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OlliOlli - Test

F***! S***! AAaarghh#%$§%#%#%!!!!

So richtig in einem Level festbeißen, immer wieder, bis es perfekt läuft? Dann ist dieses kleine Spielbarkeitswunder genau euer Ding.

Erreiche ich eine besonders schwierige Stelle in einem Spiel, baut sich mein Frust in drei Phasen auf. Zunächst einmal fühle ich während der ersten Versuche keinerlei Zorn. Ich freue mich sogar über die Herausforderung und denke mir, dass ich es in wenigen Minuten schaffe. Sobald sich die Minuten zu einer Viertelstunde zusammenfügen, betrete ich einen Trancezustand, in dem ich jegliches Gefühl für Zeit, Hunger oder meine Umgebung verliere. Alles fokussiert sich nur auf die Überwindung des Hindernisses, bis mir letztendlich der Kragen platzt und ich mich zwingen muss, Abstand zu halten. Lege ich keine Pause ein, steigert sich mein Zorn in Wut und mutiert schließlich zu blindem Hass. Nur wenige Spiele erwirken die letzte Phase in mir, ohne unfairen Mist einzubauen. OlliOlli schafft es dagegen mit Leichtigkeit.

Die Ruhe vor dem Sturm

Dabei fängt es unheimlich simpel an. In der Kurzbeschreibung bezeichne ich OlliOlli gerne als Demake der Tony-Hawk-Spiele. Es wirft den Ballast, der die Serie über die Jahre wie ein wachsender Tumor langsam tötete, über Bord und konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte. Als namenloser Skater rollt ihr auf eurem Board von links nach rechts und führt dabei einfache Tricks aus. Euer Ziel ist, das Ende eines jeden Levels zu erreichen, deren Länge immer unter einer Minute bleibt. Auf eurem Weg springt ihr über Hindernisse wie Treppen oder Mülltonnen und grindet auf allen Oberflächen, die sich euch anbieten. Auf den ersten Blick scheint OlliOlli ein recht einfacher Reaktionstest zu sein, bei dem ihr bloß einen Parkour überstehen müsst. Jedoch verfeinern kleine Zusätze das Gameplay zu einer ungewohnten Mischung.

Im Wesentlichen konzentriert sich die Steuerung auf zwei Elemente. Der linke Analogstick übernimmt die Tricks, deren Ausführung sich ein wenig an Skate orientiert. Für einen Olli zieht ihr den Stick kurz nach unten oder oben. Schon springt euer Skater in die Luft. Für kompliziertere Manöver benötigt ihr ebenfalls umfangreichere Daumenbewegungen, die meist aus Halb- oder Viertelkreisen bestehen. Kombiniert mit den Schultertasten offenbaren sich neue Möglichkeiten, die aber nur für höhere Punkte nötig sind. Deutlich wichtiger ist die Kreuz-Taste. Neben einem zusätzlichen Anschub für erhöhte Geschwindigkeit braucht ihr den Knopf bei Landungen. Kurz bevor ihr auf dem Boden aufkommt, drückt ihr sie, um nicht ins Straucheln zu geraten. Nur so kassiert ihr Punkte für eine Kombo und lauft nicht Gefahr, in das nächste Hindernis zu rasen.

Trotz minimalistischer Optik unterscheiden sich die fünf Welten stark.

Das gleiche Prinzip verfolgen die Grinds, auch sie vollführt ihr durch das Schieben des Analogsticks in eine beliebige Richtung. Eine zu frühe Reaktion endet in einem erheblichen Geschwindigkeitsverlust, der euch in späteren Leveln schnell einen Versuch kostet. Aber selbst wenn ihr dadurch nicht das Leben verliert, mindert es eure Freude. Denn in OlliOlli spielen der Flow und das vermittelte Gefühl von Leichtigkeit eine zentrale Rolle, unterstützt ganz besonders durch das Interface.

In perfekter Harmonie

Nach jedem ausgeführten Trick erscheint ein dicker Balken am unteren Bildschirmrand, der die Qualität des Tricks vermittelt. Nur bei einem perfekten Grind seht ihr einen grünen Kasten und nur bei einer perfekten Landung glüht euer Skateboard grün. Haltet ihr durch die Verbindung mehrerer Grinds eine besonders lange Kombo, erscheint hinter euch ein grüner Schleier, der sich später in eine Art Regenbogen verwandelt. Sogar die Musik möchte euch mit sehr ruhigen und langsamen Tönen in eine gewisse Trance versetzen. Passend dazu zieht am Horizont die Landschaft gemütlich an euch vorbei und erschafft eine melancholische Stimmung. Jedes Element arbeitet zusammen, um das Erlebnis von OlliOlli zu erschaffen. Vergleicht es mit Hotline Miami, das mit ähnlichen Methoden arbeitet, allerdings einen komplett anderen Zustand im Spieler hervorrufen möchte.

Haben sich eure Finger einmal an die etwas unkonventionelle Steuerung gewöhnt, bildet sie ebenfalls einen Teil dieser Erfahrung. Tricks mit Schwüngen auszuführen und anschließend die Richtung für einen Grind gedrückt zu halten, nur um das Ganze sofort zu wiederholen. Darin sehe ich den zentralen Grund, warum mich OlliOlli dermaßen in seinen Bann zog. Jede freie Minute verbrachte ich die letzten Tage mit dem Spiel und stellte mich immer schwierigeren Zielen.

