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Sifu ist das beste Kung-Fu-Spiel aller Zeiten - und schon jetzt meine Stilikone des Jahres

Härter als Elden Ring: Sifu rettet das Beat 'em Up. Mit Kraft, Eleganz und viel, viel gutem Aussehen.

Warum hier nicht "Test" oben drüber steht? Ganz einfach: Weil ich erst drei der fünf langen Level von Sifu gesehen habe. Gleichzeitig möchte ich zum Verkaufsstart des Spiels nicht mit meiner Begeisterung hinter dem Berg halten - denn Sifu ist nicht weniger als der beste spielbare Kung-Fu-Film, der mir je untergekommen ist.

Es ist die Sorte Spiel, von der man damals immer geträumt hat, als man Double Dragon oder Streets of Rage vergötterte und seine Nachmittage mit zu viel Wassereis und dem zwölften Rewatch von "Sie nannten ihn Knochenbrecher" herumbrachte. Minus dem Koop-Modus, aber man kann ja nicht alles haben. Der wäre hier ohnehin fehl am Platze, denn wo die genannten Beat-'em-up-Klassiker sich eher für entspanntes Miteinander mit unendlich Continues aufdrängen, ist Sifu eine sehr verbissene und auf Kung-Fu-Meister-gleichen Perfektionismus ausgerichtete Angelegenheit. Ihr seid nicht für die Lacher und den Spaß kraftmeiernder Moves hier, sondern um den Tod eures Vaters zu rächen und geht dafür durch eine der härtesten Roguelite-Schulen der letzten Jahre.

Und bevor wieder alle wegrennen, weil sie das R-Wort gelesen haben: Ja, das hier ist definitiv darauf aus, euch die Level immer und immer wieder spielen zu lassen. Aber sie sind allesamt von Hand gemacht, unfassbar stilvolle, kleine Kunstwerke, in denen man nach und nach auch neue Geheimnisse und ein bis drei Abkürzungen für kommende Durchläufe freischaltet. An festen Orten findet ihr Statuen, an denen ihr immer haargenau einen von neun möglichen Perks wählt - und euch so auf die aktuelle Situation anpasst und mit leicht angepassten Builds experimentiert.

Die Szene, in der ich wusste, dass ich dieses Spiel liebe: Sie unterstreicht mit harten Beats den wunderbaren Rhythmus, den die Kämpfe gehen.

Diese Entscheidungen solltet ihr clever treffen, denn manche Eigenschaften lassen sich nur bis zu einem gewissen Alter (dazu unten mehr) eurer Spielfigur freischalten. Für andere müsst ihr bestimmte Punktestände erreicht haben, während wieder andere einfach Erfahrungspunkte kosten. Überlegt also gut, ob ihr lieber den Gesundheitsbonus nach Finishern steigert oder ob vielleicht nicht ein guter Zeitpunkt ist, eure Fokus-Regeneration durch Paraden zu erhöhen.

Ihr werdet definitiv manche Runs nur der Erfahrungspunkte wegen angehen, auf dass ihr immer neue Moves freischaltet - zunächst nur für einen Lauf, um zu schauen, was dieser neue Kick oder eine neue Kombo euch bringt. Gefällt sie euch, buttert ihr weiter XP rein, und sobald ihr das Fünffache investiert habt, gehört euch das Manöver für die Ewigkeit. So wird man immer besser, kommt immer weiter und verinnerlicht auch das an sich ziemlich intuitive Kampfsystem immer besser.

Es geht eigentlich recht simpel los: Leichte und schwere Attacke, eine Block- und eine Ausweich-Taste, X+Y für den Finisher und A, um das gelegentliche Hindernis hochzuklettern. Mit B hebt man Waffen auf. Später fallen einem dann die Feinheiten auf. Als Erstes, dass man mit dem richtigen Timing auch parieren kann, um die Initiative zurückzugewinnen und seine Struktur nicht zu sehr zu strapazieren. Denn ist der Balken einmal voll, durchbricht der nächste Treffer eure Abwehr.

Ab und an ist die Kamera überfordert - vor allem, wenn es nah an Wänden zur Sache geht. Spielerisch ist das einer der wenigen Einwände, die ich gelten lasse.

Das Timing für Paraden ist durchaus vergebend, allerdings ist es im Fight gegen mehrere Feinde immer noch schwierig genug, wenn man auch noch eigene Angriffe anbringen will. Später merkt man, dass man mit der Block-Taste in Verbindung mit hoch und runter auch noch hohen und niedrigen Angriffen ausweichen kann, was wiederum meine Struktur komplett intakt lässt. Das hat mir der zweite Boss beigebracht.

