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Sniper: Ghost Warrior 3 - Test: Der geübte Scharfschütze braucht Geduld

Schleichen trifft die Ubisoft-Formel.

Ein ambitioniertes Spiel mit gutem Gameplay und vielen spielerischen Optionen, das am Ende aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

2014 wurde Sniper: Ghost Warrior 3 angekündigt. Recht früh, denn erscheinen sollte es erst 2016. Wie wir von diversen anderen Titeln wissen, ist es selten klug, eine Ankündigung so früh vorzunehmen. Erst recht, wenn der Release-Termin anschließend mehrfach verschoben wird. Aus 2016 wurde Januar 2017, dann Anfang April und schlussendlich ist es nun Ende April geworden. So etwas kann man unterschiedlich deuten. Zum Beispiel so, dass die Entwickler sich die Zeit für den weiteren Feinschliff nehmen können und ihr Spiel erst dann veröffentlichen, wenn es wirklich fertig ist. Oder aber so, dass es sehr problembehaftet ist und immer wieder verschoben werden muss, weil es unfertig ist.

Nun, ein Totalausfall ist Ghost Warrior 3 sicherlich nicht und es macht durchaus Spaß, aber ihr könnt euch nicht des Eindrucks verwehren, dass die Entwickler hier vielleicht ein wenig zu überambitioniert waren. Das fängt zum Beispiel bei der Story an, die an gewissen Stellen vor Klischees und Pathos trieft und obendrein recht schnell vorhersehbar wird, während ihr euch als Scharfschütze Jon North in Georgien herumtreibt.

Anders gesagt: Ich erreichte recht schnell den Punkt, an dem mich die Geschichte kein Stück weit mehr interessierte und schon gar nicht so abholte, wie sich das die Autoren vielleicht gewünscht haben. Es ist einfach ziemlich belanglos und dem Spiel gelingt es nicht wirklich, euch im Hinblick auf den Hauptcharakter und die anderen Protagonisten, denen ihr begegnet, irgendetwas fühlen zu lassen - dazu trägt sicherlich auch die eher schlechte Synchronisation ihren Teil bei.

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Mit eurer Drohne erkundet ihr die Umgebung.

Aber okay, ist kein Beinbruch. Ignoriert einfach größtenteils die Geschichte und absolviert stattdessen die Missionen, die sind sowieso das Herzstück von Ghost Warrior 3. Denn letzten Endes geht es genau darum, dass ihr durch die Gegend kriecht und krabbelt, nach der perfekten Position sucht und eure Feinde möglichst lautlos ausschaltet. Und dazu bietet euch das Spiel diesmal mehr Optionen als je zuvor.

Die Spielwelt ist in drei mittelgroße Open-World-Bereiche aufgeteilt, für die man sich ein bisschen zu viel von der "Ubisoft-Formel" abgeschaut hat. Immerhin müsst ihr hier keine Türme oder ähnliches erklimmen, um Teile der Welt freizuschalten, aber es gibt Außenposten, die ihr - optional - befreien könnt, verschiedene Herausforderungen, interessante Punkte zu entdecken, Gefangene zu befreien, Nebenmissionen zu erfüllen, besondere Ziele auszuschalten und so weiter. Auf euren Erkundungstouren findet ihr außerdem Verbrauchsgegenstände oder Teile, aus denen ihr in euren Verstecken selbst neue Kugeln oder Gadgets herstellt.

Oftmals ermutigt euch das Spiel dazu, leise vorzugehen und keinen Alarm auszulösen, aber bis auf wenige Ausnahmen ist das leider nur nebensächlich. Dem leisen, vorsichtigen Vorgehen widerspricht die Tatsache, dass ihr für getötete Gegner Erfahrungspunkte und Beute bekommt. Und durch die Erfahrungspunkte schaltet ihr wiederum neue Skills frei, die euch mehr Gesundheit bescheren, euch schneller nachladen lassen und dergleichen. Aber es sorgt eben dafür, dass ihr so oder so eigentlich möglichst alle Gegner um die Ecke bringen wollt, weil das ja Erfahrungspunkte bringt. Dementsprechend sieht der übliche Ablauf meist so aus, dass ihr euch irgendwo einen guten Punkt sucht und einen Gegner nach dem anderen ins Jenseits befördert, bevor ihr weiter vorstoßt.

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Manchmal gebt ihr Mitstreitern Deckung.

Das macht obendrein Sinn, weil das Checkpoint-System des Spiels ziemlicher Mist ist, zumindest in seiner jetzigen Form. Wenn ich während einer Mission bereits einen Kontrollpunkt erreicht habe, der zwar geladen wird, wenn ich scheitere oder sterbe, aber dann nach dem Verlassen des Spiels und in dem Glauben, genau dort wieder weitermachen zu können, später plötzlich die Mission von vorne beginnen muss, ist das jedenfalls kein gut designtes System. Was, wenn ich plötzlich mal wegmuss, aber meinen ganzen Fortschritt in der Mission nicht verlieren will? Ärgerlich. Freies Speichern ist leider nicht möglich, ihr seid auf die Checkpoints angewiesen.

Besonders dann, wenn ihr den harten Schwierigkeitsgrad wählt, kann das für einige Frustmomente sorgen, wenn ihr deswegen ganze Abschnitte noch mal von vorne in Angriff nehmen müsst. Auf dieser Stufe habt ihr aber das bessere Scharfschützen-Erlebnis, nämlich ohne die Hilfen, die euch das Spiel sonst so anbietet. Keine regenerierende Gesundheit, keine Zielhilfe. Es gibt sogar eine noch höhere Schwierigkeitsstufe ohne Skillsystem und mit noch weniger Assists. Es ist dann ein gänzlich unterschiedliches Spielerlebnis, deutlich herausfordernder und bietet somit sowohl denjenigen etwas, die genau danach suchen, als auch anderen Spielern, die mit ein bisschen Unterstützung agieren wollen.

