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Metal Gear Rising: Revengeance weiß um die Wirkung starker Antagonisten

Raiden wieder im eigenen Spiel deklassiert?

Dem Spieler einen guten Grund für den Kampf zu geben, ist eine Kunst, die lange nicht jedes Videospiel beherrscht. Viele wählen die einfache Antwort auf das "Warum?" des gezeichneten Konfliktes: "Weil sie dich töten wollen". Für Raidens Gegenspieler in Metal Gear Rising ist dies nur sehr am Rande eine Motivation. Sie sind nicht einfach nur böse und durchtrieben. Sie sehen ihre Existenzberechtigung infrage gestellt und werden deshalb beinahe schon in Notwehr auf die einzige Art tätig, die sie kennen.

Grund dafür ist das erfolgreiche Wirken des kybernetischen Ninjas im Dienst einer zur Abwechslung mal Frieden stiftenden "Private Military Company" namens Maverick. Ein afrikanisches Schwellenland haben sie schon gekittet, weitere könnten folgen und genau das wollen die Bezahl-Krieger Jetstream Sam - ein Name, der zum Massen-Facepalm einladen würde, witzelte Raiden nicht so reaktionsschnell, "das einzige Problem, das ich sehe, ist sein Codename" - und der kolossale Sundowner verhindern.

Warum wir kämpfen

Es ist eine schlanke und temporeiche Exposition, die in frischem Kontrast zum ansonsten so redseligen Metal-Gear-Universum steht und seinen Show-don't-tell-Ansatz mit knackig geschriebenen Monologen ergänzt. Ihr seht, wozu diese beiden fähig sind und heftet euch mit Respekt im Kopf und Wut im Bauch an ihre Fersen. Tatsächlich sind diese beiden so gut, dass ich fast befürchte, Raiden könnte einmal mehr die uninteressanteste Figur in seinem eigenen Spiel bleiben. Beide verfügen über massiv Charisma, arbeiten und leben offensichtlich nach einem Code und stehen für ihre eigenen Werte ein, so abgründig sie auch sein mögen. Man vermutet eine gesunde Portion Tiefe unter ihren martialischen Körperpanzern.

Das Tempo der Kämpfe gefällt mit dynamischem Hin-und-her

An dieser Stelle vielleicht die klare Ansage, dass man MGR trotzdem nicht wegen der Handlung spielt. Der Plot an sich ist in den ersten drei Kapiteln, die ich gestern auf einem Konami-Event in Offenbach spielte, bisher nicht wirklich in Erscheinung getreten. Aber es zeigt doch, wie sehr ein Spiel profitieren kann, wenn der Spieler ein klares Ziel vor Augen hat, das über "erreiche den Ausgang zum nächsten Level" hinausgeht. Doch natürlich stemmen gute Figuren ein Spiel niemals alleine. Gut, dass mit den Bayonetta-Machern von Platinum Games Leute am Steuer sitzen, die genau wissen, wie man schnelle Action macht, die im Notfall auch gut für sich alleine stehen kann.

Im Grunde nimmt sich MGR die besten Teile der beiden stärksten Platinum-Games-Titel, um daraus etwas Neues zu machen: Das absurd vielfältige Nahkampf-Ballet eines Bayonetta trifft auf das technokratische Ebben und Wogen, das Vanquish so aufregend zwischen High-Speed-Action und atemstoppendem Zeitlupen-Drama hin und her schwappen ließ. Meist mit energetisiertem Katana, ab und an mit einer Sekundärwaffe auf der Taste für den "schweren Angriff" - wie etwa dem Polearm, den ich einem Endgegner abnahm und der buchstäblich ein Kampfstab aus mehreren kybernetischen Armen war - finden die Kämpfe zwischen Raiden und einem bis fünf Cyborgs oder anderem japano-futuristischem Kriegsgerät Shinkawa'scher Prägung meist aus nächster Nähe statt.

Zerteile mit Weile

Unter Zuhilfenahme der intuitiven Konter-Funktion (leichter Angriff plus Stick in Richtung der Attacke) bearbeitet ihr die Feinde so lange, bis sie sich mit dem Katana stufenlos in Einzelteile slicen lassen, was durch Halten der L1-Taste in einer begrenzt verfügbaren Zeitlupe erledigt wird. In diesem Modus zählt das Spiel eure Slices, wobei nicht nur Schnelligkeit zählt, sondern auch gezielt agiert werden sollte, etwa wenn ihr an die Leben spendenden Fluids des Feindes gelangen, die meist in der Körpermitte der Feinde sitzen, oder dem Doktor am anderen Ende eures Bluetooth Headsets so viele linke Arme für seine Sammlung wie möglich mitbringen wollt. Alles in allem ist der Katana-Modus ein sehr motivierender und vor allem befriedigender Abschluss eines harten Kampfes. Und wenn das Spiel euch dann vorzählt, dass ihr den Gegner zu über 200 Einzelteile verarbeitet habt, während die Trümmer im Hintergrund zu Boden rasseln, dann fühlt ihr euch auf beängstigende Weise cool dabei.

