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Sonic Frontiers im Test - Der Igel kann also Open World, hätte ich nie gedacht

Doch kein Sonic Boom 2: Frontiers 2006 R

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Alle Zeichen standen auf Katastrophe, aber Sonic Frontiers überrascht: Die offene Welt ist das Highlight und der Spaßbringer dieses endlich mal wieder guten 3D-Sonic.

Alles sprach dafür, dass dieser Text mit den Worten „Es ist schlimmer als 2006…“ beginnt. Sonic versucht Opern World, die ersten Bilder sehen aus wie eine Halo-Mod, was daran Spaß machen soll oder wie das überhaupt als Sonic-Game funktionieren kann, blieb fürs Erste unklar. Und als jetzt auch noch der Key für das Spiel in Deutschland ungelogen 15 Minuten vor Ablauf des Test-Embargos kam, war klar, dass Sonic Frontiers Schrott sein würde. Schicksal besiegelt, Boom.

Aber anders kommt öfter als man denkt und nach den letztens meistens richtig netten Tagen mit dem vermeintlichen Sonic Boom 2: Frontiers 2006 R muss ich sagen, dass ich die ganze Gehässigkeit wieder streichen muss – Ja, dieses Nameskonstrukt sollte eigentlich meine Titelzeile werden. Sonic Frontiers, wie ich es ab jetzt zumindest ein wenig respektvoller nenne, ist gut. Fast durchgehend sogar. Nie brillant, nie hat man den Eindruck, dass der Igel jetzt mal die Kurve in eine ganz sichere Zukunft bekam. Außerdem würde ich zumindest ein wenig Geld wetten, dass wieder einmal alle guten Idee bis zum nächsten, komplett anders gestrickten Titel vergessen sind und Team Sonic ganz neue Fehler-Optionen ergründet. Aber bis dahin habe ich mit Sonic Frontiers Spaß.

Nachdem ich eben das Fazit praktisch vorwegnahm, ist die größte Überraschung für mich, dass nicht die kleinen Level, die man von der Oberwelt aus besucht, das Highlight sind. Im Gegenteil, die sind eher so lala, hit and miss, mal Sonne, mal Regen. Vor allem aber sind es weitestgehend klassische Sonic-3D-Stages, bei denen ihr in den Screen hineinrennt und versucht den Parcours schnell zu bewältigen. Dazu möglichst viel goldene und ein paar rote Ringe greifen und vor allem nicht von der Bahn ins Bodenlose fallen. Kennt man. Gab es schon mal besser als hier, gab es bereits häufig weit schlechter mit dem blauen Igel. Man kann sich hier in manche der Stages ein wenig verbeißen, ein paar wenige vergisst man lieber schneller wieder.

Hätten sie das hier zuerst gezeigt, wäre Sonic Frontiers zur Ankündigung gefeiert worden. Auch wenn es am Ende nicht der gute Teil des Spiels ist.

Diese Stages, die vereinzelt als Reminiszenz an alte Tage auch mal von der Seite als 2,5D-Hüpfer scrollen, dauern selten länger als zwei Minuten und sie zeigen zumindest, was Sonic ausmacht: Tempo, halbwegs solide Kontrolle über dieses und Ringe sammeln. Diese Aspekte in eine offene Welt zu bringen, erscheint dagegen seltsam. Ich kann überall hinrennen? Wege nehmen, wie ich möchte? Ist das nicht ein sinnloser Sammelmarathon? Frustrierend, weil ich ständig lang rase, wo es nicht geht? Bleibe ich ständig wo hängen? Ich gebe zu, meine Vorstellungskraft war hier eingeschränkter als die von Team Sonic.

Was sie taten, war einen Spielplatz zu bauen. Ihr besucht nach und nach mehrere Landschaften in Form richtig großer Inseln. Auf diesen gibt es überall verteilt Trampoline, Rails, Plattformen und vieles mehr, was Sonic in alle möglichen Richtungen lenkt. Jeder dieser Startpunkte ist der Beginn eines nicht immer direkt erkennbaren Parcours, der euch über weite Teile der Insel führen kann und immer in einer kleinen Belohnung endet, wenn ihr denn das Ende erreicht. Es ist wirklich ein Spielplatz, ich kann es nicht treffender beschreiben. Ihr werdet am Eingangstor abgesetzt und dann schaut ihr, ob ihr euch Schaukel, Hüpfburg oder Wippe greift, um Spaß zu haben.

Das ist die offene Welt, mit der Sonic punkten kann. Wer hätte es gedacht.

Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet das so viel Freude bringt, aber ich fand mich eine Viertelstunde damit zuzubringen, an ein Item außer Reichweite zu kommen. Dann fand ich den richtigen Startpunkt, die richtigen Rails und Sprung-Ringe und stand endlich auf der unerreichbaren Plattform. In vielen anderen Fällen hüpfte ich einfach los und schaute, wohin es mich führte. Das offenbarte mitunter, wie gut und fließend die langen Bahnen sind. Wie abenteuerliche Murmelbahnen und dank einer auf diesen gelungenen Steuerung und Kamera funktionierte alles, woran der Igel sonst so oft scheiterte. Ich hatte und habe noch Spaß, aktuell sogar 100 % Ambitionen auf den Inseln. Ob ich das schaffe, weiß ich nicht, da warten ja noch so viele andere Games. Aber der Spaß und der Wunsch sind da, das ist nach einem Test schon immer viel wert.

