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Quantum Break - Test

Die Wiedergeburt des FMV-Spiels…?

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Der übliche Remedy-Mix aus viel Shooter und Story mit mäßigen Hüpfereien und gelungenen Videosequenzen, die dann alles zusammenhalten.

Es ist definitiv ein Remedy-Spiel. Nach einer eher übersichtlichen Auswahl an Titeln, die das relativ kleine Studio - zumindest nach Triple-A-Maßstäben - in den letzten 20 Jahren auf die Beine stellte, sind damit ein paar Dinge recht gut definiert. Es ist ein Third-Person-Shooter. Es gibt sehr viel Handlung. Und vor allem: Es strebt zielsicher auf die Trennlinie zu, die einen guten von einem herausragenden Titel unterscheidet, stolpert dann über irgendwelchen Kleinkram und fällt kurz vor dieser Ziellinie über die eigenen Füße. Mit der Nasenspitze gerade noch drüber, aber so ganz war es das dann doch nicht. Max Payne hatte seine Macken, Alan Wake sicher auch und Quantum Break will da nicht die Ausnahme sein.

Was die Story angeht, ich bin mir auch nach diesem Auftritt nicht sicher, ob Sam Lake ein zu Unrecht verkanntes Genie ist oder ob ihm aus gutem Grund noch niemand einen Vertrag angeboten hat, eine Serie zu schreiben. Quantum Break ist eine Zeitreise-Story und hält sich auch brav an die meisten Klischees einer solchen. Die Handlung kreist um wenige Schlüssel-Orte und Personen, das Drama ist damit recht klar abgesteckt. Ich bin sicher, dass da das eine oder andere Logik-Löchlein ist, das sich nur mit Quanten-Magie wegdiskutieren lässt. Charaktermotivationen sind durchaus vorhanden und nachvollziehbar, hier gibt man sich wenig Blöße. Die Wege der Protagonisten sind ebenfalls relativ schlüssig und wenn ihre Wege sich kreuzen, entsteht die richtige Dynamik. All das ist mit meist - ein wichtiges Wort hier - erstaunlich sicherer Hand geschrieben und inszeniert und das gilt doppelt für die Einbindung der vier Unterbrechungen in Real-Film-Form.

An vier Stellen im Spiel müsst ihr euch zwischen zwei Wegen entscheiden, die einen relativ großen Einfluss auf die Videos haben und auch etwas auf das Spiel. (01:06)Auf YouTube ansehen

Ich gebe zu, als ich von dem ebenso aufwändigen wie vage beschriebenen Serienformat innerhalb des Spiels hörte, erwartete ich wenig mehr als überkandidelte Zwischensequenzen, in denen ein passionierter Story-Schreiber dorthin geht, wo Kojima längst sein sollte: bei einem mittelmäßig produzierten Serien-Hollywood-Format. In gewisser Weise stimmt das auch. Als reine Serie betrachtet liegt das Ganze in der heutigen High-End-Serien-Welt bestenfalls noch im qualitativen Mittelfeld. Das ist sehr ansehnlich, wenn man sich anguckt, wo das Format der US-Serie mittlerweile gelandet ist und dass man sich selbst dabei nicht verstecken muss, ist eine Leistung. Viel wichtiger als der hohe Aufwand und selbst die durchweg guten schauspielerischen Leistungen eines gekonnt gecasteten Teams ist jedoch, was diese Sequenzen zu erzählen haben.

Ich muss leider viel zu oft schreiben, dass das eine oder andere Spiel an einer unterentwickelten Nemesis leidet, dass man zwar alles über den Helden weiß, aber der Böse wie in den letzten fünf Minuten aus dem Ärmel geschüttelt wirkt. Nicht so hier. Dank dieser 80 Minuten an Realfilm pro Durchgang hat dieser seine Bühne und dass diese nicht interaktiv ist, geht völlig in Ordnung. Der Held kommt hier praktisch nicht vor. Es dreht sich um seinen Gegner, dessen Handlanger, aber auch die helfenden Hände des Guten. Das ganze Umfeld bekommt weit mehr Gewicht, weil eine Stimme aus dem Off, die euch an einer Stelle Türen öffnet mehr ist als das. Ihr habt ein Gesicht dazu, wisst, welche Rolle sie im Ganzen spielt und ihr hofft, dass sie ihre Ziele erreicht oder eben auch nicht. Ich war selten so involviert in einen Plot. Und zwar den Ganzen, mit all seinen Nebendarstellern.

