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Valkyrie Profile 2: Silmeria

Sprung der Walküren

Szene 1, Akt 1: Die Entwickler von tri-Ace stellen dem Vorstand ihres Publishers Square Enix ein neues Konzept vor.

Designer: „Wir hätten da was…Ein Rollenspiel mit nordischer Mythologie.“
Vorstand: „Klingt gut, Final Fantasy-Style verkauft sich immer, ein bisschen Mystik dabei, weitermachen.“
Designer: „Wir wollen aber die Bewegung in der Oberwelt als Sidescroller mit Jump´n´Run – Action - Elementen und ein richtig innovatives 3D-Kampfsystem, wie es so noch nicht da war.“
Vorstand: „…“
Designer: „Und wir haben keine Ahnung, ob das ein Erfolg werden kann.“
Vorstand: „…“
Designer: „Nun?“
Vorstand: „…na gut, versuchen wir es.“

Mutig.

Nun, ein bisschen Mut muss man für ein solches Projekt auch mitbringen, schließlich herrscht auf der PlayStation 2 ja nicht gerade einen Mangel an Rollenspielen. Das Feld ist gut und auch hochkarätig besetzt, jeder Plot geschrieben und jedes Spielsystem schon dagewesen. Jedes Spielsystem? Nicht ganz, ein paar neue Ideen hatte tri-Ace für sein Fantasyrollenspiel Valkyrie Profile 2: Silmeria dann doch noch in petto.

Wo steht zum Beispiel in Stein gemeißelt, dass jedes Rollenspiel heutzutage aus der '3D halb von schräg oben frei drehbar'-Perspektive zu sehen sein muss? Wieso habe ich grundsätzlich über eine eher langweilige Oberwelt zu laufen, in der nichts zu tun ist? Wer hat über die offensichtliche Tatsache entschieden, Kämpfe in Runden oder mit Action, aber fast nie beidem, zu servieren?

Valkyrie, thematisch in der nordischen Sagenwelt Midgard angesiedelt, wirft vieles über Bord, was sich als feste Größe im Genre etabliert hat. Zunächst einmal werdet Ihr auf festen Wegen durch traumhaft schöne Bilder geschickt, die nicht frei begehbar sind. Warum sollte das schlecht sein? Spielt es denn wirklich eine Rolle? Genau genommen hat die durchschnittliche Stadt des Fantasygenres zwei Läden, eine Schänke und ca. zehn Personen für den Small Talk. Diese Elemente findet Ihr auch in Valkyrie, nur dass sich halt der Sichtwinkel ein wenig verschoben hat und die Wege bequemer sind.

Atmosphärische Architektur ist eines der Markenzeichen von Valkyrie Profile 2.

Ebenfalls sehr angenehm fällt der Verzicht auf eine frei begehbare Weltkarte auf. Es mag jetzt seltsam, gar nach Ketzerei klingen, dass ich hier den Verzicht auf Freiheit lobe, nur meist ist auf so einer Karte halt nichts zu tun, außer auf langen und öden Wegen zu marschieren. Valkyrie bietet eine große Landkarte, auf der alle interessanten Punkte direkt anzuspringen sind und das ganz ohne den üblichen Leerlauf.

Davon werdet Ihr hier sowieso kaum etwas finden und schon gar nicht in einem der zahlreichen Dungeons. Die Gegner verseuchten Areale Midgards präsentieren sich ebenfalls von der Seite und nutzen dies für einen Spielablauf, der sich am besten mit 'Action-Adventure-Roleplaying' umschreiben lässt. Die Hauptfigur Alicia springt und rennt in bester Castlevania-Manier durch die meist dunklen Katakomben, nur auf die Jump´n´Run-Kampfelemente hat man in Valkyrie Profile 2 zum Glück verzichtet.

Das wäre wohl auch zu weit gegangen. Stattdessen gibt es zahlreiche Rätsel- und Geschicklichkeitseinlagen, die den Spieler allerdings nicht immer positiv fordern. Die Steuerung wurde offensichtlich von einem Team gestaltet, dass zwar viel Erfahrung in der Auswahl von Menüpunkten hat, jedoch noch nie ein echtes Actionspiel designte. Bei aller Freude über den Versuch an sich, kann ich mich nicht dafür begeistern, mitunter 20 Minuten damit zu verbringen, Alicia einen bestimmten Feldvorsprung erklimmen zu lassen.

Natürlich ist es Fantasykitsch. Aber wenigstens ist es schöner Fantasykitsch.

Von Zeit zu Zeit allerdings wird man für diese Mühe entschädigt und zwar in Form der wohl schönsten Bilder, zu der diese Konsole in der Lage ist. Die vorgerenderte Seitenansicht befreit sich von den Zwängen der schwachbrüstigen 3D-Hardware und zeigt Örtlichkeiten, die so gelungen sind, dass ich mich öfter dabei ertappte, einfach durch die Plätze zu streifen und die gebotene Pracht zu genießen. Die teilweise etwas einfallslosen Dungeondesigns sollen dabei gar nicht verschwiegen werden, aber selbst hier tritt mitunter der Fall ein, dass Ihr zum Hochleveln anmarschiert, jedoch für die Aussicht bleibt.

Es wäre auch eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Komponisten Motoi Sakuraba, seinen schlicht genialen Soundtrack dabei einfach zu übergehen. Melancholisch, wenn es passt, dramatisch, wenn es sein muss, treibend in den Kämpfen, immer flexibel und sehr melodisch. Es wird selten vorkommen, dass ich Euch einen Spielesoundtrack wirklich ans Herz lege, aber dies ist einer der raren Momente, nicht zuletzt, weil er für europäische Ohren wesentlich eingängiger ist als zum Beispiel die Final-Fantasy-Pedants.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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