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Splinter Cell: Double Agent

Double Agent, Triple Probleme!

Ich bin immer noch baff. Nicht zwangsläufig wegen der vielen, vielen wahnsinnig teuren Geschenke die mir meine Eltern (und Schwiegereltern in spe) über die Feiertage kredenzt haben, sondern über den Verlauf meines kleinen Experimentes. Während des Heimatbesuches bei meinen Erzeugern stellte ich diesen (beide Mitte fünfzig, rüstig) meinen Wii neben den Wohnzimmer-Fernseher.

Und siehe: Statt der traditionellen, heiligabendlichen Partie „Mau Mau“ haben wir den ganzen Abend mit Wii Sports virtuell gebowlt und uns beim Tennis die Fernbedienungen um die rot glühenden Lauscher gehauen. Und dabei sind meine Eltern weder sportlich, noch haben sie jemals auch nur irgendein Interesse an meinem digitalen Hobby gezeigt. Wii baut also tatsächlich Berührungsängste ab. Kein Wunder, dampft es doch die oft so abschreckende und mächtige Instanz des Steuerungsinterfaces auf natürliche, selbstverständliche Bewegungen zusammen.

Zugzwang

Diese Momente werden einfach niemals alt.

Bei Spielen, die mehr als nur unterschiedliche Schlagbewegungen oder das Anvisieren bestimmter Bildschirmzonen verlangen, stehen nun die Entwickler in der Pflicht. Nintendo selbst hat ja mit Twilight Princess schon bewiesen, dass die Wii Steuereinheiten althergebrachten Spielkonzepten absolut nicht im Wege stehen müssen. Aber hey: wem sonst, wenn nicht BigN, hätte man dies zugetraut? Ubisoft möchte nun nachziehen und seinen randvollen Katalog abendfüllender, komplexer Thriller neue Facetten verleihen.

Schon irgendwie ironisch, dass ausgerechnet Chefschleicher Sam Fisher mit seinem ersten, vorsichtigen Schritt auf der neuen Nintendo-Plattform laut polternd auf die Nase fällt.

Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass von Splinter Cell: Double Agent zwei verschiedene Versionen erschienen sind. Als Grundlage für den Wii-Undercovereinsatz diente die PS2-Fassung des Spiels. Diese ist optisch zwar alles andere als spektakulär ausgefallen, punktete bei Fans der Reihe aber vor allem durch traditionelle, weil dunklere Level und eine nachvollziehbarere Narrative – zwei Punkte die nicht wenige Serienveteranen an der 360-Variante monierten. Story und Hintergrund teilen aber beide Episoden, weshalb ich bei grundlegenden Fragen zu Splinter Cell: Double Agent auf unseren Testbericht verweise.

Kompromissbereitschaft als Tugend

Der Kollege vermisst offensichtlich ein Stück Seife.

The Legend of Zelda: Twilight Princess funktioniert vor allem deshalb so gut, weil Nintendo auf Seiten der Steuerung genau die richtigen Kompromisse einging. Eine Bereitschaft, die Ubisoft dieses Mal zu fehlen schien: Stattdessen versuchte man, der passablen PlayStation 2-Version eine Wii-Fernbedienung plus Nunchuck-Steuerung auf den Leib zu schneidern – und natürlich sollten alle Funktionen der Bewegungssensorik zum Einsatz kommen.

Das hat den Zuständigen offensichtlich einige Kopfschmerzen bereitet. Double Agent ist zwar auch in der Last-Gen Version ein wirklich gutes Splinter Cell – die Wii-Fassung macht sich allerdings selbst unnötig das Leben schwer. Das fängt wie so vieles bei kleinen Dingen an. Wenn ein Hochreißen des Nunchucks Agent Fisher springen lässt, ist das zwar ein praktikabler Weg, die Wii-eigene Button-Armut zu umschiffen, einen spielerischen Mehrwert erzielt man dadurch aber nicht. Noch abstruser gelöst ist das Anlehnen an die Wand. Ebenso wie für das Wechseln der Schulter über die Ihr zielt, müsst Ihr hierzu das Nunchuck seitlich in die gewünschte Richtung kippen. Dass eine solche Bewegung den meisten Leuten auch schon mal unbewusst passiert, ist dabei das geringste Problem. Diese Gesten erinnern einfach nur entfernt an die entsprechende Aktion – Intuitivität: Fehlanzeige! Darüber hinaus hat sich bei der Gestenerkennung eine Verzögerung zwischen Befehl und Umsetzung eingeschlichen. Diese ist zwar sehr kurz, dennoch fühle ich mich in diesen Momenten nicht mehr wie Sam Fisher, Superagent, sondern wie ein kleiner Mann im Ohr, der ihm sagt, wann er sich an eine Wand anschmiegen soll.