Hier und da sind kleine Zeit-Puzzles wie dieses eingestreut, aber das Spiel erhebt sie nie zu einem größeren Element. Es fühlt sich so an, als hätte einer im Entwicklerteam mehr Ideen dafür gehabt, aber es wurde einfach nicht weiter ausgebaut.(00:24)Auf YouTube ansehen

Hier kommt auch ein hoher Teil des Wiederspielwertes her. Kein unwichtiger Punkt, bedenkt man, dass ich das viel zu einfache Quantum Break recht entspannt in unter acht Stunden auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade hinter mir hatte. Anschließend habt ihr eine Zeitleiste der Level und Ereignisse. Ihr könnt nun komplett von vorn starten oder gezielt vier Entscheidungspunkte herauspicken, an denen ihr zwischen zwei Handlungen auswählt. Ich habe hier erwartet, dass es kleine Abweichungen im Spielverlauf gibt und vielleicht ein, zwei Szenen in den jeweils 20 Minuten langen Episoden getauscht werden, dass es am Ende aber doch alles beim Gleichen bleibt. Ich sollte damit Recht haben und doch würde ich dem Film/Spiel Unrecht tun, wenn ich es dabei beließe.

Gerade im Spiel selbst ändert sich wirklich nicht viel. Es gibt keinen einzigen anderen Level. Die Rolle, die ein NPC hat wird von einem anderen Übernommen und an spielrelevanten Aktionen macht dieser Wechsel praktisch nichts aus. Inhaltlich ist es jedoch teilweise dramatisch. Nicht für den Helden, der macht sein Ding, seine Umwelt jedoch, die Rollen und Motivationen der anderen Figuren, können sich ausgehend von diesen vier Entscheidungen so massiv drehen, dass sich zwei Spieldurchgänge wirklich komplett anders anfühlen, selbst wenn ihr am Ende weitestgehend das gleiche Spiel gespielt haben. Wer lebt, wer stirbt, wessen Pläne werden durchkreuzt, was passiert um den Spieler herum, all das ändert sich teilweise dramatisch. Es sind nicht zwei Mal 80 Minuten, aber die 30, die abweichen, ändern eine ganze Menge. Und dieses Gefühl für das, was in der Umgebung dieses kleinen Kammerspiels mit drei Aufzügen - es sind nicht wirklich viele Orte in Quantum Break - ändert sich auch, sobald ihr wieder den Controller in die Hand nehmt.

Die Zeitblase ist extrem effektiv: Ihr friert einen Gegner ein, pumpt die Zeitblase voller Kugeln und wenn die Blase sich auflöst, schlagen alle Kugeln gleichzeitig ein.(00:37)Auf YouTube ansehen

Was uns zum eindeutigen Remedy-Teil meiner initialen Aussage bringt. Wo der Realfilm stilsicher das Terrain moderner Spy-Fiction abgrast, schwankt die Dramaturgie im Spiel mitunter dramatisch. Ist es in der einen Minute fast brillant und mit schlafwandlerischer Sicherheit in Sachen Inszenierung und Timing unterwegs, gibt es immer wieder Stellen, die genau wie das wirken, was sie sind: Eine Ausrede, noch einen Kampf unterzubringen. Es mag bei einem so kurzen Spiel eine seltsame Aussage sein, aber hier und da ein Schusswechsel weniger wären für innere Logik und Atmosphäre ein kleiner Gewinn gewesen. Es ist nie dramatisch und führt zu Erscheinungen wie ungläubigem Staunen, aber es ist genug, um eben doch an der Souveränität von Sam Lake als großer Geschichtenerzähler zu zweifeln.

Spielerisch ist es das gleiche Bild. Remedy kann Shoot-outs. Das haben sie wiederholt bewiesen, es war eine der Stärken von Max Payne und sicher keine Schwäche von Alan Wake. Was sie nicht können, ist den Helden so laufen zu lassen, dass er nicht so wirkt, als hätte er Probleme. Und was sie auch nicht können, sind spielerische Elemente zwischen Erzählung und Ballern. Solange eines dieser beiden Dinge passiert ist alles gut, aber nach Quantum Break ist man plötzlich dankbar für die zwar auf Schienen laufenden Wege eines Nathan Drake, der diese wenigstens nutzt, um wahnsinnig gut und abenteuerlich dabei auszusehen. Da kann man vergeben, dass es nicht gerade Super Mario ist, was da passiert. Quantum Break schafft es, auf komplett linearen Wegen sperrig und ungelenk zu sein, worst of both worlds, wenn ihr so wollt. Zum Glück gibt es nur wenige solche Passagen, die dann auch noch optisch so gekonnt dekoriert wurden, dass es nie zu schmerzhaft wird und man wenigstens was zu gucken hat.

