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Rollenspiele: Old School = Dead School?

Ist es noch Nostalgie oder schon wieder eine Sackgasse?

Ich bin nicht ganz sicher, was ich von den letzten Wochen Spielzeit halten soll, die ich hinter mir habe. Nach dem Next-Gen-Start ging es ausschließlich weit zurück in die Vergangenheit und zwar in meinem Falle grundsätzlich rollenspieltechnisch. Wasteland 2, Might & Magic X, Das Schwarze Auge Blackguards und noch einmal Schicksalsklinge standen auf dem Programm, dazu ein wenig mehr Shadowrun Returns und ein paar andere Randkandidaten. Wahrscheinlich war es einfach Zufall, dass es in dieser Konzentration kam, aber es fühlte sich trotzdem ein wenig seltsam an. Als hätte man eine Zeitblase von vor 20 Jahren gefunden und nun würde ich in ihr leben.

Der Punkt ist, dass ich mit all diesen Spielen viel Spaß hatte, selbst wenn es in unterschiedlicher Abstufung der Fall war. Aber eben auch, dass ich bei keinem auch nur eine Sekunde darüber nachdenken musste, wie jetzt wohl etwas funktioniert, wie die Mechaniken zusammenpassen. Und selbst wenn die Details der einzelnen taktischen Kampfsysteme die eine oder andere winzige Überraschung bereithielten, ich habe all das schon vor langer Zeit gespielt. Mit anderen Namen, mit weniger Pixeln und auf einem sehr viel augenunfreundlicheren Monitor. Aber im Großen und Ganzen bot dieses Paket noch weniger vom Reiz des Neuen, als man es im Medium des Videospiels eh schon gewohnt ist.

Might & Magic III ...

Das beste Beispiel ist vielleicht Might & Magic X, es ist auch der Titel, der mich endgültig zum Grübeln brachte. Sie wollten sich an die Teile drei bis fünf halten, die sogenannte Xeen-Saga. Das haben sie ohne Zweifel geschafft. Von ein paar Anpassungen im Interface und ein paar Rück(Vor-?)griffen auf die späteren Teile, wenn es um das Talentsystem geht, ist es das gleiche Spiel, das es auch damals war. Es gibt die Raster-Oberwelt, auf der man sich schrittweise bewegt. Welt und Dungeons sind in erster Linie ein großer Grind, bei dem man gelegentlich auf eine neue Stadt oder einen NPC stößt, der dann Richtungen für die nächste geeignete Gruppe an Monstern zu bieten hat. Metzeln, Leveln, Ausrüsten und auf der Karte die Positionen der Ausbilder handschriftlich eintragen. Wir sind weit gekommen. Fast bis zurück dahin, wo es anfing.

Und noch einmal, ich hatte auch bei diesem Grind viel Spaß, ich spielte das nicht ohne Grund so viele Stunden (das und weil ich es natürlich testen muss). Es gab auch einen Grund, dass wir damals so viele Stunden darin versenkten, wir waren ja nicht vollkommen bescheuert. Es machte damals Spaß und daran ändert sich mit ein paar Farben und Pixeln mehr nicht viel.

Ich komme aber auch nicht umhin, mich bei aller Freude schuldig zu fühlen, weil ich den Eindruck habe, dass ich es den Entwicklern zu leicht mache, wenn ich sie nur loben würde, mit ihrer Mischung aus erprobten Mechaniken und einem guten Schuss immer trefflicher Nostalgie genau auf den Punkt zu landen. So niedlich all diese Spiele sind, es ist halt eine 20 Jahre alte Blaupause, fast schon sowas wie geistiges Public Domain der Spielewelt. Das zu nehmen und etwas Passables bis Gutes - oder sehr Gutes, Legend of Grimrock - daraus zu machen, ist eigentlich relativ leicht. Leichter jedenfalls, als sich komplett in das Unbekannte zu stürzen oder zumindest mal den großen Zeh in dieses zu halten. Nur, um mal zu sehen, wie sich eben diese erprobten Konzepte weiterentwickeln lassen.

