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Nvidia Grid - Das Ende des PC-Aufrüstens?

Details zu den Leistungen und der Performance des Nvidia-Streaming-Dienstes.

Das auf der Pressekonferenz zur GDC von Nvidia vorgestellte Grid, ein Streaming-Dienst, ist die eigentliche Ankündigung. Die schicke kleine Shield-Box ist eigentlich nur eine Krücke, eine noch etwas zu große Empfängerbox, wirft man einen Blick auf das Ganze und denkt über die nächsten drei, fünf und zehn Jahre nach. Es ist zum Ende gedacht nicht weniger als der finale Ausweg aus aller PC-Aufrüstung für zumindest den größten Teil der Spieler. Aber dazu und zu anderen Grid/Shield-Gedanken findet ihr hier mehr, in diesem Artikel geht es darum, was Grid überhaupt ist.

Nvidias CEO und Mitbegründer Jen-Hsun Huang nennt es das Netflix der Games und es ist eine extrem treffende Formulierung. Zumindest weitergedacht, als der Start des Dienstes andeutet. Derzeit ist es eher das Maxdome der Spiele. Für alle, die diesen Service nicht kennen: Ihr habt für eine monatliche Gebühr von ein paar Euro ein Repertoire aus älteren Filmen und Serien, alles Neue muss entweder gekauft oder gegen eine Extragebühr gemietet werden. Grid funktioniert sehr ähnlich, nur dass der letzte Teil, das Mieten neuer Titel, noch nicht Teil des Programmes sein wird. Mit der Betonung auf "noch".

Das Grundmotto des Grid-Dienstes: In einer Minute gekauft und auch wirklich losgespielt.

Zum Start wird es eine Auswahl an etwa 50 Titeln geben, darunter junge Klassiker wie Alan Wake, Doom 3 und Crysis 3, eine Reihe hochwertiger Indies wie Leo's Fortune oder The Talos Principle und auch ein paar noch jüngerer Spiele wie Borderlands: The Pre-Sequel, Saints Row 4 oder MGS: Revengeance. All diese Titel ladet ihr herunter und könnt sie direkt auf dem Shield spielen. Monatliche Gebühr in noch nicht genannter Höhe vorausgesetzt, habt ihr einen Grundstock, der dann wöchentlich erweitert werden soll. Einzeln kaufen könnt ihr die Sachen auch, das bleibt eine Option und dann landen sie in eurem Google-Play-Store-Konto, sodass sie theoretisch auf jedem Android-Gerät herunterladbar sind. Ob sie auch spielbar sind, hängt dann natürlich von der Hardware ab, derzeit dürfte sich das wirklich auf Shield und mögliche andere Tegra-X1-Geräte beschränken.

So weit, so nett und unspektakulär. Das ist aber nicht wirklich Grid. Spannend wird es, wenn man in dem neuen Store ein wenig nach oben scrollt, wo die ganzen neuen Titel liegen. Witcher 3, Shadows of Mordor und andere, ganz frische PC-Games, die dort mit Preisschildern in ihrem üblichen Rahmen markiert sind. Wer sich fragt, wie die kleine Maschine diese Spiele handhaben soll, erwartet eine ganz einfache Antwort: gar nicht. Geht nicht. So gut der Tegra-Chip auch sein mag, er ist einem modernen Spiele-PC hoffnungslos unterlegen. Ist aber egal, weil dieser kleine Chip dann auf eine ganz andere Ressource zugreift und nur noch als Empfänger dient.

Der Tegra in einem eher seltsamen Vergleich oder: traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Er ist x-mal schneller als Produkte, die etwas anderes tun sollen.

Nvidia baut derzeit in allen Märkten, auch in Deutschland, Rechenzentren auf, in denen ihre GTX-Großcluster stehen. Hier findet die harte Rechenarbeit statt, die Shield-Box schickt nur die Eingaben von euch weg und holt das Bild ab. Der Grundgedanke ist dabei extrem reizvoll. So ein Rechenzentrum mit einem ganzen Cluster aus den Chips, von denen man sonst nur einen oder vielleicht zwei zur Verfügung hat, kann natürlich ganz andere Berechnungen anstellen. Egal, wie viel ihr in eure Hardware steckt, im Großrechner läuft mehr Hardwarepower. Unreal-4-Demos mit allen Details in 1080p und 60 Frames sind keine Frage mehr, ob die vier- oder fünftausend Euro im PC reichen, sondern einfach nur, ob eure Internetverbindung schnell genug ist. Der kleinen Box ist es egal, wie und wie viele Partikel berechnet werden müssen, für sie sind es nur einige der 1920 * 1080 Pixel, die angezeigt werden. Solange die schnell genug geliefert werden, gibt es keine Probleme.

