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Space Hulk - Test

30 Euro sind billiger als 300. Damit ist das doch automatisch ein Schnäppchen, oder?

Das hier ist ein ganz schwieriger Fall. Oder ein ganz einfacher, je nachdem, wie man es betrachtet. 30 Euro für ein nach modernen Maßstäben von XCOM und Co. sehr limitiertes Runden-Taktik-Spiel, das nicht sonderlich gut aussieht und eine ebenso kurze wie unspektakuläre Kampagne bietet, das klingt jetzt nicht gut. Aber das würde am Punkt von Space Hulk vorbeigehen und der war und ist es nun mal eine exakte Umsetzung des 1989er Brettspiels Space Hulk von Games Workshop.

Wenn ihr möchtet, dass eure Brettspielfiguren auch so aussehen, wird euch Tyson Koch von figurepainters.com sicher helfen können. Dann vergesst aber schnell die Preise, die ich für das Spiel nannte.

1993 in Deutschland bei Welt der Spiele erschienen, erreichte es nie ganz die Bekanntheit des regeltechnisch abgespeckten StarQuest. MB-Spieles Vertriebswege waren halt damals praktisch unschlagbar und so baute man mit diesem Namen auf dem Erfolg des ebenfalls zusammen mit Games Workshop entworfenen HeroQuest auf. Space Hulk wurde bisher in drei Editionen veröffentlicht, die letzte 2009 sogar auf Deutsch und über Welt der Spiele. Das Problem dabei ist, dass es zwar nicht unmöglich, aber doch sehr teuer wird, ein Exemplar zu kaufen. Eine kleine Rundschau ergab, dass ihr zwischen 150 und 300 Euro je nach Zustand auf den Tisch legen müsst, um Space Hulk als Brettspiel zu ergattern. Plötzlich erscheinen 30 Euro für das Computerspiel relativ günstig, oder?

Weniger Story, mehr Gemetzel

Space Hulk spielt wir so ziemlich alles Relevante was Games Workshop in Zusammenhang mit SciFi veröffentlichte im Warhammer 40K-Universum, kratzt inhaltlich aber nur sehr zaghaft an der Oberfläche. Vergesst nicht, die Einleitung in dieses übertrieben komplexe Universum passte auf wenige A5-Seiten. Die Menschheit, inzwischen als semi-alt-römisches Imperium geführt, entdeckt im Weltraum riesige treibende Raumschiffe, sogenannte Space Hulks. Um diese zu erforschen, werden Elite-Einheiten, Terminatoren, hineingeschickt, um in den engen Gängen wichtige Aufgaben zu erfüllen, bevor sie von den Genestealers, die hiesige Giger-Design-Diebesbeute, überrannt werden.

Die Schulterkamera, die ihr oben rechts seht, ist ein kleines Gimmick ohne echten Nutzen. Aber eigentlich braucht jedes Spiel dieser Art eine wackelige Flimmersicht, wenn das Alien dann kommt. Das ist seit 1986 Gesetz.

Das ist eigentlich auch schon alles. Eine Mission in Space Hulk gibt euch ein ganz klares Ziel, wie einen bestimmten Raum zu erreichen und zu sichern. Der Weg dahin besteht weitestgehend aus langen Gängen und kleinen Verbindungsräumen. Dies spiegelt sehr gut den Aufbau des Spielbretts wieder und viel größer sind die Level nicht angelegt. Eine große Handlung sucht ihr vergebens, euer Team muss halt die sehr magere Kampagne mit gerade mal einem Dutzend Missionen überstehen, um den Hulk zu säubern. Wiederum, klingt wie ein paar lange Abende mit dem Spielbrett, lustigen Plastikfiguren und vielen, vielen Würfeln. Authentisch getroffen also. Nach normalen Computerspiele-Maßstäben ultradünn.