Zugegebenermaßen würde Raidens Seitenhieb auf Jetstream Sam besser zünden, hätte er sich seinen Kunden zuvor nicht als Mister Lightning Bolt vorgestellt.

Gut gelöst ist dabei auch, wie das Spiel durch das bunte Durchwürfeln seiner Gegnermobs von euch verlangt, eure Kampfweise zu variieren. Auch wenn der Einsatz konventionelleren Kriegsgeräts wie Handgranaten oder Raketenwerfer nur in seltenen Momenten wirklich sinnig ist und die Stealth-Gelegenheiten ebenso offensichtlich platziert, wie simpel gehalten sind, bleibt der Spielablauf durch regelmäßige neue Feinde doch stets angenehm in Bewegung. Und die motivierende Punkteabrechnung beinahe jedes einzelnen Kampfes von D bis hinauf zum S-Rank peitscht euch immer wieder zu höchster Konzentration und sollte auch für mehrfache Durchläufe genügend Anreize bieten.

Was mich beim Kampfsystem nicht so sehr überzeugte, gleichzeitig aber vermutlich daran lag, dass ich das Spiel nicht so sehr beherrschte, wie ich dachte: Packt ein Gegner Raiden oder legt ein kritischer Treffer seine Sensorik lahm, müsst ihr am linken Stick wackeln, bevor es weitergehen kann. Zum Glück nicht so schlimm, wie in Resident Evil 6, aber heftig und vor allem häufig genug, um ab und an zu nerven. Da es mir auf diese Weise aber mehrmals gelang, früher aus der Angriffsanimation eines Feindes auszubrechen und sogar zu kontern, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nur noch nicht begriffen habe, wie genau MGR diese Stick-Verbiegerei gerne sähe. Ambitioniertere Spieler als ich dürften das System dahinter schneller durchschauen und die Wackeleien so doch sehr minimieren. Falls nicht, müssen wir uns zum Launch des Spieles noch einmal über dieses "Feature" unterhalten.

Der Preis des Tempos

Was für mich schon jetzt als Schwäche zu verbuchen ist, zumindest was die einleitenden drei Kapitel angeht, ist das grafische Design der Umgebungen. Klar, wenn man darauf abzielt, das Spiel die meiste Zeit in 60FPS laufen zu lassen, ist nicht viel Leistung über für ausschweifende, spektakuläre Panoramen und gigantische Action im Hintergrund übrig, Vanquish erkaufte sich seine zylindrische Raumstation ja auch mit einer demgegenüber halbierten Bildrate. Und natürlich limitiert auch die Thematik des Spiels ein wenig, welche Art optischer Kapriolen die Engine zu schlagen darf. Aber in nur allzu weltlichen Abwasserkanälen und Industrieanlagen aus rechtwinkligen Gängen und Hallen kam stellenweise schon ein bisschen Beliebigkeit und Tristesse durch.

Im Verhackstückelungs-Rausch vergisst man gerne mal die Vorzüge gezielter Schnitte.

Hier kommen zumindest auf der PS3 mäßige Texturen und etwas zu leere und zu einfach gestrickte Umgebungen zu einem etwas zu unspektakulären Gesamtbild zusammen. Das gelungene Design von Freund und Feind kontert das freilich ganz ordentlich und an die Vorzüge schnellen Bildfeedbacks kann man kaum genügend Liebesbriefe schreiben. Hält man aber etwa das neue DMC daneben, weiß man recht schnell, auf welchen Screen man lieber schaut.

Den Reiz, sich als alles zerteilender Super-Cyborg durch einfallsreich gestaltete Feindeswellen zu schlitzen, bremst das nur wenig. Metal Gear Rising: Revengeance ist schnell, motivierend und fordernd und taktet sein Abenteuer in einem interessanten Rhythmus, den man so nirgendwo anders bekommt. Und das ist für sich genommen schon aufregend genug. Ich freue mich darauf, im Februar meine offene Rechnung mit Jetstream Sam und dem Sundowner zu begleichen.

In diesem artikel

Metal Gear Rising: Revengeance

PS3, Xbox 360, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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