Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Old Man's Journey: Wahre Liebe kann auch große Fehler vergeben

Das Entwicklerstudio Broken Rules über eine Reise und ihre Herausforderungen.

Wenn ein alter Mann eine Reise unternimmt, klingt das auf den ersten Blick nicht nach einer spielerisch spannenden Angelegenheit. Zugegeben, ein vor Spannung strotzendes, actiongeladenes Abenteuer ist Old Man's Journey nicht. Das ist auch nicht das, was es sein möchte. Es geht darum, Gefühle und Emotionen zu vermitteln, die rührende Geschichte eines Mannes zu erzählen, der in seinem Leben viel mitgemacht hat.

Es ist eine kurze, malerische Reise durch schön gestaltete Umgebungen, die euch Stationen aus dem Leben des alten Mannes zeigen. Damit er vorankommt, löst ihr Rätsel, indem ihr Teile der Landschaft verschiebt und ihm so den Weg ebnet. Nichts, was euch Kopfzerbrechen bereitet, sie tragen ihren Teil zur Abwechslung bei und geben euch auf diesem Abenteuer eine Beschäftigung.

Old Man's Journey ist die Idee von Felix Bohtasch (Game Direction und Design) und Clemens Scott (Creative Direction und Art Lead). Beide arbeiten für das in Wien ansässige Entwicklerstudio Broken Rules. Mit Old Man's Journey war ihr Ziel, ein klares und fokussiertes Projekt zu entwickeln, nachdem die vorherigen beiden Projekte (Chasing Aurora, Secrets of Raetikon) unter zu vielen Designkompromissen litten.

Ein weiterer Faktor war, sich persönlich damit zu identifizieren: "Die erste Inspiration kam von einem Foto, das ich bei einem Besuch bei Freunden gesehen hatte. Ein Bild von Hügeln, die in der Ferne im Nebel verschwinden. In vorangegangenen Brainstorming-Sessions haben wir nach Ideen für Touchscreens gesucht. Diese Ideen kamen wieder auf und es schien reizvoll, die Silhouetten der Hügel mit dem Finger zu verformen und den Pfad für einen Charakter zu formen. Dieses Foto erzeugte außerdem ein starkes Gefühl von Fernweh, das wir unbedingt mitnehmen wollten", erklärt Bohtasch im Gespräch mit Eurogamer.de.

Nachdem die Idee für die spielerischen Aspekte stand, ging es darum, einen passenden Charakter zu finden. Eine Figur, die woanders hinwill, um das Thema Fernweh aufzugreifen. Und durch die Vorstellung, daraus ein Projekt zu machen, das den Entwicklern persönlich wichtig ist, kamen sie auf das Thema Familie.

"Unsere Firma Broken Rules hat fünf Gesellschafter. Seit der Gründung 2009 haben wir zusammen fünf Spiele entwickelt und währenddessen alle zusammen acht Kinder bekommen. Jeder von uns hat sich damit beschäftigt, wie man Familie, persönliche Entfaltung und Beruf gut unter einen Hut bekommt. Diese Herausforderung verbindet uns alle, aber ich glaube, sie beschäftigt auch viele Menschen überall auf der Welt, unabhängig von der Kultur, in der sie aufwachsen. Jeder Mensch muss sich mit dem Thema Familie in seinem Leben auseinandersetzen. Deswegen wollten wir in unserem Spiel über einen Mann erzählen, der es nicht geschafft hat, seine persönliche Leidenschaft mit dem Wunsch nach Familie zu vereinbaren. Und nach all den Jahren ist er jetzt auf dem Weg, um sich endlich mit seiner Familie zu versöhnen. Weil wahre Liebe auch große Fehler vergeben kann", sagt er.

Zur Unterstützung dieser gefühlvollen, poetischen und bodenständigen Geschichte zog Broken Rules einen malerischen Stil in Betracht. Gleichzeitig war angedacht, den Spielern zu vermitteln, dass sie in dieser Welt verweilen möchten. Als Inspiration dafür dienten Reiseplakate, die den Wunsch erwecken, an einem bestimmten Ort zu sein.

"Wir bedienen uns gerne an Orten, die uns in einer Art und Weise nahe liegen. Wir leben und arbeiten in Österreich - der Schauplatz für unsere letzten beiden Spiele waren die nordöstlichen Alpen. Für Old Man's Journey sind wir weiter gegangen - die geografischen Inspirationen waren Südfrankreich, Italien und Spanien, aber auch die Bretagne, Schottland und Irland", erklärt Scott. Stilistisch dienten die Arbeiten von Eyvind Earle, Elle Michalka, Itzutsu Hiroyuki, Szymon Biernacki und Scott Wills als Vorbilder.

