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Risen 3: Titan Lords - Test

Aus der Zeit gefallen und doch ganz gefällig.

Es sollte zurück zu den Wurzeln gehen, aber es weiß nicht mehr, was diese eigentlich waren. Ein schwaches Finale einer schwachen Trilogie.

Die Welt von Risen 3 ist eine, die auseinanderbricht, schon in Trümmern liegt, in der sich die letzten Überlebenden an alte Größe klammern und sich gegen den Untergang stemmen, wohl wissend, dass es unvermeidlich ist, weil sich die Welt weiterdrehte und eine neue Ordnung herrscht.

Und wenn ich wollte, könnte ich mir kein besseres Bild für Piranha Bytes' Herangehensweise an ein Rollenspiel ausdenken als das, was ihre eigene Spielwelt zeichnet. Risen 3 ist hoffnungslos rückständig, ein Relikt, aus der Zeit gefallen und auch wenn der Putz auf der Oberfläche etwas frischer sein mag, ist es das Spielwelt-Äquivalent zu einer ehemals blühenden Hochkultur, die bereits in den letzten Zügen liegt.

Ihr wandert durch das halbe Dutzend Südseeinseln, die zwar ständig erzählen, es gebe dort eine Kultur, sogar mehrere davon, mit lebendigen Bevölkerungen. Aber alles, was man sieht, sind höchstens ein halbes Dutzend Stellvertreter, die in Personalunion Händler, Ausbilder und Auftraggeber spielen. Der Rest dazwischen ist das übliche Land voller Monster und Gefahren, in dem man sich fragt, wie ein normaler Bewohner nur den Weg zwischen Bauernhof und Kneipe auch nur einmal lebend überwinden konnte. Fraktionen sind keine aktiv handelnden Gruppen mit eigener Agenda, es sind Ansammlungen mit Problemchen. Wenn ihr im Laufe des Spiels eine davon wählen sollt, wählt ihr keine Ausrichtung einer Idee innerhalb der Spielwelt, ihr wählt einen Kampfbonus und wessen drei Extraprobleme ihr bewältigen möchtet.

Die größte Stärke von Risen 3: die wunderschön entworfenen Landschaften.

Das ist in vielerlei Hinsicht Spät-90er-Rollenspiel. Gothic startete so und es war vielleicht nicht bahnbrechend, aber seiner Zeit voraus, damals komplex und etwas Neues, das bis heute in den Köpfen der Spieler nachhallt und daher diese Begeisterung rühren lässt, mit der dieser Name - zumindest in Bezug auf die ersten beiden Teile - gehaucht wird. Ich frage mich, wie es wohl wäre, wenn damals zuerst Risen erschienen wäre und dann als zweite Serie Gothic. Würden sie heute sagen "Oh, damals mit Risen war es alles noch besser"? Sei es, wie es sei, die Spieler und die Spiele haben sich weiterentwickelt, nicht der Ansatz, wie ein Rollenspiel von Piranha Bytes funktioniert.

Das hat auch echte Vorteile. Eine so offene Quest-Sammlung findet man selten. Selbst ein Skyrim möchte, dass ihr eine Quest bei einem bestimmten Punkt startet. Hier reicht es, wenn ihr jemanden in der Mitte einer solchen kleinen Geschichte findet. Auch diese Person hat Probleme und sie erzählt sie euch so, dass ihr von hier die Geschichte verfolgt, statt euch zum eigentlichen Ausgangspunkt zu schicken. Ich hatte sogar Quests, über deren Lösung ich stolperte und bei denen ich später erst Leute fand, die mit diesen Dingen ein Problem hatten. Ich konnte ihnen dann noch sagen, dass sie sich nun keine Gedanken mehr machen müssen, dass alles gut war, und sie waren immer noch so nett, mir die Belohnung zu geben. Einmal hatte ich zwar auch das Problem, dass ich die Leiche vor dem Mord fand, und das brachte das Script ein wenig aus der Bahn, aber das Spiel war gut genug entworfen, diese Quest an einem gewissen Punkt einfach abzubrechen, statt es in eine Sackgasse des Quest-Stopper-Todes zu führen.

Ihr wandert durch die Welt, erkundet sie, werdet feststellen, dass es überall ein paar Sachen zu finden gibt. Mal eine kleine Belohnung, mal eine kleine Quest, mal auch einfach nur einen netten Ausblick. Von all dem gibt es nun mehr als zuvor und die einzige große Bremse des Enthusiasmus dabei ist, dass ihr vieles bereits kennt, wenn ihr den zweiten Teil gespielt habt. Mindestens drei große Bereiche wurden zwar ein wenig erweitert und leicht umgestaltet, aber ihre besten Teile wie die Piratenstadt kennt ihr bereits. Auch viele der Personen erkennt ihr wieder, aber das war in einer relativ direkten Fortsetzung zu erwarten und stört eigentlich auch nicht. Es ist ja nicht so, dass jemand was zu erzählen hätte. Weder im Kleinen noch im Großen. Die Handlung von Risen 3 nämlich ist die Sorte, die locker auf einem Streichholzbrief in einer Kneipe um Mitternacht geschrieben worden sein könnte.

