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Sleeping Dogs - Vorschau

Ein Spiel, das letzten Endes ganz genau so viel sein könnte, wie die Summe seiner Teile.

Man merkt Sleeping Dogs ganz genau an, aus welchen Mitarbeitern sich United Front Games zusammensetzt. Deutlich ist die Anwesenheit vieler Ex-Leute von Black Box zu spüren. Das Studio, das den lästigen Ruf der schlechten Teile der letzten Jahre Need for Speed mit sich herumträgt, war vielleicht zuletzt nicht befähigt, ein gutes Rennspiel auf die Beine zu stellen - auch wenn man Spiele wie die Skate-Reihe oder eben Need for Speed vor Flops wie Undercover oder The Run nicht vergessen sollte -, weiß prinzipiell aber schon, wie sich Fahrzeuge verhalten. Das Bremsverhalten der Motorräder auf Hongkongs Straßen fühlt sich genau richtig an, das Sliden mit den unterschiedlichsten fiktionalen, mal mehr, mal weniger sportlichen Rennern sitzt auf den Punkt, und auch wenn man damit in diesem Zustand allein noch kein Rennspiel produzieren sollte, passt es perfekt zu einem Open-World-Spiel.

Die Leute von Rockstar Vancouver brachten ihre Erfahrungen in genau dem Genre, mehr aber noch ihren Sinn für Prügeleien und Details in einer schrägen Sandbox-Umgebung aus Bully-Zeiten mit ein. Ähnliches gilt für Radical Entertainment, seinerzeit mit Scarface und Prototype auf dem Gebiet nicht unbeschlagen. Und dann wären da noch die Leute, die aus dem Volition-Lager kamen und ihre Erfahrungen mit Red Faction und Saints Row einfließen ließen. Insbesondere ihre sicher einmalige Erfahrung mit der unvergessenen Red-Faction-Version auf dem noch unvergessenener N-Gage.

Gescheiterter Handheld-Spaß beiseite, Sleeping Dogs zeigt an jeder Ecke, dass hier all diese Entwickler und ihre bisherigen Werke zusammenfließen, um etwas zu schaffen, das sich auf dem Niveau eines GTA bewegen soll. Die Welt ist groß genug, vier große Bezirke unterschiedlicher Ausprägung - Geschäftsviertel, Wohngegenden, Industrieareale, Arm und Reich und alle Abstufungen - lehnen sich sehr eng an das reale Hongkong an, vereinfachen, wo es nötig ist, und gehen ins Detail, wo es gebraucht wird. Der Entwurf zeugt von Sorgfalt und Überlegung, es sind die Tugenden, die auch die Großen des Genres auszeichnet.

Sleeping Dogs - Trailer

So stimmt es auch im Kleinen, wenn ihr über einen der nächtlichen Märkte streift oder einen Club besucht. Irgendjemand nahm sich diese éine Porzellan-Reisschüssel und sagte sich, dass er dieses Objekt genau richtig hinbekommen möchte. Solche Momente lassen die sonst in sich stimmige Umgebung fast schon schäbig wirken. Die Gesichter sind teilweise emotionsvoll in den Zwischensequenzen, die Animationen der Passanten und ihre Reaktionen glaubwürdig und auf hohem Niveau.

Warum zur Hölle also fühle ich es noch nicht? Ich fahre durch die Straßen, laufe über die Plätze, höre die authentischen Sprachfetzen, sehe das Neonlicht und decke doch an Liberty City zurück und das erste Beschreiten seiner Asphaltflüsse. Ich kann über tausend Dinge in GTA herziehen, aber ich würde dem Spiel nie seine Magie abstreiten, die es in diesem Moment der Zeit hatte. Ich würde im Gegensatz kein Problem haben, tausend Dinge in Sleeping Dogs zu loben, aber es ist eben genau diese Magie der glaubwürdigen, sofort überzeugenden lebenden Welt, die Sleeping Dogs abgeht. Ich bin mir nicht sicher, was es ist, es gehört zu den Dingen, die schwer greifbar sind. Die Straßen sind ein wenig zu leer und zu willkürlich von Autos befahren. In GTA hatten die Horden an Dummys auch kein Ziel, aber man konnte sich vorstellen, dass es eines gab. Gleiches gilt für die Fußgänger. Während sie sich anderenorts scheinbar zielgerichtet durch sehr kleine Leben bewegen, fehlt ihnen hier diese Dynamik. Sie reagieren korrekt auf den Spieler, aber solange man ihnen nur ein wenig zuschaut, scheinen sie zu warten, dass jemand in ihr Leben tritt und sie anrempelt oder anderweitig aufscheucht.

Sleeping Dogs - Sprecher-Trailer

Ich weiß, das ist eine Vorschau-Version, aber zum einen erscheint Sleeping Dogs schon sehr bald - Ende August - und zum anderen denke ich, dass sich dies nur schwer ändern lässt. Ich bin kein Entwickler, vielleicht täusche ich mich, aber es sind die Probleme, die so ziemlich jedes andere Open-World-Spiel plagen, die das Leben einer glaubwürdigen Stadt zeigen sollen. Mit Ausnahme einer gewissen Serie fühlt es sich am Ende wie Sleeping Dogs an. Es ist irgendwo ein wenig unfair, denn United Front Games hat sehr viel richtig gemacht, man spürt die Liebe und Hingabe an vielen Ecken, sie haben sich mit der eigenen Welt Hongkongs auseinandergesetzt und endlos viel davon in Feinheiten und auch das große Ganze einfließen lassen. Und doch fühlte ich es bei den Streifzügen durch die Stadt noch nicht. Ich hoffe, dass ich falsch liege und dass hier noch ein wenig mehr Leben bis zur fertigen Version einfließt, aber so sehe ich mich leider nicht außerhalb der - extrem zahlreichen - Missionen groß durch Hongkong streifen.