Hüpfsequenzen waren noch nie die große Stärke von Remedy.(00:16)Auf YouTube ansehen

Dabei helfen auch die Zeit-Kräfte des Helden, der sich in der Logik der Handlung nicht schneller bewegt, als er es eigentlich können sollte, sondern den Fluss der Zeit stoppen kann. So kann er Sprintstrecken zurücklegen, bevor seine Feinde reagieren, und geht nach dem kurzen Sprint für ein paar Sekunden in einen Zeitlupenmodus, um zu zielen. Die genaue Funktionsweise der „Zeit-Bombe", dem Äquivalent der Handgranate in diesem Spiel, ist etwas unklar, aber sie funktioniert. Außerdem lässt sich in einem Bereich entweder um den Spieler herum die Zeit stoppen, was er als Schild nutzt oder er friert so auf Distanz Feinde ein. Gerade letzteres ist besonders effektiv, wenn man dann auch noch 20 Kugeln in diese Zeitblase schickt, die dann alle in derselben Sekunde weiterfliegen, sobald die Zeit wieder normal läuft und gewaltigen Schaden anrichten.

Diese Tricks sind es auch, die jeden Kampf zu einem kleinen cineastischen Hong-Kong-Action-Flick machen. Ihr saust herum, friert Feinde ein, jagt Kugeln hinterher und beschleunigt wieder, alles komplett mit eingefrorenen Schüssen, die in der Luft hängen und dank netter Ragdolls herumfliegenden Körpern. Ein guter Kampf in Quantum Break wirkt wie der aufwändig choreografierte feuchte Traum eins John-Woo-Fanboys. Gut, dass sich diese Zeit-Tricks auch so gut spielen. Ihr müsst nie überlegen, was jetzt wie zu nutzen ist, es geht nach ein paar Versuchen in Fleisch und Blut über und die größtenteils intelligente Belegung des Pads sorgt für den Rest. Das ist Action, wie sie sein muss. Remedy von seiner besten Seite.

Die Zeit-Fertigkeiten geben euch klare Vorteile gegenüber regulären Feinden.(00:37)Auf YouTube ansehen

Und dann ist da der "normale" Kampf. Euer Held hat keine Taste zum Rennen, er geht mehr oder weniger automatisch in Deckung, es wirkt alles viel ungelenker. Das ist zum Teil auch Konzept. Ihr sollt nicht Deckung bleiben und die Feinde holen euch auch schnell aus einer solchen hervor, solltet ihr es versuchen. Aber es ist so tranig halbherzig, dass die zum Glück nur sehr wenigen Momente, in denen ihr eurer Kräfte beraubt seid, im Vergleich zu dem restlichen wohlinszenierten Action-Ballett fast wie ein anderes Spiel scheinen.

Das größere Problem ist die Abwechslung. Es gibt wiederum Remedy-typisch nur sehr wenige Gegner-Typen. Einfache Soldaten, schwere Soldaten, Soldaten in Zeit-Schutzanzügen, die auch einige eurer Kräfte haben und einen gepanzerten Soldaten, der sich nur von hinten angreifen lässt. Das war es dann auch schon so ziemlich. Dazu kommt eine sehr übersichtliche Waffenauswahl, vielleicht ein halbes Dutzend im ganzen Spiel, wobei es sich wie eine vertane Chance anfühlt, dass keine einzige experimentelle Sci-Fi-Waffe dabei ist, obwohl das inhaltlich hier nicht mal ein Problem gewesen wäre. Man muss es aber Quantum Break hoch anrechnen, dass trotz dieses Mangels an Abwechslung bei zwei Shooter-Kernelementen die mitreißende Dynamik der Zeit-Tricks so gut funktioniert, dass ihr erst nach den zwei Durchgängen wirklich davon gelangweilt sein solltet. Bei Alan Wake und auch Max Payne ging das deutlich schneller.

Zum Ende des Spiels hin beginnen sich Raum und Zeit aufzulösen, mit ein paar unerwarteten Resultaten.(00:18)Auf YouTube ansehen

Problematischer ist auf jeden Fall der Schwierigkeitsgrad. Wie schon gesagt, auf Normal bin ich als Shooter-Spieler im oberen Mittelfeld vielleicht drei Mal vor dem letzten Bosskampf gestorben, der dann wiederum versuchte alles rumzureißen und zehn eher frustrierende als gelungene Anläufe dauerte. Gute Balance ist etwas Anderes, aber so oder so: Spielt es auf Hart, wenn ihr etwas länger was davon haben möchtet. Aber ich muss auch zugeben: Mit den Superkräften um die Gegner herumzuhuschen und praktisch unbesiegbar zu sein, fühlt sich dank der Inszenierung schon extrem cool an. Für ein Weilchen zumindest...