Die Idee zur Verformung der Landschaften entstand aus dem Wunsch heraus, eine einfache Grundmechanik zu finden, die gut auf mobilen Geräten und Touchscreens funktioniert. Bohtasch dazu: "Es ist eine simple Geste, die aber durch die direkte Verbindung zwischen Finger und Spielewelt mehr Gewicht bekommt. Außerdem erinnerte sie mich an das Sprichwort 'Für dich würde ich Berge versetzen'. Das passte auch sehr gut zu der Motivation des alten Mannes, am Schluss seines Lebens noch einmal alles richtigzustellen und alles daran zu setzen, sich mit seiner Familie zu versöhnen."

Durch diese Grundmechanik entstand die Idee für das Spiel, der wahre Kern ist die emotionale Erfahrung der Spieler und Spielerinnen. Das war der Grund, warum keine schwierigen und potentiell frustrierenden Rätsel im Spiel landeten. Interessant ist die Liebe zum Detail. Berührt ihr mit dem Finger - ob zufällig oder nicht - Bäume, Fenster oder Kabel, reagieren diese darauf.

"Es war uns immer wichtig, die Welt lebendig und angreifbar zu machen. Dadurch möchten wir unsere Spieler und Spielerinnen noch mehr in die Landschaften und in die Reise des alten Mannes ziehen. Außerdem war es uns wichtig, ein Spiel zu entwickeln, das gut von Eltern mit ihren Kindern gemeinsam gespielt werden kann. Kinder können mit der Welt und allem, was sie darin finden, spielen, während ihre Eltern mit dem alten Mann mitfühlen", erläutert er.

Einen weiteren Beitrag zur Stimmung des Spiels leistet der schöne Soundtrack. Dem pflichtet Bohtasch bei und gibt an, dass Old Man's Journey ohne die Musik von Andrew Rohrmann (SCNTF genannt) "nur halb so stark" wäre. Um den Spielern Emotionen zu vermitteln, brauchte es einfühlsame Musik. Die Stelle des Komponisten schrieben die Entwickler international aus.

"Andys Demo-Track hat uns sofort in die richtige Stimmung versetzt und so war es mit allem Anderen, das er uns geschickt hat. Es grenzt fast an ein Wunder, aber nach zwei Jahren Entwicklungszeit, in der ich dauernd die Musik gehört habe, höre ich sie noch immer gern", sagt Bohtasch.

Der schwierigste Part bei der Gestaltung des Spiels war für Broken Rules, die Rätsel so zu gestalten, dass sie interessant sind und nicht frustrieren. Sie mussten das richtige Gleichgewicht finden und die richtigen Interaktionsmöglichkeiten aus den vielen entwickelten Prototypen zu wählen. Am Ende fiel die Entscheidung fast immer auf die Einfacheren. Ihm zufolge sehen manche Spieler und Spielerinnen das als Schwäche, obwohl es ein, zwei Stellen gibt, die für Wenigspieler frustrierend sind.

Eine weitere Herausforderung war die Anpassung der handgezeichneten Grafiken für die verschiedenen Systeme und Auflösungen. Dabei galt es, im Hinterkopf die Größe der App zu berücksichtigen, die nicht zu groß ausfallen sollte. Am Ende entschied sich das Team dafür, alle Grafiken in einer Auflösung zu produzieren, die sie auch in 4K noch gut aussehen lassen. Für Smartphones verkleinerten sie dann die Texturen und sorgten dafür, dass jede Gerätegruppe die richtigen Assets erhält. Keine leichte Aufgabe: "Es war zum Haare raufen!", betont er.

Rückblickend ist Bohtasch sehr zufrieden mit Old Man's Journey und glaubt, das erreicht zu haben, was das Team im Vorfeld wollte. Wichtig war ihnen vor allem, dass Gameplay, Geschichte, Grafik, Musik und andere Teile des Spiels als großes Ganzes zusammenarbeiten und die Spieler berühren.

"Wenn man so lange und intensiv an einem Projekt arbeitet, gibt es immer genug Details und Einzelheiten, die man noch gerne verbessern würde. Ab einem gewissen Punkt mussten wir diesen Perfektionismus aber zurückdrängen, sonst hätten wir Old Man's Journey nie fertigstellen können. Ich glaube, dass viele dieser Details den meisten Spielern nie auffallen würden, deswegen versuchen wir nicht zu lange darüber nachzudenken."

