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Sonic Mania - Test

To be this good takes ages? Entweder das oder mal frisches Personal.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Das 32-Bit-Sonic, das es nie gab und besser als je gedacht: Durchgehend cleveres Leveldesign, Koop, Charme ohne Ende und viel zu hüpfen.

Ich habe damals - oder auch sonst in meinem Leben - nie einen klassischen Fanbrief geschrieben, wie man ihn damals in Nintendo Power oder ähnlichen Magazinen zuhauf finden konnte. Aber man ist ja nie zu alt, um was Neues auszuprobieren, auch wenn kein anderer es mehr macht. Also, hier mein erster Fanbrief, der so tut, als wäre jetzt vor langer Zeit, schließlich macht Sonic Mania das auch:

Back in the Green Hill Groove...

"Lieber Christian "Taxman" Whitehead,

ich schreibe, um Dir zu sagen, dass ich Dein Spiel Sonic Mania total gut finde und auch, dass Du Sega hilfst, endlich mal ein richtig gutes Sonic-Spiel zu machen, weil die ja immer nur 3D mit Werwölfen und so machen und das fand ich jetzt nie so gut, auch wenn da ein paar gute dabei waren, weil ich Sonic Lost World total gern mochte. Aber Sonic Mania ist viel besser als das, weil es ist in 2D wie die alten Sonics und das passt total gut und die Grafik sieht total bunt aus, was auch richtig gut passt. Dass Sonic wieder viel durch Loopings rennt, aber dann auch wieder mehr hüpfen muss, ist klasse, weil das macht total Spaß. Vor allem gibt es in jedem Level immer neue Sachen zu entdecken. Ich fand den Eiswald mit den roten Blättern total schön und hab den total gerne gespielt. Außerdem ist das Spiel schön lang. Weil ich nicht so viel Taschengeld habe und mir nicht so viele Spiele kaufen kann, finde ich das gut, dass ich auch mit meinen Freunden zusammen alles spielen kann. Es ist auch toll, dass es keine Geschichte gibt, die stört, wenn ich spielen will und ich finde die Herausforderungen und Zeitrennen viel besser als eine blöde Geschichte. Sonic Mania ist das beste Spiel, das ich je gespielt habe und ich finde es gut, dass Du weiter bei Sega Spiele machst und ich freue mich auf Freedom Planet 2, weil das erste war ja auch irgendwie ein Sonic-Spiel. Das wird bestimmt total cool, so wie Sonic Mania.

Martin W. aus B. (vorübergehend so um geschätzte 8 Jahre alt)"

Okay, habe ich das auch mal gemacht, noch einen Lolli und zurück zum Ernst des Lebens.

Für die meisten Zeit hatte ich den Scanline-Simulator angeschaltet. Der Effekt ist sehr angenehm und in Bewegung auch sehr authentisch. Was die Levels angeht: Ob eingeist...

Aber mein eigentlich zu junges Alter Ego hat nicht unrecht: Es brauchte ein paar Jahre und jemanden, der nicht im Team-Sonic-Sumpf aufwuchs, um endlich mal wieder ein Sonic abzuliefern, das sich direkt in die Reihe einsortieren darf, nichts mit 3D am Hut hat, wenig Interesse an HD zeigt und sich stattdessen um das kümmert, nach dem die verbleibenden paar Fans seit ungefähr 20 Jahren rufen: Endlich mal wieder ein gutes 2D-Sonic wie früher. Okay, Generations war klasse, Teil 4 war auch gut, aber das ist ja nun auch wieder alles ein paar Jahre und missverstandene - Lost World - oder komplett verbockte - Boom - Sonics her.

Das hier jedoch, das ist es. Bis auf den Namen. Sonic Mania klingt wie ein Mickey-Mouse-Crossover, ich kann nicht mal sagen warum. Ich frage mich, wie es wohl heißen würde, wenn Mania auf dem Dreamcast vor 15 Jahren erschienen wäre. Es fühlt sich an wie ein Saturn- oder Dreamcast-Spiel. Mehr DC, weil so weit ist es dann in der Technik fortgeschritten - wenn auch nicht viel weiter -, aber spielerisch eher Saturn, weil es auf dem Gerät ein paar wirklich gute 2D-Hüpfer gab, nach denen sich Mania stellenweise irgendwie anfühlt.