Auch wenn das Klettern und Schwimmen stark eingeschränkt sind, kann man vieles entdecken.

Die Kurzfassung: Der namenlose Held stirbt und Untote klauen seine Seele. Voodoo bringt ihn zurück und fragt er alle in der Welt, ob sie ihm helfen wollen, die Untoten zu besiegen, auch damit er seine Seele wiederbekommt. Erst wollen sie alle nicht, aber nachdem ihr ihre Problemchen löst, denken sie wohl, es wäre unhöflich, „Nein" zu sagen, also machen sie mit. Und das ist es auch schon, eigentlich ist es sogar die Langfassung, denn jenseits besagter Problemchen gibt es keine weite Handlung. Dieser Minimalplot hält trotzdem 20 bis 30 Stunden - wenn ihr wirklich viele Randaufgaben mitnehmt -, da natürlich keiner irgendwas freiwillig macht und alle wie die Ölgötzen herumstehen und auf den Helden warten, statt mal selbst was in die Hand zu nehmen. In moderneren Spielen muss ich mal die Handlungen der NPCs in eine gesunde Bahn lenken, aber sie haben etwas, das sie zu tun gedenken. Hier hat man nie den Eindruck, dass irgendjemand irgendetwas von sich aus tun würde. Technisch gesehen trifft das auch auf ein Skyrim zu und ich kreide ihm das ebenfalls an, aber das kaschiert es zumindest noch ein wenig. In Risen scheint jeder mit seinem Problemchen in einer Zeitblase gefangen. Es ist statisch, es ist so, wie ein Rollenspiel vor 15 Jahren war. Wie gesagt, das ist nicht ohne Charme, aber den Eindruck eines lebendigen Universums solltet ihr nicht haben, wenn es auf Tour geht.

Gleiches gilt durchaus auch für die Gefährten. Sind sie in anderen Spielen eine allgegenwärtige Präsenz, teilweise mit eigener Agenda, die sie kommen und gehen lässt, sind sie hier wenig mehr als eine Ablenkungstaktik in Kämpfen und ein weitere Quest-Geber, der für einen oder zwei Aufträge gut ist, aber kaum für mehr. Gespräche mit ihnen sind nicht nur belanglos, meistens sind sie nicht existent. Ich möchte den Entwicklern ja auch keinen Sexismus unterstellen, aber wenn das nicht der Fall ist, dann zeugt die Gestaltung der relevanten und eigentlich aller Bewohner der Welt von wenig Feingefühl. Die einzige weibliche Rolle ist die Schwester des Helden und ihre einzige Aufgabe besteht in einer Handvoll Neben-Quests, in denen sie ihren eh schon vorpubertär infantil zur Schau gestellten Vorbau nutzt, um ein paar Schatzverstecke zu ergattern. An anderer Stelle bringt ihr ein junges Eingeborenenmädchen in ein Lager voller ausschließlich männlicher Piraten. Zwar auf ihren Wunsch, aber ich denke nicht, dass sie wusste, worauf sie sich da einließ. Wie gesagt, ich bin sicher kein Prediger oder überempfindlich, was diese Thematiken angeht, aber das war mir hier alles schon irgendwie ein wenig peinlich. Vor allem weil das früher normal war und so nur zeigt, dass bei aller Kritik der Rest der Spielewelt doch ein wenig vorangekommen ist.

"Arrangiert man sich mit all diesen inhaltlichen Schwachstellen, ist Risen 3 ein wirklich netter und über weiter Strecken auch kurzweiliger Wanderausflug."

Dialoge sind nicht die Stärke dieses Spiels. Viel zu erzählen hat es ohnehin nicht.

Arrangiert man sich mit all diesen inhaltlichen Schwachstellen, ist es wie gesagt ein wirklich netter und über weiter Strecken auch kurzweiliger Wanderausflug, vor allem, weil es eben überall etwas zu tun, sehen und finden gibt, selbst wenn nichts davon relevant ist. Wenn denn da nur das Kampfsystem nicht wäre. Etwas so Freudloses ist mir selten untergekommen. Wie schon im zweiten Teil startet ihr ohne Fertigkeiten. Zuschlagen, wegrollen, das war es. Und eigentlich ist es auch alles, was ihr braucht. Selbst das größte Monster lässt sich damit und ein klein wenig Geduld schon vor dem ersten Hochleveln in die Knie zwingen. Da es für das gerade mal knappe Dutzend Feinde nur drei KI-Muster gibt, kennt ihr die nach der ersten Stunde. Eine Handvoll einzigartiger Feinde versucht's mit ein paar Extras, aber alles andere unterteilt sich in kleine Monster - drei schnelle Attacken, weghüpfen -, humanoide Gegner - zwei schnelle leichte Schläge und decken oder ein starker, in den man wunderbar hineinprügeln kann, um ihn zu unterbrechen - und schwere, große Feinde. Was die genau machen, interessiert eh keinen, weil sie viel zu lahm sind es auszuführen. Hinrollen, zuschlagen, wegrollen. Funktioniert immer.