Was diese Inszenierung angeht: Ich hatte nur die Xbox-One-Version für den Test und ich gehe mal davon aus, dass die PC-Version relativ Ähnliches zeigen dürfte, nur höher aufgelöst und mit weniger V-Sync-Problemen in den Zwischensequenzen. Es ist ein Spiel, bei dem man merkt, dass es lange in der Entwicklung war. Sieht eine Szene absolut hinreißend aus und strotzt nur so vor Partikel- und Lichteffekten, zeigt eine andere wiederum Texturen, die nicht erst gestern gemacht wurden, sondern wohl als Assets schon ein wenig länger abgehangen waren. Ist halt nicht wie bei Wein oder Dry Aged Beef, wird nicht besser mit der Zeit. Trotzdem, als Gesamtes betrachtet ist Quantum Break einfach schick. Wenn die Kugel in der Zeit einfrieren oder Gegner direkt aus der Bewegung herausgerissen werden und sich von herumhuschenden Typen in Teile der Szenerie verwandeln oder Brücken und Schiffe während ihrer kompletten Zerstörung immer wieder innehalten, dann entfaltet das Spiel seinen ganz eigenen visuellen Charme. Es ist am Ende des Tages vielleicht nicht die High-End-Tech-Demo, aber auf jeden Fall ein Hingucker.

Eine Warnung an alle, die nicht die schnellste Internet-Leitung haben: Spiel und Videos zusammen haben ungefähr 130 Gigabyte, wobei etwa 50 auf das Spiel entfallen. Die Videos müssen nicht heruntergeladen werden, es gibt aber die Option - falls jemand mit einer lahmen Leitung einen Freund mit einer schnellen Leitung hat, sollte er auf jeden Fall einen Besuch bei diesem einplanen. Das Streaming funktionierte in einem notorisch überschalteten Berliner Mitte-Altbau mit einer eher theoretisch auf 16000 laufenden Leitung ohne jedes Problem, ihr müsst also keine absolute Power-Leitung haben, um euch den Download zu ersparen. Ich weiß leider nicht, ob die Videos auf der Disc liegen - oder vielmehr Discs, es müssten dann ja mindestens zwei und eher drei sein - da mir nur die Download-Version vorliegt.

Eines der visuell spannendsten Elemente sind die in der in der Zeit eingefrorenen Passagen wie diese gerade erst geplatzte Party.(00:45)Auf YouTube ansehen

Quantum Break fühlt sich in gewisser Weise wie ein Spiel aus der letzten Hardware-Generation an. Nicht technisch, auf keinen Fall, sondern in seiner Konzeption. Die meisten modernen großen Spiele wollen alles auf einmal sein, dazu mit Koop, ein paar Rollenspielelementen, weil das immer geht, Crafting und sonst was. Da ist ein relativ kurzes, auf seine Geschichte und seine Shoot-Outs fixiertes Solo-Spielvergnügen schon fast ein wenig retro. Ein sehr unterhaltsamer Action-Adventure-Shooter, der viel Wert auf die Inszenierung seiner Kämpfe legt, viel mehr als auf komplexe Waffensysteme oder (leider) Gegnervielfalt. Ein paar eingestreute Hüpfereien hier und da und vor allem viel zu erzählen. Nein, Remedy hat seine Formel für die neue Hardware nicht aufgefrischt.

Dass es bei all diesen kleineren und auch ein paar größeren Verfehlungen so gut funktioniert, liegt an den Realfilm-Sequenzen. Sie geben der Handlung erst die Charaktere. Sicher, die diesmal sehr umfangreichen und inhaltlich wertvollen Sammelgegenstände helfen, aber ohne die vier Pausen im Spiel, die die Figuren um euch herum mit Leben füllen, würde es nicht so gut funktionieren. Außerdem kann man sich dann auch nicht mehr groß über die eher kurze Spielzeit beklagen, denn für zwei Runden, die unterschiedlich genug sind, ist Quantum Break auf jeden Fall zu haben. Es ist etwas Eigenes, das wohl kaum eine neue Welle an FMV-Spielen auflösen dürfte, aber Remedy hat es geschafft, dass es hier funktioniert. Vielleicht ist es auch endlich das Sprungbrett für Sam Lake in die Film- und Serienwelt, wer weiß.

Also, nicht das innovativste Spieldesign, aber die einzelnen Teile, selbst die schwächeren, passen gut zusammen. Am Ende bleibt eine Spielerfahrung, der es nicht ganz gelingt, in den großen Fußstapfen von Max Payne und Alan Wake zu folgen, aber sowohl zu Remedy passt als auch sehr erlebenswert ist.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Quantum Break

Xbox One, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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