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Steam Deck im Test – Valves Handheld-PC ist deshalb ein Erfolg, weil er tatsächlich handlich ist

Wenn ich nicht am PC bin, bin ich auf'm Steam Deck.

Noch an meinem ersten Tag mit dem Steam Deck hatte ich eine ganz neue Wertschätzung für die Switch entwickelt. Denn wie Nintendo es geschafft hat, sowohl Leistung als auch Ergonomie und Praxistauglichkeit harmonisch zu verschmelzen, das ist bemerkenswert – zumindest dann, wenn man Valves Einstieg ins mobile PC-Gaming dagegenhält. Ich meine: Ihr habt die Überschrift gelesen. Am Ende hat es trotzdem gefunkt. Aber bis es so weit war… Junge, Junge!

Auch wenn es gleich etwas länger wird – sorry! –, will ich das Gerät gar nicht bis ins letzte technische Detail auseinandernehmen. Das meiste, was man zur Technik sagen kann, dürfte sowieso längst bekannt sein. Und trotzdem war ich tatsächlich überrascht davon, was den Alltag mit dem Deck letztlich ausmacht. Da gibt es nämlich eine Reihe an Dingen, die ich so nicht habe kommen sehen.

Portal darf auf dem Steam Deck nicht fehlen: Mit dem interaktiven Film Aperture Desk Job stellt Valve die Funktionen der Hardware vor.

Dabei war ich vom Start weg von der Idee begeistert und hatte das Gerät gleich am ersten Tag bestellt. Direkt vor Ostern kam die mittlere Version, also ohne verspiegeltes Display und mit 265 GB großer SSD, dann an, sodass mir Schoki und Eier in diesem Jahr eigentlich gestohlen bleiben konnten. (Auch wenn es die neben wertvoller Familienzeit natürlich trotzdem gab.)

Haptisch hapert's

Der erste Eindruck also? Das Ding ist echt schwer! Ich hätte nie vermutet, dass eine mobile Konsole mal zu viel wiegen könnte, aber diese hier macht klar, dass es mehr als das nicht sein sollte. Nun liegt das Deck zum Glück im Rahmen. Ermüdungserscheinungen spüre ich selbst bei langen Sitzungen nicht. Aber so richtig unbeschwert hantiere ich damit nicht, wenn ich es kurz vorm Einschlafen über die Schulter auf den Nachtisch zurückschiebe.

Überhaupt ist es hauptsächlich die Ergonomie, die mir anfangs Sorgen machte, denn so richtig elegant schmiegt sich das Deck nicht in die Hand. Man merkt schon, dass man da einen breiten Kasten hält, an dessen Seiten lediglich ein Gamepad-Profil gegossen wurde. Die oberen Schultertasten ragen etwa so weit über die Trigger hinaus, dass man immer erst umgreifen muss, um sie zu erreichen. Auch an die vier Tasten unter den Griffen komme ich in der Hitze vieler Gefechte weniger intuitiv heran als an die anderer Controller.

Die vier Tasten an der Rückseite gehören zu den zahlreichen Besonderheiten der Eingabemöglichkeiten und können wie jede andere Funktion frei konfiguriert werden.

Nicht einmal die Analogsticks können mich so richtig überzeugen, da man sie nicht so präzise unter dem Daumen fixieren kann, wie mir lieb wäre. Ich vermute, das liegt an ihrer glatten, nach innen abgesenkten Oberfläche und auch daran, dass man das Deck in einem etwas anderen Winkel greift als geläufige Gamepads. Es soll zudem erwähnt sein, dass man das Ding nicht hochkant nutzen kann. Da ich aber gerade mobil gerne Bullet-Hell-Shooter und Flipper spiele, ist das bedauerlich. Ach, ja: Und das nahezu nicht existente Rumble kann man getrost vergessen. Tatsächlich habe ich mich lange gewundert, ob ich eine An/Aus-Einstellung übersehen habe. Dabei war das witzlose Mikro-Rütteln längst aktiviert.