Die Aufgaben selbst werden - zumindest in zwei zur Verfügung gestellten, unterschiedlich fortgeschrittenen Abschnitten des Spiels - um die Kernspielelemente herum konstruiert. Dies wären schnelles Parcourslaufen, Fahren, Prügeln und Ballern. Die Parcours sollte man nicht zu ernst nehmen, das hier ist kein Mirror´s Edge. Verfolgt ihr beispielsweise einen Flüchtigen, springt er über Marktische, zieht sich eine Mauer hoch und hechtet über die Abgründe zwischen den Dächern. Ihr sprintet hinter ihm her, versucht nicht so viele Leute anzurempeln und müsst im richtigen Moment den Knopf drücken, um ein Hindernis eleganter zu nehmen. Gelingt euch das nicht, hängt ihr kurz etwas länger, verliert den Gejagten vielleicht aus den Augen. Hier muss ich sagen, dass die Stimmung der Welt und der Flair eines Hongkong-Action-Films am besten rüberkommt, wahrscheinlich weil die detailreiche Welt schnell, aber nicht zu schnell, wie im Auto, an euch vorbeirauscht.

Letztendlich führen alle diese Renneinlagen zu einem Punkt, an dem geprügelt und/oder geballert wird. Nachdem das Prügeln schon letztens ein wenig angesprochen wurde, gab es diesmal keine Beschränkungen beim Arsenal und endlich wurden die Schusswaffen hervorgeholt. Vom Start weg nicht zwei Pistolen zu erlauben, ist zwar nicht sonderlich John Woo, aber sonst gibt es wenig zu meckern. Sleeping Dogs versteht sich dabei als Deckungs-Shooter und bietet die entsprechenden Mechaniken kompetent umgesetzt. Das Zielen ist einfach genug, per Tastendruck wird hinter allem gekauert, was es gibt und Gegner strömen so lange heran, wie der Zwischenstopp der Mission es für nötig hält. Kopftreffer, verschiedene Waffen - von denen ihr immer nur eine schwere und eine leichte gleichzeitig haben könnt -, man kennt es zur Genüge, es funktioniert und macht ehrlich gesagt auch ordentlich Laune, vor allem weil es nur eines von vielen Elementen ist und nie zu lange andauert.

Eine Besonderheit sind die Ballereinlagen vom Zwei- oder Vierrad aus, die weit spielbarerer umgesetzt wurden als in den GTA-Titeln. Zeitlupen beim Zielen helfen deutlich, selbst wenn man hier eine eingängigere Steuerung hat, die man gleichzeitig handhaben muss. Auf diese Weise machen Verfolgungsjagden Laune. Oder zumindest würden sie es tun, wenn das Spiel sich etwas damit zurückhalten würde, es alles so willkürlich inszeniert wirken zu lassen. Klingt wie ein Widerspruch, aber es ist halt so, dass Massen an Fahrzeugen hinter euch her sind und diese, egal wie ihr fahrt, immer Schritt halten oder euch auch nach eigenem Gusto überholen, egal wie schnell ihr seid. Da nehme ich lieber ein langsameres, leichter zu handhabendes Fahrzeug, schließlich bringt mir das Tempo am Ende eh nicht viel. Die Belohnung des teuren Kaufes neuer Wagen, die dann in den Garagen abrufbar sind, wirkt so etwas schäbig.

Sleeping Dogs - Trailer

Neben diesen Grundelementen bietet Sleeping Dogs Tonnen an kleinen Ablenkungen und Abwechslungen. Seien dies Fight-Clubs oder Bars, Polizei-Ermittlungen mit versteckten Kameras und Hackereinlagen, es gibt unglaublich viel zu tun und von jeder dieser Aktionen augenscheinlich einen ganzen Strom an Wiederholungen, die euch mit den Erfahrungspunkten für nicht weniger als vier oder fünf Fertigkeitenbäume füttern. Diese lassen euch besser ballern, prügeln, fahren oder verhandeln und ich habe auch nicht für eine Sekunde den leisesten Zweifel, dass ihr hier in Kürze eine riesige Menge an Spiel für euer Geld bekommen könntet.

Die Frage ist, ob das reichen wird? Sleeping Dogs könnte zu einem Fall werden, in dem das Spiel am Ende nicht mehr ist als die Summe seiner vielen, vielen Teile. Der Überbau der Handlung lässt sich noch nicht abschätzen, es beginnt generisch genug mit dem Undercover-Cop, seiner düsteren Vergangenheit und den beliebigen Gangstern, durch die er sich an die Spitze der Triaden vorarbeitet. Jeder einzelne spielerische Aspekt, der euch dorthin bringt, ist gut, aber nie sehr gut. Es gibt bessere Shooter, Racer oder Prügler, aber das ist normal bei einem solchen Spiel, das alle Aspekte vereinen will und letztlich wirkt auch keine dieser Disziplinen schlecht umgesetzt. Nur liegt eben auch sehr viel Routine in dem Grundkonzept. Die Missionen wirken bisher sehr ähnlich und es fehlt halt an der Magie der Lebendigkeit der Welt, mit der ein GTA diesen Umstand auffängt. Ich hatte für einige Stunden viel Spaß in Hongkong. Ich bin nur sehr gespannt, für wie viele Stunden mehr es reichen wird. Die Antwort bekommt ihr dann Ende des nächsten Monats.

In diesem artikel

Sleeping Dogs

PS3, Xbox 360, PC

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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