Die Entwicklung des Spiels dauerte ein wenig länger als ursprünglich gedacht, was in dieser Branche nichts Ungewöhnliches ist. Insgesamt verlief dieser Prozess Bohtasch zufolge sehr gut, erst zum Ende hin kam Stress auf, da die gleichzeitige Veröffentlichung auf mehreren Plattformen bevorstand. Durch die Verschiebung war er im letzten Monat der einzige Programmierer, der am Spiel arbeitete und erstellte die Builds für iOS, Android, Mac und Windows.

"Da ich nicht der beste Programmierer bin, hat mich das ziemlich eingenommen. Am Tag der Veröffentlichung hatte ich außerdem einen Vortrag auf der Nordic Game Conference. Während des Fluges nach Malmö habe ich am Tag vor dem Release noch einmal die Android-Version durchgespielt und bemerkt, dass ich in einem Level versehentlich die halbe Landschaft deaktiviert hatte. Ein typischer Fehler, den man macht, wenn man um halb eins in der Früh noch schnell einen finalen Build erstellt. Also musste ich am Abend vor dem Release im Hotelzimmer den Fehler beheben und noch einmal einen neuen Android-Build machen. Dank der digitalen Distribution ist das ja möglich und unsere Android-Spieler hatten ein funktionierendes Spiel am 18. Mai. Das ist gerade noch gut gegangen, war aber sehr stressig", erläutert er.

In diesem Jahr erschien eine Umsetzung des Spiels für die Switch, die Broken Rules' Josef Wiesner als "unerwartet unkompliziert", beschreibt. Ausschlaggebend dafür seien viele Veränderungen, die Nintendo auf seiner Seite vorgenommen hat. Diese erleichtern es vor allem kleineren Entwicklerteams, Spiele auf der Switch zu veröffentlichen. Die schwierigste Aufgabe war die Umgestaltung der Steuerung, damit diese auf dem großen Bildschirm funktioniert. Unter anderem nutzten die Entwickler dafür die Bewegungssteuerung. Alternativ habt ihr die Möglichkeit, über Sticks und Buttons einen Cursor zu steuern.

"Die Reaktionen waren bisher sehr gut. Wir sind immer wieder davon begeistert, wie enthusiastisch die Nintendo-Community ist. Das ist wirklich super", sagt Wiesner und bestätigt, dass Old Man's Journey auf der Switch nach nur sechs Tagen die Kosten für die Portierung eingespielt hat.

"Die Nintendo Switch war für uns ein sehr gesundes Ökosystem und ist es immer noch. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, dass Nintendo dem eShop ein paar Zusatzfunktionen verpasst, die mehr Kuratierung erlauben und Sichtbarkeit für qualitativ hochwertige Spiele garantieren. Die gesamte Kuratierung dem News Channel zu überlassen, ist bei der Frequenz, mit der Spiele auf dem System erscheinen, auf Dauer nicht ausreichend."

Der häufigste Kritikpunkt an Old Man's Journey ist die kurze Spielzeit und dass es zu einfach ist. Bohtasch sieht das nicht als Problem, da es eine bewusste Entscheidung war. Und er und Scott sind überzeugt davon, dass es die Richtige war. Lerneffekte gibt es immer. Er glaubt zum Beispiel, dass die Kommunikation und Wortwahl des Studios klarer sein muss, um keine falschen Erwartungen zu schüren. In Zukunft möchte er es vermeiden, was Wort "Puzzle" im Zusammenhang mit dem Spiel zu verwenden.

Nach der Veröffentlichung schalteten die Entwickler zuerst einen Gang zurück, um neue Kraft zu tanken: "Clemens und ich haben in den letzten Monaten zurückgeschaltet und uns mehr Zeit für unsere Familien genommen. In der Zeit, in der wir gearbeitet haben, kümmerten wir uns vor allem um den Support und die weitere Öffentlichkeitsarbeit für Old Man's Journey. Dementsprechend hatten wir keine Muße, an neue Projekte zu denken. Langsam juckt es mich aber schon wieder in den Fingern und ich hoffe, bald Freiraum für kreative Arbeit zu haben", sagt er.

Was aus dieser kreativen Arbeit resultiert, sehen wir in Zukunft. Bis dahin empfiehlt sich ein Blick auf Old Man's Journey, wenn ihr zwischendurch was braucht, das euch entspannt und auf eine emotionale Reise mitnimmt.

In diesem artikel

Old Man's Journey

Android, iOS, PC, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Benjamin Jakobs Avatar

Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
Kommentare