Bei ihm habe ich auch gelernt, den Fokus richtig einzusetzen: Eine kurze und nicht allzu langsame Zeitlupe, in der man einen Super-Move auswählt, der die gegnerische Kombo durchbricht und den Feind in den meisten Fällen kurz lähmt. In Kombination mit einem Perk, der für mit jedem Ausweichen die anfangs nur einen Balken kurze Fokusleiste ein Stück wieder auflädt, eine mächtige Fähigkeit. Und so entschlüsselt man nach und nach ein zügiges, und attraktives, aber doch recht technisches Kampfsystem, das Defensive und überlegtes Priorisieren belohnt.

Und gute Güte, fühlt sich das toll an, wenn man in die Verbrecherdisko einmarschiert und zu harten Dance-Beats einen Zehnerpack Henchmen (und -women) mit Handkante, Roundhouse, Baseball-Schläger, Bierflaschen und Hockern zerlegt. Klar ist es schade, dass man das hier nur allein spielt. Aber Sifu macht das Beste daraus, dass nur ein Kämpfer (oder Kämpferin) im Mittelpunkt steht, mit fantastischen Kamerafahrten und Zooms auf einzelne Moves, während euer Rächer unfassbar elegant die Umgebung in jeden einzelnen seiner ebenso effektiven wie brutalen Finishing-Moves integriert.

Selten fühlte es sich so gut an, eine große Gruppe an Gegnern zu beschäftigen.

Überhaupt wurde Vollkontaktkampf audiovisuell noch nie so gut umgesetzt. Man hört bei Griffmanövern Handflächen auf Haut klatschen, das dumpfe Donnern einer Faust auf einem Brustkorb oder einer Fußsohle unterm Nasenbein tun schon beim Hinhören weh. Und die Reaktionen der Gegner auf Treffer sorgen abwechselnd für begeisterte "F*** YEAH!"- und entsetzte "OH GOTT!"-Rufe vor dem Bildschirm. Das ist so elegant und befriedigend, dass man die Level gerne wieder und wieder spielt, allein weil man mit zunehmender Erfahrung immer besser aussieht, dabei. Ein wahnsinnig attraktives Spiel, wenn man den Bogen erst einmal raus hat.

Und dann ist da noch die Alterungsmechanik. Ich würde sagen, hängt euch am Alter nicht zu auf, das hatte in meinen Augen eher kosmetischen Effekt. Mit jedem Tod, den man stirbt, altert man um ein paar Jahre. Wie viele? So viele, wie man bisher Bildschirmtode gestorben ist. Gelegentlich wird mal ein Tod vom Zähler gestrichen, etwa, wenn man einen Zwischenboss besiegt hat. Je älter, desto kürzer die Lebensleiste, aber auch desto härter eure Schläge. Was wirklich zählt, ist aber die Zahl der Tode, die ihr insgesamt gestorben seid: Ihr werdet nämlich nur zehnmal wiederbelebt.

Was dann passiert? Nun, das Spiel merkt sich immer das niedrigste Alter, mit dem ihr einen Level geschafft habt. Habt ihr das Ende der Fahnenstange erreicht, geht ihr in alte Level zurück: Schnappt euch einen, in dem ihr zehn Jahre älter geworden seid, gebt alles und schlagt Kapital aus neuen Moves und mehr Spielerfahrung und schon habt ihr für den Anlauf auf den nächsten Stage mehr Leben in Reserve. Dabei werden zwar die Perks und nicht permanent freigeschaltete Moves zurückgesetzt, aber ich habe das immer auch als Chance begriffen, es diesmal ein wenig anders anzugehen.

Waffen sind kostbar und kurzlebig in Sifu.

Es ist extrem motivierend, sich tief in einen Level hineinzuknien, um mal hier, mal dort ein paar Jahre zu gewinnen, neue Moves dem Repertoire hinzuzufügen und ganz nebenbei cooler bei seinem Rachefeldzug auszusehen. Überhaupt waren Kung-Fu-Kämpfe in Videospielen noch nie so filmisch anzusehen. Jedes Szenenbild sprüht nur so vor schönen Details - der an Oldboy-angelehnte Korridorkampf von der Seite ist da noch die konventionellste Idee - und die Art, wie Realität und Unwirkliches vermischt wird, ist zum Niederknien elegant gemacht. Wenn dieses Jahr nur noch Spiele ohne Stil herauskommen, dann liegt das daran, weil Sifu allen Style gebunkert hat.

Ihr merkt, ich bin begeistert. Und das, obwohl ich erst nicht ganz zwei Drittel des Spiels gesehen habe und ich mir gut vorstellen kann, dass ich noch eine Weile brauche, bis ich mit Sifu durch bin. Es ist seit langer Zeit mal wieder ein Spiel, das ich meistern, in dem ich also selbst zum Sifu werden möchte. Schon früh im Februar mein Favorit dieses verdammt starken Spielemonats.

Sifu erscheint heute für PS4, PS5 und PC (Epic Game Store) zum Preis von 39,99 Euro

In diesem artikel

Sifu

PS4, PS5, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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