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NBA Live 16 - Test

Beharrlich sind sie ja, das muss man ihnen lassen.

Auf Zwischendurch-Ebene ein passables Sportspiel. In Physikalität und Authentizität aber weiterhin um Jahre der Konkurrenz hinterher.

Die Formkurve zeigt nach wie vor nach oben. Nachdem sich NBA Live 15 im letzten Jahr für den Titel "Most Improved Player" schon nichts kaufen konnte, reichen die Verbesserungen im Detail jedoch auch in diesem Jahr nicht aus, um zu einem bemerkenswerten Konkurrenten für die übermächtige 2K-Konkurrenz zu werden. Die bewies mit NBA 2K16 nämlich, egal wie weit man schon gekommen ist, Luft nach oben ist immer.

Gleichzeitig muss man sagen, dass NBA Live 16 auf den ersten Blick tatsächlich nach einem ernstzunehmenden Herausforderer aussieht. Die Spielermodelle gefallen noch besser als schon im guten letzten Jahr. Bewegte Gesichter, knackscharfe Hauttexturen und überzeugende Schweiß- und Stoffeffekte befinden sich im Großen und Ganzen in Armlänge des Platzhirsches, wenngleich die Detailtreue je nach Spieler sichtlich schwankt. Ein Problem, das junge Sportspiele immer haben, weil sie derartige Genauigkeiten erst über Jahre hinweg anhäufen müssen.

Ausgezeichnet gelungen: die Scans der größten Stars. Alle anderen können sich immer noch halbwegs sehen lassen.

Auf dem Platz bleibt es eine actionreiche Ballwerferei, die einem den Einstieg leicht macht. Das Motto "Einfach zu lernen, nichts zu meistern" verfolgt aber auch diese Ausgabe leider wieder und liefert eine Scheinsimulation ohne wirklichen Tiefgang ab. Ein gutes Basketballspiel wird, genau wie ein professionelles Team, letzten Endes an seiner Defensive gemessen. Und die überzeugt hier einfach nicht. Geht man in der Abwehr per L2 in die auf Tuchfühlung mit dem Gegner, wird man fast magnetisch an sein Gegenüber herangesaugt. Mit ein bisschen Rennerei kommen athletische Dribbler aber trotzdem viel zu oft zum Korb durch.

Diesen Ansaugeffekt bemerkt man übrigens auch, wenn man im Angriff einen Screen stellt oder in der Verteidigung abseits vom Ball die Deny-Position einnimmt. Es ist ein netter Gedanke, aber es sieht viel zu oft einfach unnatürlich aus und ist die Integration nicht wert, wenn man es seinem Gegner trotzdem nicht wirklich schwer genug macht, durchzukommen. Zugegebenermaßen kommt die Verteidigung von Schüssen deutlich besser weg, doch die Art, wie Spieler beim Blockversuch ausgehend von ihrer Körperposition zu viel oder zu wenig beziehungsweise zu schnell oder zu langsam an Höhe gewinnen, wirkt ebenfalls ein bisschen wie von gestern und erschwert das exakte Timing. Besonders dann, wenn Trägheit und Sprungkraft häufig nicht nachvollziehbar berücksichtigt werden.

Ebenso unbefriedigend: die Rebounds, bei denen sich selbst perfekt postierte Spieler viel zu häufig vergreifen und aus den nebulösesten Gründen noch ausgeboxte Gegner an das Leder lassen. Gute Defense zu spielen, ist in NBA 2K der Ertrag voller Konzentration und konsequenter Arbeit nach hinten. In NBA Live ist es Glückssache, so meint man.

Clevere Hilfen stemmen sich gegen einen statischen, sterilen Spielablauf.

Nach vorne sieht es schon etwas besser aus, auch wenn das Spiel weiterhin etwas unflexibel und träge bleibt. Ein Punkt, den sich NBA 2K in diesem Jahr sehr effektiv zur Brust genommen hatte. In Live 16 fühlt sich dagegen alles ungelenker, steifer an. Und dann erst die Animationen. Im Einzelnen sehen vielen Bewegungsabläufe ordentlich aus. Im Übergang hapert es aber, sodass die Füße der Spieler erst in Position schlittern müssen, bevor es weitergehen kann. Das erzeugt Gefühl, sie laufen nicht wirklich über einen Court, sondern bewegen sich auf ihrem eigenen, unsichtbaren Boden. Man kennt es als den Schlittschuheffekt, der Sportspiele zu Beginn der 2000er so plagte und den Visual Concepts bereits recht wirkungsvoll bekämpfte. Auch clippen die Spielermodelle hier viel mehr durcheinander, als es auf dem Meister-Court seit Jahren der Fall ist. Insgesamt ein deutlich indirekteres Spielgefühl, was einer Action-Sim eher weniger guttut.

Für den Kommentar holte man sich unterdessen gute Leute ran. Jeff van Gundy und Jalen Rose sollten wissen, wovon sie sprechen. Aber das Palaver, das ihnen das Kommentarsystem entlockt, ist viel zu allgemein und unverbindlich. Kein Wunder, dass keiner der prominenten Sprecher besonders motiviert bei der Sache ist.

Es ist allerdings nicht alles schlecht. Das Spiel schlägt aus der ESPN-Lizenz reichlich TV-reifes Inszenierungskapital. Ich mag die vertikale Schussanzeige, die sehr intuitiv den perfekten Zeitpunkt für das Loslassen des Balles vermittelt. Die dynamischen Spielzugeinblendungen sind genauso gelungen wie einige der Steuerungseinfälle. Ich mag, wie die Pick and Rolls geregelt sind: Linken Trigger halten für den Pick, linken Stick klicken fürs Abrollen zum Korb. Ich finde auch das Icon-Passing in NBA LIVE besser gelöst als in NBA 2K. Im EA-Produkt werden die Spielertasten nur dann eingeblendet, wenn man den Icon-Pass gedrückt hält. Es sind sinnige Kleinigkeiten, die zeigen, dass sich die Entwickler Gedanken gemacht haben. Aber wo ich zuletzt Visual Concepts Werk wegen seines Sinns für eben solche Details lobte, stehen die obendrein auf einer deutlich stabileren Basis.

Atmosphärisch und in Sachen Präsentation gibt es abgesehen vom Kommentar wenig zu bemängeln.

Ich glaube, EA erwartet, dass NBA Live wie auch sein Fußballgegenstück FIFA irgendwann den Punkt erreicht, an dem es der weithin akzeptierten Referenz den Rang abläuft. Aber 2K ist nicht Konami und NBA Live ist in seinen Anlagen noch lange nicht auf dem Level des FIFA, das ab 2011 einen Wechsel in der öffentlichen Wahrnehmung erzwang. LIVE ist nicht mehr und nicht weniger als ein passables und gut aussehendes, aber inhaltlich schon zu seinem Erscheinen irgendwie überholt wirkendes Sportspiel. Darauf kann man auch im nächsten und den folgenden Jahren noch aufbauen. Allerdings muss man sich irgendwann fragen, ob die gesteckten Ziele erreichbar und die irgendwann vielleicht zu erwartenden Erträge die Mühen überhaupt wert sind.

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