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Mount & Blade 2: Bannerlord - Die perfekte "Game of Thrones"-Machtfantasie

Die vielleicht steilste Karriere, die man in einem Videospiel hinlegen kann.

Wenn Videospiele als "Power Fantasy" beschrieben werden, geschieht das nicht immer im positivsten Kontext. Gerne wird der Begriff auch mal verwendet, um ein wenig schmeichelhaftes Bild von Gamern zu zeichnen. Im Fall von Mount & Blade 2: Bannerlord will ich das Wort aber in seiner absolut positivsten Lesart verstanden wissen, denn wie hier die Power-Spirale mit jeder gewonnen Schlacht anzieht, führt zu einer geradezu berauschenden Eskalation an Machtbesoffenheit.

Das dürfte der maßgebliche Grund sein, warum Mount & Blade 2 mit seinem Early-Access-Release gewissermaßen aus dem Stand zu den erfolgreichsten Spielen auf Steam gehört. Selten begann man ein Abenteuer bescheidener, um sich am Ende zum Söldnerkönig, dann Statthalter und schließlich zum Regenten einer Region aufzuschwingen, nur um nach seinem Ableben seinem aussichtsreichsten Nachkommen das Zepter zu übergeben, um an seiner Dynastie zu arbeiten. All das verpackt in einer Mischung aus Schlachtensimulation, Rollenspiel, Echtzeittaktik und 4X, bei der einem vor Komplexität eigentlich angst und bange werden müsste.

Die Städte zu erkunden, versprüht auch einiges an Flair, allerdings ist hier noch nicht so viel zu tun.

Wird es aber nicht, denn gemäß eures aktuellen Standes auf dem fiktiven Kontinent Calradia und eurer Zugehörigkeit zu den zahlreichen verfeindeten Reichen seht ihr immer nur einen kleinen Ausschnitt des großen Ganzen. Im Grunde geratet ihr nach der Auswahl eurer Vorgeschichte - fünf verschiedene Herkünfte stehen zur Verfügung - gewissermaßen auf Game-of-Thrones-Art zwischen die Banner der verfeindeten Reiche. Den Inhalt und die Beweggründe der Hauptquest vergesse ich regelmäßig, weil ich lieber an meiner Armee arbeite. Zum Glück steht aber immer die Geschichte im Vordergrund, die man selbst schreibt. Abgesehen von der Ausgangssituation und den sich dynamisch und immer anders verhaltenden Anführern der verschiedenen Königreiche textet euch das Spiel immer nur so viel zu, wie ihr den NPCs aus der Nase ziehen wollt.

Man schmiedet also sein eigenes Glück: Für ein paar Münzen heuert man im nächsten Dorf ein paar arbeitslose Schläger an und schon war die eigene Söldnertruppe geboren. Die zieht ihr per Mausklick über die wahnsinnig große Karte, versorgt sie in Städten und Siedlungen mit Nahrung unterschiedlicher Qualität und stellt dann zusammen ersten Gegnerverbänden nach: Vielleicht, weil euch in einem der Dörfer, die jetzt auch schön in Echtzeit nach Art eines Rollenspiels erkundbar sind, der Älteste bat, eine Gruppe von Plünderern auszulöschen oder weil ihr als bewaffnete Unterstützung eine blutige Familienfehde zu einem glimpflichen Ende führen sollt. Immer wieder trefft ihr in den Quests - die wegen des frühen Entwicklungsstadiums noch häufig Platzhaltercharakter haben und recht wiederholungsanfällig sind - Entscheidungen, die euer Verhältnis zu den Beteiligten um ein paar Punkte verschieben und eventuell in der Zukunft Auswirkungen auf weitere Interaktionen mit ihnen haben werden.

In solchen Szenen geht die Bildrate noch in die Knie. Es hilft, die Anzahl der angezeigten Einheiten zu reduzieren - aber das ist dann natürlich nicht so eindrucksvoll.

In jeder Mission und jedem Kampf erhält nicht nur euer Charakter Erfahrungspunktebelohnungen und stärkt seine jeweils eingesetzten Fähigkeiten - einhändiger, zweihändiger Kampf, Fernkampf, Reiten, Führungsstärke, und so weiter - auch eure Untergebenen steigen im Rang auf und können gegen einen Obulus zur nächstbesseren Klasse aufgewertet werden. Eventuelle Gefangene veräußert ihr in den zwielichtigen Bezirken größerer Städte oder behaltet sie lange genug bei euch, bis sie euer Genie erkennen und sich von euch anheuern lassen. Nach und nach wächst so eure Gefolgschaft und das ist irre motivierend. Ganz egal, ob ihr auf Masse geht und Tausende Leute in die Gefechte führen wollt, oder einen "kleinen" Trupp von gut gemischten 150 Elite-Kämpfern führen wollt, von denen jeder kämpft wie fünf Mann.

Die Echtzeitkämpfe sind ein atmosphärisches Highlight und bieten mit verschiedenen Waffengattungen und Blocks in vier verschiedene Richtungen reichlich Spieltiefe, gleichzeitig erteilt ihr über die F-Tasten euren verschiedenen Kampfverbänden Befehle und erwirkt so auch schon mal über überlegene Taktik einen unverhofften Sieg. Im Morgengrauen bei Schneefall zum Angriff zu blasen, ist wahnsinnig stimmungsvoll und erinnert an die besten Momente unserer liebsten Fantasy-Filme und Serien. Und nach gewonnener Schlacht nehmt ihr alle Habe eurer Feinde an euch, etwa um sie selbst weiterzuverwenden - Pferde, bessere Waffen und Rüstungen - oder um sie gewinnbringend zu verkaufen.

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Irgendwann stellt ihr euch dann in den Söldnerdienst einer der Fraktionen, nehmt an gewaltigen Belagerungen teil oder leitet sogar selbst welche oder rettet mit eurem Eingreifen einem Fürsten den Allerwertesten, was euch einige Gunst einbringt. Nach und nach trefft ihr auf andere Heerführer und steigt vom bloßen Söldner selbst zum Nobelmann eines Reiches auf, verwaltet Burgen, heiratet günstig und herrscht irgendwann über Städte und ganze Landstriche, die ihr durch gut geführte Kriege stetig erweitert. Wie gesagt: Es ist allerhand, was für eine Karriere man in Mount & Blade 2: Bannerlord hinlegen kann. Selten eskalierte euer Power-Level so wie hier und alleine deshalb ist TaleWorlds auch im zweiten Anlauf ein echtes Kultspiel gelungen.

Bannerlord hat noch ein gutes Stückchen vor sich, bis man es auch nur halbwegs "fertig" nennen kann. Wie viele Spieler aber jetzt schon Tag um Tag aktiv sind, spricht trotz unfertiger Dialoge und im Kleinen immer gleicher Abläufe für eines der fesselndsten Erlebnisse, die man in diesem Jahr haben kann. Werft unbedingt mal einen Blick drauf!


Entwickler/Publisher: TaleWorlds Entertainment Erscheint für: PC - Geplante Veröffentlichung: Early Access erhältlich auf Steam

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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