Ihr müsst dann die Windrichtung und -stärke manuell und ohne Hilfe berücksichtigen. Und wenn ihr es dann schafft, aus größerer Entfernung den Zoom und die Distanz richtig einzustellen und einen perfekten Treffer zu erzielen, könnt ihr zurecht stolz auf euch sein. Abseits der Hilfsmittel, die euch das Interface je nach Schwierigkeitsgrad bietet, gibt es zusätzlich noch ein paar andere Gadgets. Zum Beispiel Kugeln, die Gegner für euch markieren oder zu bestimmten Punkten locken, während andere Geschosse Panzerung durchschlagen oder explosiv sind. Und mit eurer praktischen Drohne könnt ihr die Umgebung auskundschaften, ebenso Gegner markieren, sie ablenken oder Kontrollkästen von Sicherheitskameras hacken.

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Mit ein bisschen Glück könnt ihr mehrere Feinde zugleich ausschalten.

Es ist dieses Zusammenspiel aus ansprechendem Gameplay und der durchdacht designten Level, die euch viel Spielraum bieten, das am Ende doch Spielspaß sorgt - zumindest diesen Aspekt haben die Entwickler recht gut hinbekommen. Und je nachdem, ob ihr euch nun primär auf die Hauptstory konzentriert oder wirklich alles erledigen wollt, seid ihr durchaus eine Weile damit beschäftigt. Aber wie gesagt, der ganze Nebenkram ist völlig optional, ihr müsst euch nicht damit beschäftigen, wenn ihr nicht möchtet. Übrigens gibt es hier nun wie in der Sniper-Elite-Reihe eine Kill Cam, allerdings ohne die zur Schau gestellte Brutalität von Rebellions Scharfschützenspiel. Sie soll euch eure besten Abschüsse präsentieren, aber gerade wenn ihr mit Zielhilfe spielt, kommt das so häufig vor, dass sie irgendwann eher nervt. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden ist sie aber ein guter Indikator dafür, dass euch ein toller Schuss gelungen ist.

Insbesondere auf technischer Seite gibt es aber außerdem noch einige Dinge, die nicht ganz dem Anspruch des Entwicklerteams gerecht werden - zumindest in der getesteten PS4-Version. Zum Beispiel die unsäglichen Ladezeiten beim Laden eines Open-World-Areals, was schon mal rund fünf Minuten Pause bedeutet. Währenddessen könnt ihr euch immerhin noch was zu trinken oder zu essen holen, wenn ihr darin zumindest etwas Positives sehen wollt. Glücklicherweise passiert das wirklich nur beim Laden eines dieser Abschnitte, denn eine Schnellreise innerhalb eines solchen Bereichs oder das Laden eines Kontrollpunkts gehen deutlich schneller vonstatten. Hinzu kommen andere technische Unzulänglichkeiten wie Glitches oder Bugs. Einmal hing sich das Spiel auf, woraufhin ich eine Mission dank des schon erwähnten Checkpoint-Systems wieder komplett von vorne beginnen durfte, andernorts meldete das Spiel bei der Befreiung von Gefangenen noch Gegner in Reichweite, obwohl keiner mehr zu sehen war. Auch die KI agiert nicht immer auf einem hohen Niveau, zum Beispiel kamen mal sechs bis sieben Feinde hintereinander und im Abstand von mehreren Sekunden gemütlich eine Treppe hinauf spaziert, wodurch ich in aller Ruhe einen nach dem anderen ausschalten konnte. Anstatt also einfach mal unten darauf zu warten, dass ich mich bewege - immerhin muss ich ja meine Mission irgendwann mal erfüllen -, rannten sie in ihren sicheren Tod. In anderen Situationen reagieren sie aber durchaus gut, etwa wenn sich alle in Deckung begeben, nachdem sie bemerken, dass irgendwo ein Scharfschütze lauert. Aber irgendwann kehren sie wieder zu ihrem normalen Ablauf zurück, als ob nichts passiert wäre.

Übrigens: Ein Multiplayer-Modus ist zum Launch nicht mit dabei. Der soll erst später mit einem kostenlosen Update nachgeliefert werden.

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Alltag eines Scharfschützen: Irgendwo liegen und auf Ziele warten.

Bricht man Ghost Warrior 3 allein auf sein Gameplay herunter, ist das hier ein Spiel, mit dem ihr ein paar schöne Stunden verbringen könnt. Und wer dabei eine besondere Herausforderung sucht, wählt einen der höchsten Schwierigkeitsgrade. Abseits davon hat man aber nicht wirklich viel zu bieten, das dafür sorgen würde, dass Ghost Warrior 3 euch lange im Gedächtnis hängen bleibt. Die Story ist zum Vergessen, der ganze Nebenkram erfüllt wie in vielen Open-World-Titeln hauptsächlich den Zweck, die Spielzeit zu strecken, und es gibt eine Reihe technischer Unzulänglichkeiten, die den Spielspaß mitunter etwas trüben. Oder anders gesagt: Ein Spiel, das ihr nicht wirklich haben müsst, aber haben könnt, wenn ihr gerne den Scharfschützen spielt und dabei einige Freiheiten haben wollt. Behaltet dabei jedoch eure Erwartungen im Zaum.

Entwickler/Publisher: CI Games - Erscheint für: PC, Xbox One, PS4 - Preis: ca. 40 bis 60 Euro - Erscheint am: Erhältlich - Getestete Version: PlayStation 4 - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Sniper: Ghost Warrior 3

PS4, Xbox One, PC

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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