Als Magier oder Fernkämpfer lassen sich ähnlich schnell Muster finden, die immer funktionieren, weil die KI in keiner Weise gewillt scheint, auf eure Taktiken eine Antwort zu finden, und die Zeitfenster zum Zuschlagen endlos lang ausfallen. Das zieht sich sogar durch die Schwierigkeitsgrade. Es dauert auf „Hart" nur länger, weil die Feinde mehr aushalten. Ihr sterbt häufiger, weil euch die Feinde ganz gern mal einkesseln - ihre einzige echte Gewinnstrategie übrigens. Erst spät im Spiel, nach ungefähr dem ersten Drittel, lernt ihr die ersten neuen Moves, die für mehr Abwechslung sorgen und richtig eingesetzt einen Kampf auch beschleunigen, aber wirklicher Spaß kommt selbst dann nicht auf. Das gesamte Timing: Es gibt genau einen Takt, in dem alles funktioniert, und der ist auch noch relativ langsam. In die schnelle Dreierattacke kleiner Gegner ist es zum Beispiel unmöglich, einen Schlag zwischenzusetzen, indem man außerhalb der Reichweite kommt und die kurze Pause zwischen zwei Attacken nutzt. Ihr könnt nur blocken oder kontern, aber den nächsten Schlag anzusetzen dauert relativ lang. Oft hüpft das Viech schon weg. Oder auch nicht, das Spiel ist etwas willkürlich, was das angeht. Es ist ein Kampfsystem, mit dem ich mich irgendwann einfach arrangiert hatte, das funktionierte und wie gesagt: Magier und Fernkämpfer haben ein klein wenig mehr Spaß. Aber auch mit ihrem Arsenal bin ich am Ende nie warm geworden.

Der schwächste Teil ist das dösige Kampfsystem. Muss man einfach so hinnehmen. Hilft ja nichts.

Zwei der drei Bosskämpfe im Spiel sind leider erneut nicht gelungen. War es vorher zu unspektakulär, ist es nun ein schlecht balanciertes Chaos, in dem es eigentlich nur darauf ankommt, ob ihr vorher genug Tränke gekauft habt. Taktiken sind nicht einmal wirkliche eine Option und das ist in einem Spiel dieser Art nie ein gutes Zeichen. Vielleicht ärgern diese beiden Kämpfe mich aber auch so, weil der Rest des Spiels eben diesen Charme ausstrahlt. Ich mag das Südsee-Setting und es ist auch großartig, dass es mit einem großen Gebiet eher klassischer Fantasy angereicht wurde. Es gibt sogar eine finale Insel, auf der es viel zu sehen und entdecken gibt, die gut entworfen wurde. Es sind im Spiel zu wenige Rätsel, was umso seltsamer wirkt, als dass es im allerletzten Moment dann eben doch noch eine Festung mit ein paar netten Rätselchen gibt. Davon hätte ich gern mehr gesehen, aber ja und auch ohne das: Ich war angenehm seicht unterhalten, alles zu sehen, was Risen 3 zu bieten hat.

Aber das ist eben der Stand, bei dem diese Art von Rollenspiel angekommen ist: nette, seichte Unterhaltung. Wir sind inzwischen so viel anderes gewöhnt. Das Retro-Rollenspiel hat mit Titeln wie Might & Magic X, Wasteland 2 oder dem brillanten Divinity: Original Sin in den letzten Jahren ein großes Comeback gelandet. Es gab schräge Indies wie Child of Light. Die High-End-Titel wie Witcher, Skyrim oder Dragon Age bewegen sich mit ihren Spielwelten und Geschichten in weit ambitionierteren Sphären, als es Risen jemals auch nur denken könnte. Risen 3 ist nett, klein, beschaulich, irgendwie ein wenig aus der Zeit gefallen und gleichzeitig irgendwo in er einer anderen als der jetzigen stecken geblieben. Es ist schade, dass das Kampfsystem so wenig elegant ausfiel, dann wäre eine leicht verklärte Empfehlung leichter gefallen, aber wie die Dinge stehen und angesichts all der großartigen Titel, die seit Risen 2 erschienen - und das eben auch in dem gleichen Nicht-Triple-A-Bereich - sehe ich für diese Rollenspielgattung mit ihrer reinen, fast schon MMO-artigen Quest-Abrennerei und den Pseudo-Fraktionen keine echte Zukunft. All das war vor 15 Jahren ein Schritt nach vorn und in die richtige Richtung. Nur wurden seitdem viele weiter getan und es bleibt als Trost nur, dass das Ende von Risen trotz der Schwächen noch auf seine eigene Art liebenswert ausfiel. Es hätte schließlich auch weit schlimmer kommen können. Ich sage nur... Arcania.

7 / 10

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