Da nur Parcours und Hüpfen auf Dauer ein wenig öde und limitiert wären, gibt es auch noch hier und da ein paar Rätsel. Das reicht vom nervigen Statuen drehen und Lichtstrahlen verbinden zu sympathischen Plattform-Puzzles. Es ist ein weites Spektrum, nichts davon erfindet etwas neu, aber so ist das auf dem Spielplatz eben. Schließlich warf man noch ein paar Gegner mit rein und in wahrlich allen Größen. Von Sonics eigenem Format hin zum Hundertfachen ist alles dabei und sie sind nicht ganz so furchtbar, wie es in den Trailern den Anschein hatte. Jeder Welt hat ihre eigenen Gegner und alle erfordern ein paar kleine Kniffe eurerseits. Manche müsst ihr erst umrunden, um ihre Panzerung zu knacken, ein anderer legt in der Luft einen Minenteppich aus, über dessen erkennbare Blindgänger ihr zu ihm nach oben hüpft. Es ist mitunter etwas zu viel Button-Mashing dabei, aber es geht alles. Die Abwechslung ist da und das ist viel wert, denn ihr müsst die Gegner auch zumindest gelegentlich angehen. Sie lassen nämlich Items fallen.

Story? Leider vorhanden, kann man wegdrücken.

Sonic Frontiers legt viel Wert auf Level-Progression und ihr upgradet nicht weniger als vier Eigenschaften: Tempo, maximale Ringzahl, Angriff und Rüstung. Ringe dienen als Lebensenergie, wobei ihr bei einem Treffer nicht alle verliert. Manche Attacken rauben euch nur ein Dutzend Ringe, andere dann doch vielleicht alle. Damit diese Zahl niedrig ausfällt, steigert ihr die Rüstung. Tempo ist klar, wobei der Effekt sich in Grenzen hält. Dank eines fast endlosen Super-Boost ist Sonic eh schnell genug. Und Angriff dezimiert eben die Energie der Feinde schneller.

All das klingt erst mal so unnötig wie nervig in einem solchen Spiel, zumal es viel Sammelarbeit erfordert. Das Gute ist, dass Letzteres praktisch nebenbei abläuft. Ich habe nur selten mal etwas Grinden müssen und wenn, dann waren es Schlüssel, die ihr in den kurzen Sub-Leveln bekommt. Der Rest passiert halt, während ihr die Inseln erkundet. Oder um es so zu sagen: Fast immer hüpfte ich, weil das Hüpfen Spaß machte und nicht, weil ich etwas steigern wollte.

Es ist ein Japan-Spiel, natürlich wird geangelt. Hier sogar so schmerzfrei, dass es okay ist.

Selbst über die großen Stage-Bosse kann ich nicht mehr so lästern, wie ich es anfangs getan hätte. Ihr schaltet nach und nach Angriffskombos frei und wenn ihr die nutzt, dann ist sogar fast egal, dass die Kamera bei den Riesenbossen gerne mal aufgibt. Einfach die Kombo machen, Auto-Lock wird es schon richten. Diese Kämpfe machen auch dann wenig Spaß, aber sie sind nicht das dämliche, minutenlange Button-Mashing, das ich zuerst vermutete. Auch sonst sind es vor allem die großen Gegner, bei denen es immer mal wieder hakt und die Kamera, die sonst so erstaunlich gut ihrer Arbeit nachkommt, gibt schlicht auf. Aber man kommt durch, es geht schon irgendwie und danach kommt ja wieder der große Teil von Sonic Frontiers, der Spaß macht.

Was die Technik angeht, ja, Sonic Frontiers ist nicht das schönste Spiel und die Inseln an sich wirken relativ leer, zumindest jenseits der vielen Rampen und Rails. Diese zu erkennen ist aber auch wichtig, also passt das wohl. Trotzdem, eine Welt, die wirkt, wie die Nordküste Irlands an einem regnerischen Herbsttag, schreit jetzt nicht gerade Sonic. Seltsame Wahl für den Start. Ansonsten überzeugen die 60 Frames und die Weitsicht, die mit der Leere erkauft wurden. Ein guter Tausch, beides ist hier wichtiger als Deko.

Die Welten dürften bewusst recht leer sein, um die Parcours besser lesen zu können. Und auf der Switch hier, damit das Spiel zumindest die 30 Frames sauber halten kann.

Selbst die Switch-Version ist okay, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Dass sie nur mit 30 Frames läuft, das war zu erwarten, aber die Spielbarkeit leidet nicht zu sehr, zumal diese Zahl weitestgehend gehalten wird. Wo es dann mitunter kritisch wird, das ist die Sichtweite auf der Switch. Auf der ersten Insel geht es noch, aber schon auf der zweiten sind die Parcours teilweise so weitläufig, dass das eine Ende schlicht nicht da ist und es damit schwer wird zu erkennen, wie man denn nun eine Plattform erreicht. Trotzdem, insgesamt ist auch die Switch-Version im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht viel schlechter als die anderen. Nur dass diese eben klar zu bevorzugen sind.

