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Mittelerde: Schatten des Krieges - Test

Diesmal holen wir uns ganz Mordor.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Lootboxen und Quassel-Orks außen vor: Es ist eine epische Ork-Sandbox voller ausgeklügelter Systeme, die als Ganzes absolut überzeugt.

Die Vorstellung ist natürlich fast ein wenig abwegig, so bekannt wie nicht nur das Buch, sondern heute vor allem die allgegenwärtig verfügbaren Filme sind, aber trotzdem: Wie wirken diese ersten zwei Minuten Video in Mittelerde: Schatten des Krieges wohl auf jemanden, der weder den Vorgänger spielte und sonst nicht viel Kontakt mit dem Buch hatte? Der Kulturschock der Ahnungslosigkeit, mit dem einen ein Dark Souls überrollt, ist ja nichts gegen das, was hier passiert. Also, da ist der Typ, und der hat einen Geist in sich, der einen Ring schmiedet und dann wird der Geist von einer Spinne entführt, die eigentlich eine Frau ist und der Typ gibt der dann den Ring, woraufhin der Geist pissed ist, aber in den Typen reinfährt und außerdem wurden ungefähr 20 Namen und seltsame Worte gesagt, die alle so klangen, als sollten sie mir was sagen, aber was zur Hölle. Äh, kann ich jetzt bitte Orks töten?

Mordor ist so ein schönes Land, man kriegt das immer gar nicht so mit im Buch.

Ja, genau das wird dann auch von euch erwartet und zwar in rauen Mengen, ungeachtet, ob ihr jetzt mit diesem zwei Minuten was anfangen konntet. Wie diese nämlich auf den Kenner der Materie wirken, sage ich euch dann, wenn ich drüber hinweggekommen bin. Das Herr-Der-Ringe-Universum hatte bis zu diesem Spiel eine feste Grundlage, was die Ring-Wirtschaft angeht: Die Elben haben drei, die Zwerge sieben, die Menschen neun und ein Ring sie alle zu knechten. In Schatten des Krieges jedoch schmiedet Celbrimbor, der zugegebenermaßen der ursprüngliche Ringeschmied war und damit eine gewisse Autorität in Sachen Ringe, einen zweiten "Einen Ring".

Das ist richtig, Sauron hat den ersten "Einen Ring", ihr habt den zweiten "Einen Ring". Zumindest kurz, denn ihr gebt ihn Kankra. Die hier meist nicht als Riesenspinne, sondern als Femme Fatale mit formwandlerischen Fertigkeiten auftritt. Wir nennen das mal kreativen Freiraum, den sich das Spiel hier mit dieser Figur gönnt, ich bin mir nicht sicher wie nah das an Tolkiens Beschreibung eines "großen spinnenähnlichen Wesens mit zwei Hörnen, zwei Trauben lichtempfindlicher Augen und einem durch das viele Fressen angeschwollenen Körper" dran ist. Und das ist weit hergeholt, denn diese Beschreibung stammt aus erst nach seinem Tod veröffentlichten Notizen, nicht den Büchern selbst. So oder so, einen Ring zu schmieden: extrem große Sache in dieser Mythologie. Ring weggeben: fast genauso groß. Zwei Minuten Video: Nicht ganz ausreichend für die Tragweite dessen. Sorry, schweres Tolkien-Schleudertrauma hier.

Gut, dass es nach wie vor keinen Fallschaden gibt.

Die Geschichte ist dabei im Detail gar nicht schlecht. Vor allem die Figur Kankras bekommt andere Facetten und eine in einem etwas anderen Rahmen nicht unpassende. Ich bin nicht Nerd genug, um sie jetzt hier von dieser noch recht menschlichen Kankra hin zu dem, was dann später Hobbitse frisst, in den richtigen temporalen Kontext einsortieren zu wollen. Wenn das alles hunderte Jahre vor dem Ringkrieg spielt, vielleicht. So aber, in den 50 Jahren zwischen Hobbit und LotR? Wow, Kankra hat sich schwer gehen lassen, nachdem sie hier fertig war. Egal. Weiter im Text, die Nebenschauplätze und -Quests sind die eigentliche Handlung in der Welt des Rangers Talion und seines spirituellen Hausgastes Celebrimbor. Der große Plot, der die physische Ebene betrifft, erschöpft sich darin, dass die beiden nach und nach immer mehr Orks kontrollieren, auf diese Weise Festungen und ganze Landstriche beherrschen und eine Armee gegen Sauron hochziehen. Der letztlich wichtigste Handlungsstrang ist der Zwiespalt zwischen den beiden Charakteren Talion und Celebrimbor und definitiv eine der großen Stärken des Spiels. Elegant und über kleine Zeilen werden die gröber gezogenen Linien immer weiter verfeinert. Immer, wenn ihr ein Artefakt findet, eine kleine Quest löst oder etwas in der Richtung tut, haben beide dazu etwas zu sagen. Und so wachsen die Symbiose der beiden und die Spannungen zwischen ihnen im Verlauf des Spiels immer weiter. Und zwar gleichzeitig. Alles Weitere würde jetzt zu schnell in Richtung Spoiler gehen, aber nehmt mit, dass ihr Schatten des Krieges vielleicht nicht unbedingt für die Geschichte spielt, aber sie ist da und sie hat neben dem umwälzenden wie verstolperten Start im Detail durchaus einiges zu bieten.