Rundenweise ziehen immer erst die Space Marines, dann die Genestealer. Es gibt verschiedene Typen von Marines. Manche haben die 40K-üblichen Bolter, andere Flammenwerfer, wieder andere sind Nahkampfexperten oder Anführer, die dem restlichen Trupp Boni verleihen. Dank der monströsen Rüstungen könnt ihr mit einer Figur nicht einfach an einer anderen vorbeiziehen, sollte neben ihr kein freies Feld sein. Da die meisten Gänge nur ein Feld breit sind, ist die Reihenfolge, in der ihr euch durcharbeitet, essenzieller Teil der Strategie. Sichert Seitengänge - Marines schießen nur auf Sachen, die sie in direkter Linie sehen -, achtet auf euren Rücken und steht euch nicht gegenseitig auf den Füßen. Innerhalb einer Runde habt ihr nur sehr begrenzte Bewegungspunkte, sodass sogar eine 90-Grad-Drehung, die einen dieser verbraucht, überlegt getan werden will.

Die Stärke der Genestealer liegt in ihrer Anzahl. Wenn man oft genug würfeln darf, wird eines der Monster es schon schaffen einen Marine niederzukämpfen.

Die taktischen Möglichkeiten dienen vor allem der Überwachung des Bereichs und so dem rechtzeitigen Abfangen der Genestealer bei Kontakt.

Die Genestealer haben es insoweit einfacher, als dass es nicht nur eine Handvoll von ihnen gibt. Jede Runde darf der Spieler, der sie übernimmt - oder die KI in der Solo-Kampagne - neue an bestimmten Spawn-Punkten setzen und die schon auf dem Feld befindlichen ziehen. Er bringt sie in Position und baut seine Falle auf. Bis zu diesem Punkt dürfen sie nicht in Sichtlinie eines Marines ziehen, sich sonst aber großzügig bewegen. Ist alles bereit, entscheidet er sich, die Genestealer aufzudecken und ab da können sie die Marines angreifen, aber eben auch selbst sehr schnell vernichtet werden. Ihre Stärke liegt in ihrer Anzahl, aber wenn man oft genug würfeln darf, wird eines der Monster es schon schaffen einen Marine niederzukämpfen.

Dahintersteckt kein komplexes RPG-System aus Rüstungswerten oder ähnlichen Dingen. Es gibt einfach eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein Marine bei einem Angriff stirbt, so wie seine Angriffe bestimmten Wahrscheinlichkeiten gehorchen. Es ist halt ein relativ einfaches Würfelsystem. Drei Schwierigkeitsgrade machen den Kampf gegen die KI einfacher, indem es keine Fehlladungen bei den Waffen gibt, oder schwerer, indem die Monster schwerer zu töten sind. Der mittlere Schwierigkeitsgrad ist aber genau der, der sich an die letzte, dritte Version des Brettspiels hält.

Dude, wo ist mein Editor?

Angesichts der vielfältigen taktischen Möglichkeiten, die ähnliche Spiele sonst bieten, ist das wenig, denn mehr gibt es nicht. Der größte Reiz ist aber sowieso nicht die Solo-Kampagne, sondern das Spielen gegeneinander, entweder online oder im klassischen Hotseat-Wechsel. Einer übernimmt immer die Marine, der andere automatisch die Genestealer und dann geht es los. Es ist wie das Original ein Zwei-Spieler-Game, der Hotseat funktioniert nicht viel anders als das Spielbrett und online hat man eigentlich nur das Problem, dass Leute gerne mal offline gehen. Zumindest passierte mir das häufiger, als dass ich mal eine Runde beendet hätte. Mit Freunden gespielt, sollte sich dieses Problem aber in Grenzen halten.

Der Editor soll nachgeliefert werden. Bald. Irgendwann. Kostenlos. Und dann soll er toll werden. Aber jetzt gibt es ihn noch nicht.

Die Karten sind übersichtlich, aber doch etwas größer, als man sie mit einer einzelnen Brettspielbox hinbekommen hätte.

