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Metal Gear Solid 5 und

Das dritte Big-Boss-Abenteuer schließt den Kreis der längsten Erzählung dieses Mediums.

Big Boss, hier Ende 40, auf seinem Weg zum Endgegner für Solid Snake?

"Metal Gear Solid goes Open-World", wie? Bin das nur ich, oder fühlt es sich wirklich ein bisschen befremdlich an, wenn der große Hideo Kojima einen so klar definierten und nach seinen Maßstäben ziemlich konservativen Spielbegriff bemüht? Und doch ist diese Entscheidung nicht allzu verwunderlich. Schon MGS 3 liebäugelte mit einer Weite und Erkundbarkeit, denen jedoch immer wieder an klar sichtbaren Wänden ein Riegel vorgeschoben wurde. In Peace Walker dagegen besann sich der extravagante Producer / Game Designer / Director darauf, mit Basenbau und missionsbasiertem Ablauf samt Nebenaufgaben eine gewisse Größe zu vermitteln. Der Schritt, diese beiden Ansätze in einer großen, offenen Landschaft zu vereinen, ist daher nicht so weit hergeholt.

Für das dritte Abenteuer von Big Boss, Solid Snakes genetischem Vorläufer und späterem Widersacher, verspricht Kojima Productions jedenfalls ein in allen Bereichen weiterentwickeltes "taktisches Spionage-Gamplay". Das war nach MGS 4, bei dem man leichteres Spiel hatte, wenn man sich das dickste Gewehr vor den Bauch schnallte, das die Kampagne bis dato zu bieten hatte, auch bitter nötig. Frühere Versuche in Teil 3 und 4, verschiedene Camouflage-Systeme zu nutzen, waren entweder sperrig (Teil 3) oder hübsch, aber zu simpel (4). Nun hat die Umwelt endlich größeren Einfluss auf das Gameplay.

Die Uhr tickt

Zumindest in der Theorie, denn allein der versprochene "realistische Zeitverlauf" impliziert so einiges. Wenn man in der Video-Montage des Trailers der Sonne dabei zusieht, wie sie zum Taktschlag einer Original Seiko-Uhr mit Kalender und allem Drum und Dran ihre Bahnen zieht und schließlich einem tiefblauen Nachthimmel Platz macht, denkt man sich zunächst nichts dabei. Ist doch in Open-World-Spielen seit jeher Gang und Gäbe! Und dann schwant einem, dass jemand wie Kojima "realistisch" durchaus wörtlich gemeint haben könnte.

Das Eröffnungskapitel Ground Zeroes hielt man ursprünglich für ein eigenständiges Spiel.

Was, wenn man am frühen Abend sein System einschaltet und im schwindenden Licht bis ins Abendrot hinein eine Mission absolvieren könnte, in erster Linie solide Sicht-Deckung suchend? Nur um nach Sonnenuntergang selbstverständlich auch in den harten Schatten des künstlichen Lichts von Dörfern oder militärischen Anlagen verschwinden zu können? Kojima wurde bereits zitiert, dass das Spiel einen 'real-life' Tag-Nacht-Zyklus biete, was - mögliche Übersetzungs-Unschärfen außen vor - doch ziemlich danach klingt.

Darüber hinaus wurde ein ziemlich opulentes dynamisches Wettersystem gezeigt, das für ein Stealth-Spiel, das etwas auf sich hält, ebenfalls Auswirkungen auf den Spielablauf haben dürfte, immerhin ist in Sandstürmen in erster Linie die Sichtweite eingeschränkt, bei Regen der Geräuschpegel gedämpft. Man darf gespannt sein, ob Kojima Productions wirklich so tief ins Detail gehen will. Zumindest das Versteckspiel im Schatten, das sich Snake offenbar vom frühen Sam Fisher abgeschaut hat, ist schon mal intakt, auch wenn es an einer Stelle für eine Situation sorgte, die schon in der ersten Thief-Präsentation, der wir beiwohnen durften, seltsam wirkte: Als Snake sich in einer Szene einem Feind von vorne nähert, hätte er eigentlich gesehen werden müssen, das Spiel befand den Licht-Level aber als dunkel genug, um den endvierziger Leisetreter komplett zu verbergen. Für den Moment darf uns das aber noch egal sein.

Der Screen neben dem Screen

Dass in einem derart offenen Spiel verschiedene Transportmöglichkeiten vom Pferd bis zum Panzer zur Verfügung stehen, war deutlich weniger verwunderlich als die Tatsache, dass Kojima ausgerechnet auf der Microsoft-Pressekonferenz das Wort "Smartglass" nicht in den Mund nahm. Dabei hatte er doch bereits auf der letzten Eurogamer Expo von dem Basenbau gesprochen, der nach Peace Walker sein Comeback feiern sollte. Dabei erwähnte er explizit auch "andere Geräte, wie Smartphones" über die man heutzutage in Games eingreifen könne, was sich gut für MGS V eignen würde. Vielleicht wäre das auch für einen Tag einmal "Smartglass" zu viel gewesen. Aber es wird kommen. So viel ist sicher.

