bringen reichlich Waffen und Ausrüstung mit. Die Grenze zur Invasion ist fließend, als meine Sarah Ryder und mein zweites Crewmitglied auf der Suche nach weiteren Schiffbrüchigen über Aliens stolpern, mit denen prompt ein Feuergefecht entbrennt. Natürlich geht die Gewalt von den Fremden aus, wie sollte es anders sein, aber wie wenig Zeit das Spiel verlor, bevor geballert wurde, wischte doch ein bisschen vom Versprechen von Erkundung und Fremdheit weg.

Dann wiederum: Wann wenn nicht gleich zu Anfang soll man den Spielern die Grundlagen der Spielsysteme erklären? Der Rhythmus ist dennoch ein sehr vertrauter: Nutzt halbhohe Deckung und vertraute Kräfte der Laufbahnen Kampf, Technik und Biotik, um euren Gegnern den Garaus zu machen. Wer nach der den Pioniergeist beschwörenden Einleitung "set phasers to stun" erwartet hatte, merkt schnell, dass das hier im Herzen ein Hybrid aus Shooter und Rollenspiel bleibt. Mit dem automatischen Deckungssystem konnte ich mich leider die gesamte Dauer hinüber nicht wirklich anfreunden, weil Ryder zu lange braucht, um den Kopf einzuziehen und auch etwas Anderes ist gewöhnungsbedürftig: Das Kommando-Rad, bei dem die Zeit kurz stehenbleibt und man seine Leute ihre Fähigkeit einsetzen lässt, ist leider Geschichte. Ihr könnt sie per Steuerkreuz immer noch an gewisse Orte manövrieren, aber sind sie nun deutlich autonomer. Auch eure eigenen Skills liegen nunmehr im überschaubaren Dreierpack, dafür blitzschnell griffbereit auf linker und rechter Schultertaste sowie auf dem Druck beider dieser Tasten zugleich. Ob man sich im weiteren Verlauf dadurch eingeschränkt fühlt, bleibt abzuwarten.

Papa Ryder ist ebenfalls ein N7-Soldat gewesen.

Immerhin: Flott ist es, das Jetpack lässt euch Dash-Manöver in alle Himmelsrichtungen ausführen, und superhohe Sprünge, die gerade bei der Navigation über das erfreulich fremdartige Terrain sehr viel Spaß machten, verleihen den Konfrontationen mehr Breite und Action in der Vertikalen. Das frischte den bekannten Beat aus Gegner telekinetisch aus der Deckung heben und dann per Push-Kraft gegen einen Felsen schleudern dann doch ein bisschen auf. Und ja: Die Frage nach dem Warum und die Erkundung einer Landschaft, die so geschickt in sich gewunden ist, dass sie größer wirkt als sie eigentlich ist, waren eine gute Triebfeder auf diesen ersten Metern. Hier ein abgestürztes Shuttle, dort der Tatort einer Exekution, drüben ein offenbar schon vor langer Zeit havariertes Alien-Schiff. Ihr scannt Anlagen, Leichname, Beweismittel, Flora, Fauna und puzzelt euch langsam zusammen, was hier geschehen sein könnte. Zwischendrin ein paar Versatzstücke aus Dragon Age Inquisition, wenn man hier und dort Ressourcen einsammelt, die man in Shops zu Credits macht oder zum Crafting einsetzt.

Condominas stellte während seiner Präsentation vielfach die Charaktere in den Vordergrund und es stimmt, wenn er sagt, eine Bande an Freiwilligen auf einem möglichen Himmelfahrtskommando biete hervorragenden Nährboden für intime, emotionale Geschichten, die sich nicht zwangsläufig alle um das Ende der Galaxie drehen. Am Schluss der ersten Mission gibt es bereits einen sehr mächtig inszenierten persönlichen Moment, der mir viel Vertrauen in die weitere Reise und schon einen guten Vorschuss auf die "glaubwürdigen Figuren" gab, von denen Condominas sprach. Interessante Notiz am Rande: laut dem Producer spricht der Andromeda-NPC mit den wenigsten Dialogzeilen mehr Worte als Shepard in Mass Effect 3.