So weit die Theorie, in der Praxis gibt es mit dem "alle Details an und so hoch es geht" noch ein paar handfeste Probleme, die nicht aufseiten des Shield liegen. Die Anforderungen dafür halten sich in realistischen Grenzen, die zumindest in großen Teilen Deutschland erfüllbar sind. Für 720p - der "Basic"-Service - sind etwa 10 Mbit nötig, für 1080p - "Premium-Service" - müssen es 25 bis 30 Mbit sein. Als Upload reicht schon 1 Mbit. Wer jetzt sagt, dass da ein Lag sein muss, der hat natürlich recht. Dieser beträgt derzeit 150 Millisekunden. Diese teilen sich in etwa so auf: 10 ms vom Controller zur Box, 15 ms bis zum GTX-Großrechner, 60 ms um dort die Anfrage umzusetzen, 10 ms für das Encoding, 15 ms wieder zurück zum Shield. Weitere 10 ms braucht das Decoden und Rendern, 30 ms braucht dann schließlich ein etwas besserer TV für die Umsetzung der Darstellung. Um euch einen Vergleich zu geben, wie schnell oder langsam das ist: Call of Duty auf der Xbox läuft mit etwa 120 ms Verzögerung und gilt als extrem flüssiger Multiplayer-Shooter für die Konsole.

Wiederum ein seltsamer Moment der Präsentation: Shield und Grid starten mit mehr als 50 Launch-Titeln. Es ist sicher richtig, dass das mehr ist, als andere Konsolen-Launches vorweisen konnten. Aber die hatten Spiele, die es vorher noch nicht gab. Nett ist das Line-up trotzdem, jeder sollte was finden, was er noch nicht gespielt hat.

Um kurz auf die Detail-Settings zurückzukommen, in den 150 ms oder vielmehr den 60 ms auf dem Großrechner liegt der Grund für die Zurückhaltung bei maximalen Details. Vor allem die neuen Effekte sind natürlich aufwendiger und werden derzeit noch verweigert, um eine stabile Reaktionszeit zu halten. Wie sich dies in Zukunft entwickeln wird, muss man sehen.

Was die 150 ms selbst angeht: Jeder Turnierspieler auf dem PC wird natürlich sagen, dass so viele Millisekunden nicht akzeptabel sind, jeder Starcrafter und Counterstriker wird das nicht hinnehmen können, und sie haben natürlich absolut recht. Aber dafür ist Grid auch nicht gedacht. Ein normaler Shooter, gerade im Solospiel, ein Action-Adventure oder ein Rollenspiel kann problemlos mit 150 ms leben, ohne dass ihr viel davon mitbekommen werdet. Hier ist einzig die Frage, dass dieser Wert stabil sein muss, um nicht den Eindruck von Inkonsistenzen bei der Steuerung zu vermitteln. Aber vom ersten Eindruck unter natürlich nicht ganz frei gewählten Bedingungen her - ich weiß nicht wie gut die Anbindung in diesem Konferenzzentrum war, denke mal, dass es eine etwas andere Leitung als im Hausgebrauch ist - läuft es vollkommen problemfrei. Witcher 3 sah tadellos aus, bei Revelations 2 und der Unreal-4-Demo gab es deutliche Sound-Lags, die bei einem solchen Bühnen-Set-up aber auch andere Gründe haben könnten - wahrscheinlich nicht, aber man soll ja nichts ausschließen. Selbst angespielt habe ich Shadows of Mordor, und das fühlte sich nicht anders an, als wenn ich es zu Hause auf der Konsole direkt spiele. Unspektakulär gleichartig, aber das ist ja auch das, was hier angestrebt wird.

Weniger als ein halbes Augenzwinkern. Das ist viel zu langsam für so manchen PC-Enthusiasten.

Der Preis ist natürlich derzeit noch eine spannende Frage und die Antwort ist einfach. Diese neuen Spiele kosten das, was sie auch anderswo kosten. Wer sich bei dem Gedanken nicht wohlfühlt, für das gleiche Geld nur einen Streaming-Zugang zu erhalten, wird derzeit damit beruhigt, dass zu dem Kauf auch ein Steam-Key gehört, beziehungsweise im Falle von Witcher 3 ein gog.com-Code. So erhaltet ihr die gleiche Leistung, nur mit dem Bonus, auf das Herunterladen von 40 Gig fürs Erste verzichten zu können und stattdessen einfach zu starten. Schließlich ist das Spiel auf der GTX-Großanlage längst bereit. Da immer mehr Spiele auch Cloud-Saving anbieten, sollte selbst der Wechsel vom Stream zu einer installierten Version recht problemlos möglich sein.

Thin-Clients sind im Anwendungsbereich seit Jahren etwas ganz Normales, Nvidia Grid ist zusammen mit dem Shield-Client ein erster im großen Stil lauffähiger Schritt in dieser Richtung. Der Dienst wird in den USA im Mai und in den folgenden Monaten in anderen Ländern, auch Deutschland, starten. Bei uns ist derzeit die Alterskontrolle für Nvidia noch ein Thema, man arbeitet an Lösungen dafür, aber eine große Verzögerung wird das nicht bedeuten.

Was das für die PC-Spiele heißt und ob man sie am Ende noch PC-Spiele nennen kann, das ist eine etwas kompliziertere Frage. Aber jetzt wisst ihr erst einmal, was Nvidia Grid ist. Und hier lest ihr ein paar Gedanken dazu, was es eines Tages bedeuten könnte.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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