...mit Riesenpflanzen spielend...

Vor allem aber kümmert sich Mania mehr als jedes andere Sonic darum, sich selbst frisch und den Spieler immer neu bei Laune zu halten und das auf eine Weise, die praktisch kein Sonic je besonders gut hinbekam. Fast jeder Titel der Reihe hatte ein Gimmick zum Grundgerüst aus Hüpfen und Rennen: Schon früh der Koop, dann eine Art Gummiband, dann eine isometrische Perspektive, dort dann ein Werwolf, da dann in 3D in den Screen rein- oder rausrennen. Dieses Gimmick zog sich dann durch das ganze Spiel und weiterführende Ergänzungen beschränkten sich eher auf ein Leveldesign um das Feature herum und thematische Variationen in den Spielwelten.

Letzteres gibt es natürlich auch bei Mania und nicht zu knapp. Zwölf gewaltige Level, jeweils in zwei riesige und voneinander auch mitunter schon mal fast grundverschiedene Segmente aufgeteilt, bilden die vielleicht größte Spielwiese aller 2D-Sonics, vor allem aber die abwechslungsreichste. Jeder der insgesamt eigentlich 24 Stages hat natürlich Rampen, Loopings und hier und da ein paar Gegner, vor allem aber bringt jeder ein eigenes kleines Gimmick mit. Das sind häufig Kleinigkeiten wie windige Bereiche, bestimmte Gummiband-Schwingen, die den Igel katapultieren, Eisnebel, der ihn in einfriert, aber auch unverwundbar macht, und vieles, vieles mehr. Manchmal sind es drei oder vier solcher Dinge, die es dann wirklich nur in dieser Halb-Stage gibt. Nichts davon ist spannend genug, um als Aufhänger für ein ganzes Spiel zu dienen. Aber so, wie es hier eingebaut wurde, erreicht nichts das Verfallsdatum, bevor ihr eine Stage weiter seid.

... oder im Lotto-Jackpot, ihr trefft in jedem Stage auf neue Hindernisse und Chancen.

Das Ergebnis ist einer der abwechslungsreichsten Hüpfer in einer Spielewelt, in der sich nach wie vor vieles um das eine, ein Spiel definierendes Gimmick dreht. Was keineswegs nicht immer schlecht sein muss, wie viele Indies zeigen, aber eben auch etwas ist, mit dem die Sonic-Serie nie besonders gut fuhr. Am beeindruckendsten zeigt sich diese Gameplay-Kreativität bei den Bossen. Auch andere Sonic-Spiele gingen immer wieder mal in die Richtung, aber hier, in diesem stark auf Retro-Flair ausgelegten Spiel, hätte es mich nicht gewundert, jede Runde dreimal gegen Dr. Robotnik zu hüpfen. Das gibt es auch. Ein einzigen Mal. Danach ist jeder Boss anders und das teilweise dramatisch. Am drastischsten verlässt Mania das Skript schon in einer frühen Stage, in der ihr dann gar nicht hüpft, sondern eine richtig nett umgesetzte "Dr. Robotniks Mean Bean Machine" spielt. So gut umgesetzt, dass ich gerne noch ein paar Runde dran gehängt hätte. Aber vielleicht versteckt sich das ja als Bonus-Spiel hinter einem der noch verschlossenen Fragezeichen in der Extras-Ecke. Manche Bosse waren frustrierend - aber nicht unfair -, andere so clever, dass ich ein paar Versuche lang gar keinen Schaden machte, bevor ich wusste, was das Spiel von mir will, manche waren auch sehr simpel. Aber jeder von ihnen machte sein eigenes Ding.