Der fünfte Teil schließt direkt an die PSP-Episode, Peace Walker, an.

Ob man will oder nicht: Harte Folterszenen haben mittlerweile Tradition in MGS

Unterdessen bestätigt MGS 5 eine frühere Aussage Kojimas. Im Vorfeld der Veröffentlichung von MGS: Peace Walker hatte dieser zum Besten gegeben, dass ihm dieser Handlungsbogen eigentlich schon die "5" im Namen wert gewesen wäre. Wie ernst es ihm damit war, wird nun dadurch deutlich, dass der tatsächliche fünfte Teil direkt an die Handheld-Episode anschließt. Kurz nach deren Geschehnissen, etwa 1975, infiltriert Big Boss in der Prolog-Episode zum fünften Teil, "Ground Zeroes", ein kubanisches Gefängnislager, um anscheinend Chico - nagelt uns aber nicht fest - aus Peace Walker von dort zu befreien. Im Zuge dieser Aktion oder kurz danach geht allerdings wohl etwas schief, denn Snake und Kaz Miller beenden die Ground-Zeroes-Episode mit eindeutig weniger Gliedmaßen als noch zu Beginn. Daher auch der wenig doppeldeutige Titel.

Big Boss' Rekonvaleszenz dauert bis 1984, als er Kaz Miller aus einem Afghanistan befreien soll, das sich gerade mit allen Mitteln gegen die Sowjets wehrt. Ihm zur Seite steht ein deutlich weniger angriffslustiger Ocelot - diesmal gesprochen von Troy Baker (BioShock: Infinite, The Last of Us, Catherine). Man darf gespannt sein, ob und an welchen Stellen diese Bündnis Brüche aufweisen wird. Rein von der Präsentation her rücken diese Bilder in 60 Bildern pro Sekunde jedenfalls den Traum von der Next-Gen für fast sechseinhalb Minuten in greifbare Nähe.

Theater des Krieges

Es tut gut, zu sehen, dass auch der Kojima'sche Wahnsinn mit der besseren Hardware nicht dem sonst so oft bei Konsolenvorstellungen zur Schau getragenen Realismus gewichen ist. So gibt es offenbar erneut annähernd übernatürliche Widersacher und Technologie, die den tatsächlichen Stand von damals bei Weitem überflügelt. Wir werden definitiv wieder einige Dinge zu sehen bekommen, mit denen wir selbst auf Stechapfeltee nicht hätten rechnen können.

Ein bisschen Angst und Bange wird mir schon, wenn ich im Rahmen eines Spieles realistisch modellierte afrikanische Kindersoldaten zu sehen bekomme.

Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain in 60 Bildern pro Sekunde.

Ein bisschen Angst und Bange wird mir zwar schon - wie auch bei Beyond: Two Souls -, wenn ich im Rahmen eines Spieles realistisch modellierte afrikanische Kindersoldaten zu sehen bekomme. Obwohl diese Themen schon mehrfach in Dialogen früherer MGS-Spiele angeschnitten wurden, ist es doch etwas anderes, einen Halbwüchsigen dann tatsächlich mit einer AK in der Hand zu sehen. Und mit der Vorstellung von Quiet, der Scharfschützin, "die ihrer Worte" und offenkundig auch ihrer Wäsche beraubt wurde, dürfen wir uns näher zur Veröffentlichung irgendwann 2014 wohl auf eine neue Sexismus-Debatte freuen. Echte und aufrichtige Freude hingegen erzeugte zumindest bei mir, dass Kojima seine Erzähltechnik straffen will, weil ausgerechnet er ellenlange Filmsequenzen für mittlerweile überholt hält.

So weit, so eitel Sonnenschein. Bleibt nur die Frage, ob es Kojima gelingt, die Dichte, für die seine Titel berühmt sind, auf eine so viel größere Spielwelt auszuweiten? Seine früheren Spiele waren vollgepackt mit schrägen Interaktionsmöglichkeiten, vollkommen optionalem Quatsch oder cleveren Easter Eggs, was seine Welten in sehr lebendige, einnehmende Spielplätze verwandelte. Ist das auf mehreren (Hundert) Quadratkilometern Breite überhaupt denkbar?

Letzten Endes wird aber wohl vor allem interessant, ob und wie "Punished Snake" zu dem Big Boss wird, den Solid Snake in der Spielfiktion nur elf Jahre später als Obermotz vor die USP SD bekommt. "I'm already a demon", sagt Boss am Schluss des E3-Trailers selbst - Ende der Achtziger wird er im Süden Afrikas Outer Heaven errichten und auf Konfrontationskurs mit Foxhound gehen. Bekommen wir das noch im Rahmen von The Phantom Pain zu sehen? Die afrikanischen Kindersoldaten aus dem Trailer legen das nahe. Hier schließt sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kreis, den zu vollenden Kojima sich 25 Echtwelt-Jahre Zeit gelassen hat. Das ist ein Anlass, den dieses Medium nicht aller Tage erlebt.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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