In OlliOlli spielen der Flow und das vermittelte Gefühl von Leichtigkeit eine zentrale Rolle, unterstützt ganz besonders durch das Interface.

Ja, ihr könnt auch auf einem Dinosaurier grinden!

Zu Beginn wollte ich nur die 25 Level, aufgeteilt in fünf minimalistisch gestaltete Pixelwelten, durchspielen, an deren Ende euch stets eine jubelnde Menge begrüßt. Danach packte mich der Ehrgeiz und ich erledigte jedes der Bonusziele, die euch nicht nur mit simplen Highscore-Aufgaben beschäftigen. Manchmal dürft ihr für eine gewisse Strecke nicht springen, müsst das Ziel ohne einen zusätzlichen Anschub eurer Füße bewältigen oder auf bestimmten Objekten grinden. Anschließend schaltet ihr eine schwere Variante des Levels mit vollkommen neuen Missionen frei. Genau hier wurde mir mein Drang nach Vollständigkeit zum Verhängnis. Denn für manche Aufgaben musste ich den jeweiligen Level weit über Hundert Mal neu starten, bis endlich der perfekte Lauf folgte. Mehrmals setzte ich meine Vita auf den Tisch und konzentrierte mich auf etwas anderes, um zunächst die zu Beginn beschriebene Wut unter Kontrolle zu bringen.

Hello darkness, my old friend

Jeder kleinste Fehler kostet euch in OlliOlli das Leben. Berührt für einen Moment die Treppe vor euch oder prallt leicht gegen ein Hindernis, fliegt euer Charakter von seinem Skateboard, rollt mehrere Meter über den Boden und verliert begleitet von Bruchgeräuschen Teile seiner Klamotten. Schon seid ihr zurück am Start und dürft von vorne beginnen. Wer eine niedrige Frustgrenze besitzt und schnell seinen Controller in die Ecke schmeißt, sollte zum Schutz der Vita besser vom Kauf absehen. Für alle Masochisten und Idioten wie mich existiert jenseits der Pro-Challenges noch der Rad-Modus. Nur wer alle vorhergehenden Ziele erfüllt, darf sich von ihm quälen lassen. Hier verlangt man absolute Perfektion von euch. Im wahrsten Sinne des Wortes, da nur perfekte Grinds und Landungen zugelassen sind. Einmal zu früh den Stick bewegt oder die X-Taste gedrückt, schon jagt man euch zurück zum Anfang der Stage. Herzlich willkommen in der Hölle!

Wer eine niedrige Frustgrenze besitzt und schnell seinen Controller in die Ecke schmeißt, sollte zum Schutz der Vita besser vom Kauf absehen.

In jedem Gebiet lauern andere Gefahren und Hindernisse.

Leider hat OlliOlli auch ein paar Probleme. So kommt es in den Russland-Leveln häufig vor, dass euer Skateboard unter dem Asphalt auf dem Schnee landet. Beim nächsten Trick führt es dann zu einem sofortigen Sturz. Genauso frustrierend stellen sich kurze Plattformen in euren Weg, auf denen schnelle Sprünge erfolgen sollen. Ihr landet, bewegt sofort den Stick und trotzdem bleibt eure Figur am Boden kleben. Die Millisekunde zwischen dieser Erkenntnis und dem daraufhin unvermeidlichen Sturz streckt sich zu einem grauenhaften Moment, den ihr am liebsten mit einem Wurf der PlayStation Vita beenden wollt.

Ansonsten stört mich bloß die fehlende Existenz eines Endlos-Modus. Da sind die Daily-Challenges leider auch kein Ersatz. Jeden Tag steht euch hier ein neuer Hindernisparcours zur Verfügung, auf dem ihr einmal versuchen dürft, einen Highscore zu erreichen. Eine nette Idee, keine Frage. Doch befriedigt es nicht die Sucht nach einer schnellen Runde zwischendurch, nachdem alle anderen Aufgaben erledigt sind.

Zum ersten Mal seit Monaten darf mein 3DS nun wieder neidisch sein, da ich aktuell wegen OlliOlli ganz klar die PlayStation Vita bevorzuge. Sogar während ich diesen Test geschrieben habe, musste ich mehrmals danach greifen, um zumindest einen neuen Highscore zu setzen. Trotz meiner Freude kann ich leider nicht jedem zu einem Kauf raten. Ihr müsst zu einem bestimmten Spielertyp gehören, der sich gerne über eine halbe Stunde an einem Level festbeißt, bis jeder Sprung, jeder Trick und jede Landung perfekt sitzt. Euch muss die Jagd nach immer höheren Punkten motivieren und ein repetitives Spielsystem darf euch nicht abschrecken. Denn so genial OlliOlli auch sein mag, es besteht eigentlich nur aus dem Wechsel zwischen Sprüngen und Grinds. Doch gerade in seiner Simplifizierung des Genres liegt die Anziehungskraft verborgen. Und so sehr ich das Spiel manchmal anschreien und würgen möchte, so sehr muss ich mich doch zwingen, es wegzulegen.

9 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

OlliOlli

PS4, Xbox One, PS3, PlayStation Vita, Nintendo Wii U, PC, Mac, Nintendo 3DS

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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