Sonics Stimme fällt ein wenig seltsam aus, etwas älter und unpersönlich. Offen gestanden weiß ich nichts, wann da der Wechsel in der Serie passierte, aber so richtig passt diese hier nicht. Meine Wahrheit dazu liegt irgendwo zwischen Helium und Manager in den mittleren Jahren. Nun, immer noch besser als in Deutsch, da bekam den Job ein sicher total netter und bei dem, was er sonst macht, ausgezeichneter YouTuber, der aber als Synchronsprecher so gut ist, wie ich es wahrscheinlich wäre. Nicht sehr gut. Schade, abschalten oder umschalten wäre mein Rat.

Noch mal Switch: Die Welt an sich wird komplett dargestellt, aber die Rampen und Rails werden deutlich später als auf der PS5 in Sonic Frontiers gezeichnet.

Musikalisch ist es auf jeden Fall interessant. Die atmosphärischen Klänge auf den Inseln sind fantastisch, wenn auch überhaupt nicht „Sonic“. Sie passen perfekt zu den Stimmungen und werden auch nach Stunden nicht langweilig oder gar störend. Damit sind sie das Gegenteil der Boss-Musiken, die so klingen, als würde man versuchen eine schlechte Elektro-Dubstep-CD in einem Thermomix abzuspielen. Sonic kann akustisch der Himmel oder die Hölle sein, das hat die Reihe oft bewiesen. Sonic Frontiers kombiniert das, aber zum Glück mit sehr starker Himmels-Betonung.

Noch mal PS5: Sonic Frontiers ist das erste gute 3D-Sonic seit Sonic Lost World. Und das liegt mittlerweile fast 10 Jahre zurück.

SEGAs Entscheidung vielen Redaktionen Sonic Frontiers erst in letzter Minute zu geben, war nicht sonderlich schlau, denn das Spiel macht mir immer mehr Spaß, je länger ich es spiele. Ich nehme an, dass die Paranoia mittlerweile bei Team Sonic einfach fest eingebaut ist, zumal die erste Reaktion auf Frontiers – auch meine – nicht gerade optimistisch ausfiel. Aber siehe da, Sonic Frontiers gelingt, was vielen Titeln der Reihe schwerfällt, nämlich schlicht Spaß zu machen. Es hat nie die Brillanz eines Mario: Odyssey, aber das stand eh nie zur Debatte.

Aber die riesigen Parcours-Spielplätze von Frontiers haben es in sich und sie zu erkunden und immer neue Bahnen zu entdecken und auszutesten, macht einfach Freude. Das merkte ich schon daran, dass mich das zunächst schon in seiner Existenz bedrohlich wirkende Auflevel-System nie groß störte. Weil ich eben Spaß, hatte alles zu erkunden, sammelte ich die Punkte dafür ganz nebenbei. Sonic Frontiers ist ein echter Erfolg dabei, den Igel aus seinem normalerweise starren Level-Konzept hinaus in eine größere Welt zu bewegen und richtig hinzubekommen, was zählt: Steuerung, Speed, Momentum und schlichter Spielspaß an all diesen Dingen. Dass die Bosse da noch hinterherhinken, na gut. Die waren in Sonic noch nie berühmt.

Sonic: Frontiers ist der klare Beweis, dass die Reihe eben doch mehr sein kann, als Hommagen an bessere Tage in Form von Sonic: Mania. Sonic kann auch ein modernes, sehr unterhaltsames Plattformer-Spiel sein. Hatte man mittlerweile vergessen, dass das geht.

Sonic Frontiers Test – Wertung: 8/10 (PlayStation, Xbox, PC), 7/10 (Switch)

Sonic Frontiers – Pro und Contra

Pro
  • Die großen Parcours in den Welten sind gut designt
  • Steuerung und Kamera arbeiten mit statt gegen euch (wenn es kein Bosskampf ist)
  • Viel zum Erkunden und Entdecken, wenig Zwang, wie ihr dabei vorgeht
  • Level- und Progressionssystem läuft nebenbei und ohne Grind ab
  • Großartiger Soundtrack in der offenen Welt
  • Die kleinen Levelwelten sind im Durchschnitt immerhin okay
Contra
  • Die kleinen Levelwelten sind im Durchschnitt nur okay
  • Die Bosskämpfe spielen sich nicht gut, aber klingen noch viel schlimmer.
  • Die englische Sychro ist nicht gut, die deutsche noch weniger
  • Es gibt eine Story und sie ist so gut, wie Sonic-Game-Stories eben sind (sprich: furchtbar)
  • Auf der Switch deutlich kürzere Sichtweite der Parcours-Elemente, nur 30 Frames

Entwickler: Team Sonic - Publisher: SEGA - Plattformen: PS4, PS5, PC, Nintendo Switch, Xbox - Release: 8.11.22 - Genre: Platformer - Preis (UVP):ca. 60 Euro

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Sonic Frontiers

PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC, Nintendo Switch

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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