Die Skilltrees von Mass Effect Andromeda.Auf YouTube ansehen

Das rührt sicher auch daher, dass man bei seinen Dialogen nicht länger nur zwischen Paragon und Renegade wählt, sondern - Horizon hat das kürzlich vorgemacht - zwischen logischer, lockerer, emotionaler oder professioneller Antwort entscheidet. Eine schöne Möglichkeit, dem eigenen Charakter etwas mehr Farbe zu verleihen. Auch soll es natürlich wieder Entscheidungen geben. Sicher, wie im weiteren Verlauf damit verfahren wird, ist man bei Bioware allerdings noch nicht sicher. "Wir haben Systeme integriert, die es ermöglichen, Entscheidungen zu übertragen. Aber ob wir das auch tun werden, wissen wir noch nicht. Wir wollten uns nicht in diese Ecke manövrieren", erzählt mir Condominas im anschließenden Gespräch. Die Tür dafür stehe aber offen. Was das über den Planungsstand eines großen, möglicherweise eine neue Trilogie umspannenden Handlungsbogens sagt, darüber kann man nur spekulieren. Sollte es nach Andromeda weitergehen, bin ich wohl nicht der einzige, der sich wünschen würde, dass die Konsequenzen aus diesem Spiel auch im Nachfolger erfahrbar sind.

Was die Entwicklung der Figuren auf spielerischer Ebene angeht, verabschiedete man sich in Teilen von dem festgelegten Klassensystem. Wenngleich das nicht so ganz stimmt. Man soll seine Fähigkeiten zwar frei bestimmen können, sobald gewisse Skill-Konstellationen aber erreicht sind, schaltet man Profile frei, die denen der alten Klassen gleichen und zwischen denen man dann wählen darf. Der Vorteil: Das Festlegen auf ein Profil scheint noch einmal gewisse Boni zu geben. In der Kürze der Zeit und in Ermangelung von Erfahrungspunkten ließ sich das System aber auf dem Anspieltermin nicht wirklich auskosten.

Die Kett sind eine der feindseligen Rassen im Andromedanebel.

Im Anschluss an den ersten Abschnitt legte die Präsentation einen Sprung zu einem späteren Spielstand hin, leider jedoch ohne einleitende Erklärungen für das mitzuliefern, was im Spiel in den Stunden zuvor passierte. Wie das so oft ist, bei dieser Art Titel, war das der Punkt, an dem ich jede Orientierung verlor und die verbleibende knappe Stunde kaum noch effektiv nutzen konnte. Auf dem Außenposten des Planeten Kadara - einem von mehreren Hubs des Spiels - war so viel los, dass man kaum noch durchblickte, was zu tun war. Ich sprach mit Barkeepern, Gefangenen und fast Mad-Max-artig verrohten Menschen, in jedem Satz fielen zwei bis drei Sci-Fi-Begriffe, bei denen mir nicht ganz klar war, ob es nun um Personen, Orte oder Vereinigungen ging. Jeder Plan gezielter Erkundung ging hier flöten, aber es gab mir Zeit, mich ein bisschen umzusehen. Der Dragon-Age-Inquisition-Einschlag war hier kaum noch zu spüren, das hier war Mass Effect durch und durch, wenn mich Fremde Aliens um Gefallen baten und paramilitärische Menschen- und Kroganergruppen einzelne Passanten tyrannisierten. Die Erklärung für bekannte Spezies so weit von Zuhause lieferte Condominas übrigens anschließend im Gespräch, und aus Spoilergründen will ich sie hier nicht teilen.

Wichtig ist: Diese Hubs werden in erster Linie dazu da sein, neue Kontakte zu knüpfen und mehr über die ansässigen Kulturen zu lernen. Auf der Tempest selbst, gewissermaßen der Normandy von Mass Effect Andromeda, vertieft man unterdessen die Beziehungen zu den wichtigeren Charakteren. Und ihr wisst selbst am besten, was das in einem BioWare-Spiel bedeutet: Romanzen eingehen natürlich. Zwischen den Hubs erkundet ihr zahlreiche Planeten, von denen der größte "Story-Planet", wie Condominas ihn nennt, weil er Teil des kritischen Pfades der Geschichte enthält, allein schon so groß sein soll, wie die Gesamtheit von Dragon Age: Inquisition. Ob der Vergleich ganz fair ist? Immerhin ist man in Andromeda auch viel mit dem Nomad-Buggy, gewissermaßen einem überarbeiteten Mako, unterwegs. Nicht nur, um schnell von A nach B zu kommen, sondern auch, um Ressourcen abzubauen. Wie die Dimensionen letzten Endes wirken - Bioware mag das Wort "Sandbox" im Zusammenhang mit Andromeda nicht, auch wenn man selbst von Open World spricht - muss das fertige Spiel zeigen.