Was das Spiel selbst angeht, braucht es weit länger, um in die Gänge zu kommen als das raketenartige Intro-Video. Vor allem scheint es für ein Weilchen fast schon aktiv bemüht, seine Stärken vor euch zu verstecken. Ihr beginnt mit dem Fall von Minas Ithil und erlebt nach drei, vier Stunden Spielzeit, wie der Hexenkönig den Palanthir stiehlt. Einiges hält sich also an den Kanon der Bücher. Danach geht es ein paar Stunden auf die andere Seite der Berge in das Gebiet um den Turm von Cirith Ungol. Beide Gebiete sind relativ klein und kommen den Parcours-Talenten des Waldläufers nur bedingt entgegen.

Natürlich sind es immer nur kleine Ausschnitte, die man sieht, aber letztlich bereist ihr diesmal ganz Mordor.

Vor allem die ersten Stunden in Minas Ithil fühlen sich mehr wie ein frühes Assassin's Creed als irgendwas anderes an und eher lustlos werdet ihr auf die obligatorischen Türme kraxeln, um Sammelitems und Schnellreisepunkte freizuschalten. Die glatten Mauern eignen sich nur bedingt für geschicktes Stealth und die Kamera ist dem Kampf gegen ein Dutzend Orks in den Gassen nur bedingt gewachsen. Ihr müsst euch gleich zum Start durch den schlechtesten Teil des Spiels arbeiten, mit den wenigsten Fertigkeiten, den schwächsten Missionen. Es ist fast ein wenig, als würde Monolith ungeduldige Spieler aussortieren wollen. In Cirith Ungol sieht es schon weit besser aus, das gewaltige Höhlenlabyrinth ist nicht nur beeindruckender, durch viel mehr vertikalen Spielraum habt ihr einfach mehr Gelegenheit euch aus allen Richtungen an Ork-Gruppen heranzumachen und sie auf nun schon langsam mehr Weisen zu erledigen. Habt ihr dann die Story-Missionen hier absolviert, beginnt das eigentliche Spiel.

Ich muss es so drastisch sagen, die ersten Stunden von Schatten des Krieges sind eine nicht sonderlich aufregende Einführung. Ihr bringt ein paar Fertigkeiten aus dem ersten Teil mit - das schnelle Sprinten nach einem Hindernis -, bekommt andere direkt dazu gereicht - an Klippen hochschnellen - und seid so vom Start weg beweglicher als im Vorgänger. Das Parcours-Laufen und Hangeln ist hier wieder Mittel zum Zweck, nämlich um entweder Orks schnell zu umgehen - oder einfach durchzurennen - oder um sich in eine gute Position für einen Hinterhalt zu bringen. All das ist nett und dabei hilft vor allem das extrem dynamische Kampfsystem, das gute Reflexe zur Pflicht erklärt. Ihr werdet immer wieder von drei Gegnern gleichzeitig attackiert und eure Figur hat das Zeug dazu alles zu kontern, aber nur, wenn ihr schnell genug seid. Wenn Assassin's Creed: Origins es schafft sein Kampfsystem auch nur halb so schnell, kraftvoll und elegant umzusetzen wie das hier der Fall ist, dann hat Ubisoft den Quantensprung hingelegt, den Monolith schon bewältigte.

Besonders fies ist es, wenn euch mitten im Kampf ein Hinterhalt erwischt. Womit ich allerdings einen Level-40-Ork verdient hatte, war mir in dem Moment nicht ganz klar (ich hatte zu dem Zeitpunkt vielleicht hab so viele Level).