Das allein wäre schon ein sehr solides Solo-Sonic gewesen, aber man geht einen Schritt weiter. Oder zurück, schließlich hatte schon Sonic 3 eine Art Dauer-Koop-Modus, auch wenn dieser noch nicht ganz ausgreift war. Hier ist es genauso wie damals, nur anders. Etwas ausgereifter. Etwas. Wenn ihr allein spielt, ist immer auch eine zweite Figur dabei. Welche, das entscheidet ihr beim Start eines Spielstandes und gewechselt wird dann nicht mehr. Außer ihr nutzt einen anderen vom dem guten Dutzend Speicher-Slots. Diese Zweitfigur hüpft dann mit und zwar indem sie jede Bewegung, die ihr ausführt, ebenfalls macht. Die meiste Zeit werdet ihr es gar nicht beachten, wenn Tails mal wieder in einen Gegner krachte, über den ihr hinweg gehüpft seid, oder er von einer Rampe, die ihr nicht genommen habt, sonst wohin katapultiert wird, nur um ein paar Sekunden später wieder magisch auf den Screen zurückzukehren. Es gibt ein paar Situationen, in denen ihr diese Mechanik mit ein wenig Geschick und Timing aber auch sinnvoll nutzen könnt, um zum Beispiel einem Boss einen Extra-Treffer mitzugeben.

Für das komplette J-Feeling: Schaltet doch mal die Menüs um. Nur um zu sehen, wie schnell ihr später das Optionsmenü findet.

Zu zweit dann spielt einer natürlich die Hauptrolle, während der andere zusehen darf, wo er bleibt. Das kann für den zweiten Spieler viel Frust bedeuten, schließlich hat er nicht so viel Einfluss auf sein Schicksal. Aber er hat auch unendlich Leben und wird immer wieder zurück auf den Screen gebracht, was gerade einige der Boss-Kämpfe, die meist auf einem Screen stattfinden, sehr viel einfacher macht. Spieler Eins kümmert sich darum, am Leben zu bleiben, Spieler Zwei ist für die Treffer zuständig. Teamwork zahlt sich aus, wenn eine Hälfte des Teams unsterblich ist. Also, ein sehr spaßiger und willkommener Couch-Koop-Bonus, der aber leider keine Online-Komponente hat. Es wäre witzig gewesen, wenn ohne euer Wissen ein anderer Spieler per Drop-In-Drop-Out-Koop einfach mal die andere Figur für eine Weile übernehmen könnte und mitspielt. Zu sehen, dass Tails plötzlich mehr oder weniger sinnvolle Sachen macht, oder eben auch nicht, hätte sicher Potential. Nur ein Gedanke, keine Kritik.

Echte Kritik bekommen die Bonus-Zonen ab. Ihr habt einmal versteckte Riesenringe, die euch in eine Art Ur-Mario-Kart für Arme befördern, in Anlehnung an Sonic CD. Ihr verfolgt ein UFO, das den üblichen Choas-Diamanten trägt. Wenn ihr schnell genug Kugeln sammelt und so beschleunigt, dann könnt ihr es einholen. Schwer, mäßig zu steuern, klares geht so, auch wenn ich den 3D-Effekt mag. Die andere Variante ist ein Schachbrettmuster auf einer Art Weltkugel, bei dem ihr an den Schnittpunkten abbiegen dürft, um die blauen Kugeln zu sammeln, siehe hier Sonic 3. Rote Kugeln befördern euch direkt zurück in den Level. Unübersichtlich, schlecht zu steuern, gar nicht spaßig. Siehe Bonus-Level in Sonic 3. Dann lieber schon den Time-Attack-Modus im Hauptmenü, Level in Rekordzeit absolvieren und in Highscore-Listen gucken, dass andere da viel schneller sind.

Hübsch und wenig spaßig: Ist eindeutig ein Sonic-Bonus-Level.

Aber eigentlich ist jede Stage erst mal ein Time-Attack. Ich glaube, ich hatte in keinem Sonic-Spiel so viele Probleme mit dem 10-Minuten-Limit für eine Stage, zumindest in den ersten Anläufen. Die Level sind einfach dermaßen groß und einige Stellen fast schon kleine Geschicklichkeitspuzzles, dass da mehr als einmal der Timer des Igels Ende war. Auch mit nur drei Leben für eine Stage zu starten ist erstaunlich altmodisch, zumal in jeder ja aus zwei Leveln bestehenden Zone erst gespeichert wird, wenn beide geschafft sind. Das Einzige, was da nicht an früher erinnert, ist, dass ihr nach dem Ausschalten der Konsole nun nicht mehr ganz von vorne starten müsst, aber dafür wäre Mania auch schlicht ein wenig zu groß.