Das spezielle Uniformen-Design von Mass Effect habe wohl nicht nur ich vermisst.

Immerhin, jeder einzelne Planet, auch die optionalen, die einige der Loyalitätsmissionen für eure Crewmitglieder erhalten dürften, soll handgemacht und erinnerungswürdig sein und allein der Versuch ehrt die Macher schon, gerade wo so häufig mit schierer Größe geworben wird. Das erste Gestirn, das wir sahen, kurz nach Beginn, bekam das mit seinen Tentakelpflanzen und schwarzblauen Alien-Gebilden durchaus hin. Das Bisschen, was ich von Kadara sah, hätte auch in der Milchstraße liegen können, die wir eigentlich hinter uns gelassen hatten. Das kann allerdings auch an den allgegenwärtigen bekannten Gesichtern liegen. Da es eine ganze Reihe an Sonnensystemen und Planeten geben soll, ist das bis hierhin Gesehene wohl alles andere als repräsentativ.

Der Weltraum ist übrigens erstmals in einem Mass Effect in 3D gehalten. "In der alten Trilogie, bewegte man sich auf einer flachen 2D-Galaxiekarte von einem Ort zum nächsten", erzählt Condominas. "In unserem Spiel geht das immer noch, einfach, weil es so schnell und komfortabel ist. Wenn ihr euch eurem Ziel nähert, könnt ihr aber tatsächlich euer Schiff um den Planeten herum steuern, was in bestimmten Fällen auch Gameplay-Aspekte beinhaltet." Ab und an soll es unbekannte Objekte und havarierte Schiffe im Orbit von Himmelskörpern geben, denen man sich manuell nähern und sie looten kann. Das Schiff kontrolliere man dabei in Echtzeit, auch wenn Condominas einschränkt, dass man nicht völlig frei fliegen können wird. Dennoch ein netter Gedanke, die Bewegung durchs All nicht mehr allein Zwischensequenzen zu überlassen.

Video über das Kampfsystem und die Skills von Mass Effect AndromedaAuf YouTube ansehen

In jedem Fall hatte ich einigen Spaß an dieser Expedition ins Ungewisse, auch wenn sie mir streckenweise doch vertrauter vorkam, als ich erwartet hatte und der spätere Zeitsprung mir aus logistischen Gründen jedes Gefühl für die Zugkraft der Geschichte raubte. Das Versprechen eines Abenteuers auf erinnerungswürdigen, handgemachten Planeten, mit Charakteren, die sich lebendig anfühlen, klingt jedoch nach der Sorte Anti-No-Man's-Sky, für das ich aktuell sehr zu haben wäre.

Bleibt noch die Frage, ob es sich Bioware nicht vielleicht doch ein wenig einfach gemacht hat, indem man die Segel setzte und die alte Galaxie verließ, nachdem die Reaper mit ihr fertig waren? Tatsächlich sieht Condominas die narrative Sackgasse, in die man sich manövriert hatte, eher in den drei möglichen Spieler-Entscheidungen vom Schluss. "Entscheidungen und Konsequenzen sind uns schon immer wichtig gewesen. Wir wollten keine der drei Entscheidungen den Spielern von Andromeda aufbürden. Wir mussten also einen Weg finden, uns davon zu entfernen, ohne das Ende, das die Spieler für sich gewählt hatten, für nichtig zu erklären." Klingt logisch und mehr als nur verständlich. Der Sprung in den Andromedanebel sollte genügend Raum zwischen die Mass-Effect-Fortsetzung und die alte Trilogie bringen, dass die Katastrophe in der Milchstraße keine Auswirkungen auf die neue Crew hat. Oder? Condominas entgegnet lächelnd: "Ich überlasse es euch, das herauszufinden".


Entwickler/Publisher: Bioware Montreal / Electronic Arts - Erscheint für: PlayStation 4, PC, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 23. März 2017 - Angespielt auf Plattform: PC

In diesem artikel

Mass Effect: Andromeda

PS4, Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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