Aber alles in diesen ersten beiden Gebieten fühlt sich noch seltsam klein und eingegrenzt an, ihr unterpowered und die Orks nicht wirklich interessant. All das ändert sich zu einem guten Teil nach Cirith Ungol. Ab hier habt ihr die Fertigkeit, Orks zu übernehmen und für euch Kämpfen zu lassen, aber das ist nur der Anfang. Ihr habt nun relativ schnell neue Gebiete in Mordor, die ihr recht frei besuchen könnt, und sie sind landschaftlich unterschiedlich genug, dass sich das Spiel nicht mehr den Vorwurf der Einmütigkeit anhören muss. Das erste Areal am Nurnen-Meer ist eine eindrucksvolle Variante des zweiten Gebietes im Vorgänger. Bewaldet, eher grün und zerklüftet, die Festungsanlagen um den Schicksalsberg und Barad Dur gewaltig zwischen scharfkantige Vulkan-Formationen geschlagen. Der Rest liegt dazwischen, sodass ihr mit den Anfangsstädten, die ihr später jederzeit wieder besuchen könnt, einiges an Abwechslung und auch schierer Fläche habt. Jedes der Gebiete ist kleiner als die beiden in Teil eins, aber insgesamt ist das Spiel erwartungsgemäß gewachsen und das nicht ohne Sinn und Verstand, sondern sehr bewusst und sinnvoll strukturiert.

In jedem der neuen Gebiete gibt es eine Reihe von Ork-Camps, die ihr zwar nie ganz befrieden könnt, aber wenn ihr es schafft, sie in einer eigenen Mission einzunehmen, wird kein Alarm mehr ausgelöst und ihr müsst nicht mit immer neuem Ork-Nachschub rechnen. Viel wichtiger sind jedoch die im Laufe unserer Vorberichterstattung schon ordentlich ausgeleuchteten Burgen. Ihr könnt diese Besuchen, wie ihr lustig seid, aber sobald ihr angefangen habt, Ork-Offiziere zu kontrollieren, könnt ihr eine kleine Armee aufstellen, um diese Festungen und damit schließlich große Teile von Mordor einzunehmen. Das beginnt aber nun mal mit den Offizieren und das bringt uns zum Nemesis-System.

Hier gehört ein Level-40-Ork hin: Auf die Spitze von Saurons Lieblingsfestung. Die ihr natürlich auch erobert.

Wie schon im Vorgänger werden die Offiziere zwar nicht gänzlich, aber doch in ihren Attributen und Namen immer wieder neu erschaffen. Jeder Einzelne von ihnen ist Teil eines Netzwerkes. Es gibt einen Kommandanten, darunter seine Leibgarde, darunter deren Unteroffiziere, runter bis zu den Captains. Jeder hat, wie schon gesagt, einen Namen und ein Set an Talenten und Fertigkeiten. Manche sind immun gegen Pfeile oder Stealth-Attacken, manche fürchten sich vor Kriegshunden, es gibt unzählige solcher Variationen. So wird jeder zu einem fast einzigartigen Gegner, für den ihr immer wieder ein wenig eure Taktiken und Moves anpassen müsst. Über manche könnt ihr springen und sie von hinten angreifen, andere fangen euch genau dabei ab, werfen euch zu Boden und springen auf euch drauf. Noch fieser: Sie sind in der Lage zu lernen. Ihr könnt sterben so oft ihr wollt, euer Fluch bringt euch immer wieder zurück in die Welt. Aber wenn euch ein Ork tötet, dann steigt er im Ansehen auf, wird stärker, bekommt vielleicht sogar eigene Untergebene und vor allem, wenn ihr immer mit einem Move gegen ihn anrückt, wird er den geeigneten Konter herausfinden. Ich hatte eine Handvoll Orks, die mich mehrfach erwischten und irgendwann gegen fast alles immun waren. Gut, dass Schatten des Krieges euch noch mehr Talente und Manöver gibt, denn irgendwann kommt der Punkt, an dem ihr alles braucht, um irgendwas zu finden, was noch funktioniert.

