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Atelier Iris 2 - The Azoth of Destiny

Himmlisches Eden? Eher mittelmäßig.

Die ersten Szenen flackern über den Schirm, comicähnliche Bilder strömen auf mich ein. Es ist, als würde ein Manga versuchen, mich in sich aufzusaugen. Doch warum werfen die possierlichen Figürchen auf der Mattscheibe mit englischen Phrasen um sich? Oh, unsere neuen Spielgefährten sprechen nicht unsere Sprache. Ich rümpfe die Nase und rufe im Menü die Optionen auf. Tatsächlich erweist sich die Sprachauswahl als wenig flexibel: Im Angebot stehen ausschließlich Englisch und Japanisch. Letzteres esse ich gerne, verstehe es aber nicht Das geht ja gut los. Aber, alles meckern nutzt ja nichts. Es bleibt also nur der Biss in den saueren Apfel und das Herauskramen der alten Englischvokabeln: “Let the game begin!“

Eden im Farbrausch

Die Grafik mag zwar niedlich sein, lenken aber nicht von den teilweise verwischten Hintergründen ab.

Die zwei Hauptprotagonisten hören auf die Namen Viese und Felt Blanchimont. Beide sind Waisen, die gemeinsam in Eden – dem sprichwörtlichen Paradies auf Erden - leben und unterschiedlicher kaum sein könnten. Viese, eine junge Lady, der man gerade den Titel des Alchemisten verlieh, ist strebsam und bedacht. Felt, ein sympathischer Wirbelwind, liebt hingegen das Abenteuer. Eigentlich ist alles wunderbar. Aber nur eigentlich. Denn in der Friede-Freude-Eierkuchen-Welt bricht plötzlich ein Erdbeben aus und reißt das Land auseinander. Eden scheint nach und nach zu verschwinden. Und wer, wenn nicht Feld und Wiese, äh, ich meine natürlich Felt und Viese, können letztendlich die Rettungsaktion der Heimat in Angriff nehmen? Also macht sich Felt, dem es zuvor noch gelingt, das sagenumwobene Schwert von Azoth aus einem Stein zu ziehen, frisch bewaffnet auf den Weg ins Ungewisse. Er durchschreitet das Tor nach Belkhyde und stürzt sich wagemutig ins Abenteuer. Viese, die in ihrer Heimat von Nöten ist, bleibt zurück und hilft Felt fortan durch ihre Alchemie-Kunst. In der so genannten Gegenstandsynthese kreiert sie aus verschiedenen Materialien neue Dinge, die Felt bei seinen Kämpfen unterstützen und stärken. Durch einen Ring, den sowohl Felt als auch Viese tragen, tauschen die zwei Helden Gegenstände aus und führen Gespräche.

Der Spieler springt im Verlauf von einem Charakter zum anderen und darf mal mit Felt in die Welt ziehen oder mit Viese durch die Shops rennen und neue, farbenfrohe Objekte erschaffen. Apropos bunt. Das Japaner bunte Farbtöne lieben, ist ja allgemein bekannt. Auch hier erstrahlen überall die unterschiedlichsten Schattierungen, die problemlos einen 2-D-Farbflash verursachen. Vielleicht sollte man die Asiaten aber mal auf die alte Weisheit „Weniger ist manchmal mehr“ hinweisen. Denn für so manchen Geschmack ist es einfach zu viel des Guten.

Jede Menge Quasselwasser

Im Mischmenü bastelt Ihr neue Tränke und andere Stärkungen zusammen.

Das Gameplay erweist sich ähnlich zweischneidig wie das Schwert, das Felt von nun an beharrlich mit sich herumschleppt. Die von den potentiellen Heimatrettern zu bestreitenden Aufgaben (suchen, finden, kämpfen, brauen etc.) spielen sich durchaus nett und bieten eine solide Basis für ein gutes Rollenspiel. Gleichzeitig hat man jedoch den Eindruck, dass viel zu wenig passiert und dafür viel zu viel gequatscht wird. So jagt ein Dialog den nächsten, wobei es sich oft nur um den Austausch von absolut unwichtigen Floskeln handelt. Dies ist bedauerlich, denn im Prinzip verfügen die beiden Protagonisten über eine gute Priese Situationskomik – wenn man ihnen dann überhaupt noch zuhört.