Nun zur großen, finalen Frage. Wie gut ist der Editor? Schließlich kann man das Brettspiel ja jedes Mal neu und nach Gusto mit den einzelnen Elementen aufbauen. Das ist ein durchaus wichtiges Feature, will man nicht auf die 15 hier mitgelieferten Karten beschränkt sein. Die man zu zweit auch gut an einem langen Wochenende mehrfach bespielt haben kann, wenn man es denn drauf anlegt. Nun, die Antwort lautet: Ich habe keine Ahnung. Der Editor soll nachgeliefert werden. Bald. Irgendwann. Kostenlos. Und dann soll er toll werden. Aber jetzt gibt es ihn noch nicht.

Wie bitte?

Eines der wichtigsten und zu seiner Zeit ungewöhnlichsten Features des Brettspiels war, dass jede Runde etwas anders ablief, da man ja jedes Mal den Aufbau ein wenig veränderte und mit den Möglichkeiten herumprobierte. Wie spielt es sich mit großen Räumen oder sehr viele kurzen Gängen, was sind die Strategien für solche Situationen, das herauszufinden und zu experimentieren, war ein großer Teil des Spaßes. Das geht im Computerspiel nicht, es gibt derzeit 15 Karten und das war es. Na hoffentlich kommt der Editor schnell, denn ganz ehrlich: so nicht!

Von diesem nicht gerade kleinlichen Mangel mal abgesehen ist das Spiel schon jetzt recht ausgereift. Es gibt wohl ein paar kleinere Bugs, aber persönlich bin ich über keinen einzigen davon gestolpert. Die Soundeffekte bleiben unaufdringlich, zuweilen etwas zu dünn und die nah herangezoomten Attacken hätte man sich besser geschenkt. Am besten sieht Space Hulk aus der Distanz aus, aus der man auch ein Spielbrett betrachtet und da das auch die Zoom-Stufe ist, die sich am besten spielt, bin ich visuell zufriedengestellt. Sicher kein technisches Wunderwerk, aber doch hübsch genug. Nur die Schrittgeschwindigkeit der Marines hätte man etwas erhöhen können. Ich weiß, das sind echt große Rüstungen, aber trotzdem. Das zieht sich manchmal schon ganz schön.

Die Nahaufnahme wirkt anständig, erwartet aber bloß keine schnelle Action zu sehen.

Sobald der Karten-Editor erscheint und er zumindest halbwegs brauchbar ist, stehen da unten zwei Punkte mehr. Bis dahin komme ich nicht drüber weg, dass dies auf der einen Seite zwar eine großartige und extrem naturgetreue Umsetzung der Mechaniken des Brettspiels ist, aber eben eines der wichtigsten Features fehlt. Gerade im Multiplayer wäre es für den Dauerspaß unerlässlich immer wieder mit neuen Karten und Missionszielen auftrumpfen zu dürfen und sich gegenseitig herauszufordern. So, wie es sich jetzt präsentiert, ist das ganz schön dürftig für 30 Euro.

Aber auch, sobald neue Karten entworfen werden können, will ich euch noch mal ausdrücklich warnen. Als Umsetzung von Space Hulk hat sich Space Hulk seine Namensgleichheit redlich verdient. Wer das Brettspiel vermisste, oder es einfach mal wieder spielen will, ohne die wertvollen Figuren den Risiken der Benutzung auszusetzen - oder viel Zeit mit dem Aufbau zu verbringen - für den ist es genau das Richtige. Das ist das was ich erwartet habe, was ich wollte und nun mit der Einschränkung des (noch) fehlenden Editors auch bekam. Insoweit ist das Unterfangen Space Hulk absolut geglückt. Das macht es aber nicht zu einem Weltraum-Jagged-Alliance oder XCOM 2. Wer das erwartet, wird angesichts der doch übersichtlichen Möglichkeiten auf dem Spielfeld mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit enttäuscht sein.

6 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Space Hulk

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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