Das "wie früher" ist hier auch in jeder Hinsicht mal positiv gemeint. Stilistisch ist das Spiel für jeden 32-bit-2D-Fan eh ein Gewinner auf der ganzen Linie bis zum Anschlag. Das schönste 2D-Sonic? Ja. Mit Abstand. Der Soundtrack? Eine perfekte Hommage an alte Melodien, neu arrangiert und tadellos gemastert. Passt. Perfekt. Die Steuerung? Nun, Teil 4 versuchte da etwas moderner zu werden, das erzürnte manche Fans, also lässt es Mania mit den Experimenten und lenkt sich in etwa wie Sonic 2, vielleicht CD, irgendwo dazwischen, so sehr bin ich dann auch nicht der Meister jedes Igeldetails. Aber insgesamt würde ich über die Steuerung sagen, dass sie nach wie vor und nach all den Jahren immer noch nicht ideal ist, aber für das, was sie tun soll, sehr solide ihre Arbeit macht. Wie auch früher eben.

Auf zu neuen Abenteuern! (Und das ist auch alles, wozu Tails jemals gut war.)

Sonic Mania ist das 2D-Dreamcast-Sonic, das uns nie vergönnt war und es ist besser als wir es uns ausmalten. Es ist das beste Sonic seit... Wow, sind das jetzt wirklich 25 Jahre, seit ich Sonic 2 gekauft habe? Scheint so. To be this good really takes ages. Aber von mir aus, besser spät als nie. Diese knallige Farbenpracht in 60 glücklichen Frames pro Sekunde mit all den guten Gameplay-Ideen, die nicht nur im Spiel insgesamt, sondern jedem einzelnen Level stecken, ist genau das, was die Fans seit dem Release haben wollten und wozu Sega aus welchen Gründen auch immer nie in der Lage war, es so simpel wie brillant zu liefern. Sicher, Puristen werden sich an dem Sonic-3-Dauer-Koop stoßen, aber weder da noch hier kann ich sagen, dass er mich irgendwie gestört hätte. Ganz im Gegenteil, es ließ mich immer wieder schmunzeln, wenn der wie immer weitestgehend nutzlose Tails sich mal wieder sonst wohin schießt.

Beim eigentlichen Leveldesign würde ich so weit gehen und sagen, dass es die Schöpfungskrone der 2D-Sonics ist. Teil 2 hatte damals ein etwas geradlinigeres Design, etwas kompakter, Mania erschlägt einen manchmal ein wenig. Aber dass wirklich jede Stage seine ein, zwei eigenen Ideen nicht nur mitbringt, sondern auch sinnvoll einbringt, setzt es für mich an die Spitze. Da ich was kritisieren muss, das ist nun mal die goldene Regel: Die Bonus-Runden sind so mäßig wie sie immer waren. Wer die Chaos-Diamanten will, muss hier ein wenig leiden. Aber da mich diese noch nie interessierten und ich Sonic für schnelle Action, clevere und verschachtelte Hüpfpassagen und diesen einmalig bunten Look mit der genialen Musik spiele: Sonic Mania macht einfach rundherum glücklich. Von diesem ersten "SEEEGAAA" bis zum Abspann.

Der Igel hat nur ein Problem: Wie immer wird Mario auch dieses Jahr noch besser sein. Aber das kennt Sonic ja. Damit kann er umgehen.

Entwickler/Publisher: Headcannon, PagodaWest Games / SEGA - Erscheint für: PC, PlayStation 4, Xbox One, Switch - Preis: ca. 20 Euro (Download)- Erscheint: 15.8. (Konsole), 29.8. (PC) - Getestete Version: Xbox One - Sprache: deutsch, englisch, japanisch - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Sonic Mania

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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