Generell erweist sich die akustische Ebene als gewöhnungsbedürftig. Es ist nicht so, dass die Japaner es nicht verstehen, Musik zu machen. Ganz im Gegenteil. Wie der Longplayer - der dem Game als kostenloser Bonus beiliegt - beweist, kann sich die musikalische Untermalung durchaus hören lassen. Trotzdem wirkt sie ein wenig fremdartig – zumindest fürs europäische Ohr.

Dröge Gefechte

Der Aura Strike ist einer von Felts wirkungsvollen Angriffen.

In Belkhyde eingetroffen, erkennt Felt, dass die Welt außerhalb Edens alles andere als farbenfroh und gemütlich ist. Sie ist sogar ziemlich gefährlich. Kaum hat Felt sich einmal um die eigene Achse gedreht, fordert ihn ein Armadillo, eine Form von Gürteltier, direkt zum Kampf auf. Und so geht es dann ständig weiter. Ein Zufallsduell gibt dem Nächsten die Klinke in die Hand. Wobei die Bezeichnung Duell beinahe übertrieben ist. Echte Kampfstimmung will bei den Auseinandersetzungen nur schwer aufkommen. Die Gefechte laufen – wie auch schon im Vorgänger – rundenbasiert ab. Eine Zugfolge-Leiste (ATCB-Bar) am oberen Bildschirmrand zeigt an, in welcher Reihenfolge die Teilnehmer ihre Attacken einsetzen. Die Figuren rechts in der Leiste kämpfen zuerst. Mit Felt wählt Ihr zunächst zwischen simplen Kampfbefehlen aus. Durch die Charge Attack greift er sein Gegenüber an, der Break Attack dagegen unterbricht die Zugfolge kurzerhand. Darüber hinaus kann Felt auch in die Verteidigungsposition gehen oder – je nach Situation – vor dem Gegner fliehen. Später im Spiel gibt’s dann noch besondere Techniken. Welche Strategie wann am sinnvollsten ist, bleibt allerdings weiterhin ein Rätsel. So wirken die Kämpfe wie das Resultat einer willkürlich gewählten Tastenreihenfolge, bei der Felt und seine maximal zwei Mitstreiter durchaus Federn lassen, aber letztendlich als Sieger hervorgehen.

Nach einigen Stunden Spielzeit beschleicht einen langsam aber sicher das Gefühl, dass die meisten Kämpfe und die Synthesen nur ein Abklatsch dessen sind, was man vor fünf Minuten gerade erfolgreich gemeistert hat. Weiß man erst einmal, wie der Hase läuft – begonnen bei der Menüsteuerung und endend bei den Kämpfen – erwartet den Spieler keine wirkliche Herausforderung mehr. Die Abläufe des Spiels werden immer mechanischer. Felt wandert monoton durch die Szenarien. Er sammelt Gegenstände ein, führt das 10.000 Gespräch und wählt im Kampf zwischen einem Charge und einem Break Attack. Viese verweilt weiterhin in Eden und braut an ihrem Kessel Rezept um Rezept, stets nach dem selben Verfahren. Ein aufregendes Gameplay definiert sich anders.

Atelier Iris 2 ist wie Sushi: mit Liebe fürs Detail erschaffen, Stück für Stück ein kleiner Genuss, doch zugleich merkwürdig und nicht jedermann's Geschmack. Felt und Viese sind durchaus Sympathieträger, die sich in einer guten Kulisse bewegen. Doch leider lässt das Spiel einen Faktor vermissen, der den entscheidenden Unterschied zwischen Durchschnitt und Topgame macht: Es fesselt den Spieler nicht vor den Bildschirm. Und genau das sollte ein wirklich gutes Rollenspiel zu 100% erfüllen.

6 / 10

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Über den Autor

Sabrina J. K. Lange

Contributor

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