Als wir diese Sachen vor zwei Jahrzehnten spielten, waren sie die State-of-the-Art-Ausgaben ebenfalls erprobter Konzepte, auch nicht gerade reine Innovationslust, aber es gab auch ganz andere technische Limitierungen. Wir fragten uns, als wir Might & Magic III: Isles of Terra spielten und uns über dessen Technik-Sprung freuten, wo wir wohl in zwanzig Jahren stehen würden. Witcher 2? Skyrim? Fallout 3? Ja, sowas stellten wir uns vor. So in der Richtung. Eigentlich viel Größenwahnsinnigeres als das. Aber egal. Das letzte, was wir dachten, war, dass man 2014 wieder Might & Magic spielen würde. Ganz so als wäre es 1993.

... Might & Magic X. Mehr Pixel, mehr Farben, aber sonst ist da nicht viel anders.

Ich denke, dass Witcher, Skyrim und Konsorten wundervolle Spiele sind, ein Zweig der Rollenspielevolution, der mit Ultima Underworld anfing, mit dem ersten Elder Scrolls ausgeweitet wurde und sich seitdem in die eine oder andere Spezialisierung verästelt. Es entwickelt sich technisch, weil das für seine Immersion fast das Wichtigste war und ist. Es vertieft seine Charaktere, was bei Rollenspielen nie eine schlechte Idee ist. Die Kampfsysteme werden mal mehr, mal weniger verfeinert, die Welten sind mal mehr, mal weniger komplex dargestellt und entwickeln sich in sich selbst weiter. Auch dieser Zweig des Genres ist kein Innovationskrachers, aber zumindest tut sich generell von Zeit zu Zeit etwas.

Das Party-Rollenspiel mit taktischem Kampfanspruch dagegen, egal ob in Echtzeit oder rundenbasiert, blieb vor langer, langer Zeit stehen. Es ist immer wieder schön, wenn eines des Weges kommt und ich spiele es mit Hingabe, aber es ist auch eine Erinnerung daran, dass wir beide, ich und das Spiel, uns wie zwei alte Männer gegenübersitzen und die Geschichten von damals erzählen. Details werden leicht verändert und herausgeputzt, aber wenn man das Gefühl warmer Nostalgie abzieht und hart das Licht anmacht, statt sich wohlig im Kaminschein der Sehnsucht nach alten Zeiten zu verstecken, dann ist es ein etwas trauriger Anblick.

Dass ich alt (oder zumindest älter) werde und mich von Zeit zu Zeit der Nostalgie hingebe, ist eine Sache und auch ein wenig die Natur des Menschen. Nicht ohne Grund ist die Zahl meiner Käufe auf Good Old Games dreistellig. Aber dass die Idee dieses besagten Rollenspielzweiges scheinbar nicht in der Lage ist, einen Schritt in irgendeine Richtung zu machen - zuletzt vielleicht als das erste Baldur's Gate erschien - ist bedenklich. Es wäre mir lieber, wenn die Idee sich weiterentwickeln würde und ich stehen bliebe. Schmerzhafter für mich, sicher, aber zumindest hätte das Genre dann vielleicht eine Zukunft, die über das Spiel mit der Anbiederung an das Goldene Zeitalter der Rollenspiele hinausgeht. Das nämlich kann ein sehr riskantes Spiel sein und so schnell wie der Schwung klassichen Designs kam, kann er auch wieder verschwinden. Jedenfalls dann, wenn dieses von mir geliebte Subgenre nicht langsam einen Schritt in die Zukunft wagt. Egal in welche Richtung. Aber stehen zu bleiben, das war schon einmal fast sein Untergang.

Und wisst ihr was? Nach dieser konzentrierten Dosis alter Schule wird jetzt lange nichts mehr kommen und in einem Jahr heule ich dann, dass die Welt mal wieder ein Rollenspiel wie früher braucht. Aber ich tue das hoffentlich aus der Perspektive heraus, dass 2014 ein paar spannende Gedanken die Welt dieser Spiele bereichert haben.

Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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