Dieses Nemesis-System ist eine echte Stärke, die man im Vergleich zum Vorgänger noch mal deutlich in den Details verfeinert hat. Die Netzwerke sind nun etwas komplexer und schlüssiger, die Fertigkeiten besser verteilt und es gibt weit mehr Varianten, vom Warg-Reiter über den Halbtroll bis hin zum kleinen, aber extrem fiesen Giftarmbrustschützen ist alles dabei, was Mordor überhaupt nur bieten kann. Leider bietet das System auch den größten Schwachpunkt, der ebenfalls direkt aus Teil eins übernommen wurde: Die Orks hören nicht auf zu quatschen. Jeder Offizier, der in einen Kampf kommt, stellt sich erst mal vor, zieht die Kamera auf sich und sagt einen manchmal bis zu 30 endlose Sekunden langen Spruch auf. Manches davon ist wirklich ganz witzig, manches nicht, manches peinlich und manches nur dumm. Aber vor allem lässt es sich weder abbrechen noch abschalten. Es kommt immer wieder vor, dass ihr mit einem Offizier beschäftigt seid, euch mitten in einer Kombo zwischen acht Gegnern befindet und dabei in Sichtweite des nächsten Offiziers kommt. Alles geht auf Pause, der sagt seinen Satz auf und erst danngeht es weiter. Ich hatte zwei Kämpfe, wo das sechs Mal passierte. Zugegeben, so hoch ist die Dichte an Offizieren wirklich selten, aber bei den letzten beiden hätte ich mir eine besonders heftige Splatter-Smartbomb-gewünscht, nur um diese Quasseltanten ausgesucht zu bestrafen. Nicht, dass das Spiel zimperlich mit den Orks wäre, hier wird fröhlich geköpft, zweigeteilt, abgefackelt und sonst alles getan, um Orkblut fließen zu lassen. Manch ein redseliger Offizier hätten aber mehr verdient.

Ich wär' so gern Diablo: Die Ausrüstungsrotation hat extrem zugenommen.

Dass es auch manchmal ohne so etwas geht, zeigen dann die Burgeroberungen. Die laufen immer nach einem definierten Schema ab, wobei ihr erst drei Punkte auf der Karte soweit freikämpfen müsst, dass ihr sie einnehmt, dann geht es gegen den Kommandanten und alle seine Leibwächter, die ihr nicht schon im Vorfeld erwischt habt. Es ist im Grunde nur eine etwas kampflastigere Passage ohne Stealth in einem begrenzten Areal mit weitestgehend den gleichen Elementen, die ihr auch sonst habt. Nur eben, dass diesmal ein paar Orks mehr auf eurer Seite stehen. Diese könnt ihr wiederbeleben, sollten sie fallen, sie können auch getötet werden, so wie sie ihre Widersacher auch häufiger ganz ohne euer Zutun aus der Ork-Hierarchie entfernen. Ihr habt ein paar Besonderheiten wie Belagerungsmaschinen in Form riesiger, erstaunlich leicht zu sprengender Trolle - Graugs - die ihr dann auch reiten dürft und vor allem gibt es Drachen. Kleine Drachen, aber immerhin. Und ihr dürft auf ihnen reiten. Was ein Highlight ist und vor allem das Endspiel deutlich beweglicher macht, wenn ihr sie als schnelle Fortbewegungsmittel häufiger nutzt. Ich will nicht lügen, allein diese Drachenreiterei reicht, um mich hier genug Spaß haben zu lassen, um fast alle Schwachpunkte von Schatten des Krieges aufzuwägen, egal, ob ich nun Orks während einer Belagerung brate oder einfach nur über Mordor cruise.

Und so läuft es dann: Ihr nehmt Festung um Festung ein, folgt der eher lose verteilten Hauptgeschichte und übernehmt nach und nach Mordor, bis es zum Showdown kommt. Das dauert eine Weile, 25 Stunden sind schon fast ein Minimum. Ihr holt euch in Kämpfen Offiziere in die Truppe, schaltet andere aus, lasst eigene in Arenen-Kämpfen stärker werden. Es gibt immer was zu tun, es gibt immer eine Nebenquest, einen besonderen Kampf und auch einen besonders starken Gegner. Ihr werdet oft genug sterben, um euch nach und nach ein paar würdige Feinde anzulachen. Und das alles sogar noch ganz ohne den Multiplayer-Teil.

Schleichen und in der Detektiv-Sicht Spuren lesen, es gibt viel Auflockerung zum Kampf.

Der Multiplayer ist komplett asynchron, ihr werdet also nie direkt auf einen anderen Spieler treffen. Was ihr aber habt, sind Vendettas und Eroberungen. Eine Vendetta entsteht, wenn ein Spieler - ihr auch - getötet wird. Dann setzt das Spiel bei anderen Spielern einen Startpunkt und holt denjenigen, der sich traut, in die Welt des Getöteten. Dort müsst ihr in einem begrenzten Gebiet den mörderischen Ork finden und erledigen. Schafft ihr das, werdet ihr belohnt, wenn nicht, wird der Ork stärker und andere können sich daran versuchen. In Burgbelagerungen seid ihr entweder der Angreifer und kämpft gegen die Offiziere, die der Spieler dort als Kommandant und Leibgarde eingesetzt hat oder ihr seht, dass ein Spieler eine eurer Burgen und ihre von euch bestimmten Verteidiger angriff. Je nachdem, wie das läuft, erhaltet ihr eine Belohnung oder auch nicht. Diese Eroberungen haben keinen Einfluss auf euer Hauptspiel, selbst die Verteidiger sind nicht dauerhaft tot, aber es ist ein weiterer durchaus gelungener Zeitvertreib, der sich gut in die eh schon umfangreiche Vielzahl an Aktivitäten einreiht. Außerdem ist das der Punkt, an dem es Loot-Boxen gibt.