Ansichtssache

Vertrauen ist gut: Verderbt es Euch nicht mit Euren Auftraggebern.

Während der Infiltration der gefährlichen John Brown Army („JBA“) unterliegt Sams Blickrichtung nach wie vor voll und ganz Eurer Kontrolle. Und ich wünschte es wäre nicht so, denn anstatt Euch auf Eure Aufgabe konzentrieren zu können, spielt Ihr ständig gegen die Kamera. In Ermangelung eines zweiten Analogsticks lenkt Ihr einen pfeilförmigen Cursor mit der Wii-Fernbedienung über den Screen. Dieser zieht das Blickfeld sozusagen hinter sich her, sobald er die großzügig bemessene tote Zone in der Bildschirmmitte verlässt. Was mir zunächst auf dem Papier wie die logischste aller Steuerungsvarianten vorkam, sorgt nicht erst nach einer Weile für genau die verkrampfte Handhabe, die hartnäckige Wii-Kritiker schon lange vor dem Launch der Konsole immer wieder beschworen. Ich war wirklich überrascht, wie sehr sich diese vermeintlich Intuitive Designentscheidung zwischen Spieler und Sam Fisher stellt.

Noch schlimmer wird es, wenn Ihr Eure Schießeisen sprechen lasst: Wer mit simplem und direktem Point and Shoot per Wii-FB gerechnet hatte, darf sich auf eine bittere Enttäuschung einstellen - stattdessen zerrt Ihr den Lauf Eurer Waffe ebenfalls mit einem Cursor über den Screen. Die tote Zone ist hierbei allerdings deutlich kleiner, was genaues Zielen zu einer verflixt fummeligen Angelegenheit macht. Mit diesen Marotten arrangiert man sich zwar im Laufe der zehnstündigen Solo-Kampagne, dennoch bemerkt man an jeder Ecke, wie viel eingängiger sich der Titel doch mit dem Joypad steuern ließe.

Optisch erwartet Euch normales PS2 Niveau. Das ist zwar eine ziemliche Enttäuschung – da man von einem neuen Stück Hardware zumindest Xbox-Qualität erwartet hätte –, aber trotzdem noch Ok anzuschauen. Etwas farbarm und verwaschen würde ich Double Agent aber natürlich deutlich unterhalb von Krachern wie God of War einordnen. Mit letzterem hat die Wii-Version zumindest den fehlenden Online-Modus gemein – auch wenn der bei Sonys Sandalen-Epos ohnehin nie zur Debatte stand. Immerhin freuen sich gesellige Spione über einen – mit zwölf Missionen großzügig bemessenen – Co-Op-Splitscreen-Modus. Oder auch nicht, die Grafik wird im geteilten Bildschirm schließlich auch nicht besser.

Natürlich steckt trotz allem eine Menge Splinter Cell im Wii-Doppelagenten. Die Schauplätze (Asien, Afrika und USA) sind recht ansprechend gewählt, Manöver und Gadgets nach wie vor an Coolness kaum zu überbieten und die Story wusste mich das erste Mal in der Seriengeschichte tatsächlich zu interessieren. Es ist nur die mit Abstand schwächste Version. Denn in mehr als nur einer Hinsicht ist Double Agent das genaue Gegenteil von dem geworden, was Nintendo mit dem Wii vorhat. Die Steuerung sollte einfacher werden, selbstverständlicher und im Optimalfall ein Spiel im Alleingang interessant machen. Splinter Cell hingegen, mit seinem ohnehin schon voll belegten Kontrollschema, ist soeben noch sperriger geworden. Anstatt den Spieler weiter mit der Bildschirmaction zu verschmelzen wird er mehr und mehr davon entfremdet.

Und wenn ich das nicht will und Ihr das nicht wollt – wer dann?

Wii-Besitzer mit Stealth-Hunger halten besser nach der ebenfalls lauffähigen Gamecube-Fassung Ausschau!

5 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Tom Clancy's Splinter Cell: Double Agent

PS3, Xbox 360, Nintendo GameCube, PS2, Nintendo Wii, Xbox, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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