Ich kann euch nicht genau sagen, was die etwas sinnlosen Loot-Boxen in Echtgeld kosten, da der Shop noch nicht eingeschaltet wurde. Nur, dass es zu viel sein wird. Einfach ignorieren und weiterspielen.

Oh ja, die Lootboxen. Was können sie mir mittlerweile gestohlen bleiben und ich denke, das ganze unnötig verkomplizierte Waffen-Loot-System wurde nur ihnen zuliebe eingerichtet. Ging es im ersten Teil mehr darum, drei legendäre Waffen - Schwer, Bogen und Dolch - durch Herausforderungen zu ergattern, versucht sich Schatten des Krieges als Möchtegern-Diablo und gibt euch zig Waffen, brav nach Level und Seltenheit gestaffelt, alle mit zufällig generierten Perks, die ihr durch Herausforderungen freischalten könnt. Was kein normaler Mensch bei einer Level 6 Waffe machen wird, weil ihr eine halbe Stunde später auch so eine weit bessere Level 9 Waffe finden werdet. Wie bei all diesen Spielen ist also nur das Endgame relevant und wenn ihr Schatten des Krieges einfach nur durchspielen möchtet, werdet ihr nicht den Level-Cap erreichen. Deshalb auch die ganzen zusätzlichen Aktivitäten, die zum Glück auch für sich Spaß machen.

Nach und nach findet ihr auch so ein paar legendäre Offiziere für die Armee und eben solche Waffen, aber wer am Ende alles haben will und das vielleicht auch schnell, der kann dann zu den Loot-Boxen greifen. Ich persönlich verstehe es nicht wirklich, was hier einen Spieler motivieren soll. Schatten des Krieges ist gut ausbalanciert, ihr bekommt viele Waffen und oft genug auch wirklich mächtige. Und nur für ein eher loses Post-Endgame mit nettem Zeitvertreibcharakter dann noch mal extra Geld ausgeben, nicht mal für gezielte Einkäufe, sondern eine Losbude... Macht was ihr wollt, aber ich nehme Schatten des Krieges einfach als das Spiel, das zum Glück auch ganz ohne diese Dinge wunderbar für sich steht und selbst fast ein wenig den Eindruck macht als würde es damit nicht zu tun haben wollen.

Schatten des Krieges in seinen besten Momenten: Ich hatte nicht mit zwei Offizieren gerechnet, sie nicht mit einem Troll, es findet sich am Ende immer alles.

Mittelerde: Schatten des Krieges ist ein echtes Epos, was den Umfang angeht. Der Vorgänger war schon nicht klein, aber diesmal habt ihr mehr Gebiete, die Burgen, die eigene Ork-Armee, die Loot-Waffen, Reittiere und vieles mehr. Alles greift erstaunlich gut ineinander und auch wenn Schatten des Krieges immer ein von seinen Mechaniken statt seiner Dramaturgie getriebenes Spiel sein wird, kann es sich nicht über zu wenig Charakter beklagen. Selbst wenn die Orks oft zu redselig sind, es sind die Open-World-Sandbox-Momente und die daraus spontan entstandenen Schlachten, die euch in Erinnerung bleiben und zusammen mit dem Nemesis-System schreibt ihr wirklich ein wenig eine eigene Geschichte in Mordor. Sicher, der Anfang ist chaotisch und dann für ein Weilchen wenig aufregend. Nach ein paar Stunden aber bekommt das Spiel die Kurve zu der angestrebten, langanhaltenden Epik der Eroberung eines Landes per Proxy - es sind schließlich immer noch Orks, ein seltsames Gefühl, wenn man durch seine Festung wandert. Als Open-World-Spiel ist Schatten des Krieges dank genau dieser Systeme und der vielen Freiheiten, die es für euch, aber auch als Sandbox für sich selbst schafft und euch regelmäßig befriedigend ausspielen lässt, ein echtes Kleinod und etwas sehr Eigenes. Das bekommt man heutzutage auf diesem Level nicht jeden Tag geboten.


Entwickler/Publisher: Monolith / Warner - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 10. Oktober 2017 - Sprache: Deutsch, Englisch - Mikrotransaktionen: Oh ja, holt euch die all die schönen Loot-Boxen... - Getestete Version: Xbox One

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