Nicht zuletzt muss auch ich außerdem die Akku-Laufzeit hervorheben. Denn das lässt sich wirklich nicht schönreden: Reizt man die Hardware mit technisch aufwendigen Spielen aus, geht nach weit weniger als zwei Stunden das Licht aus. Das betrifft ja nicht nur ganz große Titel wie Death Stranding oder Doom Eternal mit allen grafischen Details. Auch manch ältere sowie technisch scheinbar einfache Spiele bringen den Handheld so ins Schwitzen, dass ich mich sehr schnell in den Optionsmenüs wiederfand, um Details herunterzuschreiben und die Leistung zu drosseln.

Dabei läuft ohnehin nicht alles, was auf einem Windows-Rechner funktioniert. Immerhin nutzt das Deck sein eigenes Betriebssystem und fährt die meiste Software in einem Kompatibilitätsmodus, unter dem Nex Machina aber den Dienst verweigert. Auch HighFleet startet nicht, Danmaku Unlimited 3 ebenso wenig – genau wie viele andere Vertreter auf der Liste momentan nicht unterstützter Titel.

Flipper und Shmups kann man leider nicht im TATE-Modus spielen.

Bei For the King zieht der rechte Stick ständig nach links unten, Race the Sun erkennt das Deck nicht als Controller, Pinball FX 3 kann nur 720p, aber nicht die nativen 1280x800 Pixel darstellen und bei Overload sind die Spielstände in der Cloud nicht zwischen den Windows- und Linux-Fassungen kompatibel. Das sind die Freuden, denen man hier begegnet.

Nun kann man in vielen Fällen vermutlich Abhilfe schaffen, indem man Windows installiert, aber das habe ich noch nicht getan. Und ich will es auch nicht tun, denn bei aller Liebe zur Software-Bastelei bin ich doch hauptsächlich daran interessiert, was der mobile PC von Haus aus auf dem Kasten hat – ein wenig Frickelei gerne inbegriffen.

Valves flexible Werkbank

So unscheinbar das Deck auch wirken mag: Es ist eine mächtige Werkbank mit erstaunlich flexiblen Werkzeugen.

Tja, und an dieser Stelle wurde es eben doch auf einmal interessant. Denn so sehr man sich von der Idee verabschieden muss, das Deck sei eine Anschalten-und-Loslegen-Konsole, so sehr lässt es seine Muskeln spielen, wenn man nach dem Anknipsen noch ein wenig Zeit vergehen lässt, in der man sich mit den Besonderheiten auseinandersetzt. Valve hat nämlich viel, viel mehr getan als einen PC ins Kleinformat zu pressen!

Der Steam-Handheld ist vielmehr eine Art Werkbank, auf der man die Spiele mit sehr flexiblen Werkzeugen präzise an die eigenen Bedürfnisse anpasst – was dank übersichtlicher Menüs und leichter Handhabung überhaupt kein Problem ist.

Ihr wollt zum Beispiel mehr als zwei Stunden mit einem hardwarehungrigen Taktik-Rollenspiel verbringen? Es reichen zwei Eingaben, um die Bildrate von 60 auf 30 Bilder pro Sekunde zu begrenzen und schon steht euch deutlich mehr Zeit zur Verfügung. Wie viel mehr das ist, hängt immer vom Spiel ab. Wer es genauer wissen will, lässt sich sogar anzeigen, wie stark Hauptprozessor und Grafikchip gerade ausgelastet sind und wie viel Strom sie insgesamt fressen, um zusätzlich die maximale Wattzahl oder die Leistung der GPU zu begrenzen.

Die Anzeige oben links ist die wichtigste Hilfe beim Einstellen der gewünschten Leistung. Das Feld kann auf die Anzeige der Bildrate reduziert und um noch ausführlichere Informationen erweitert werden.

So versteht man plötzlich, warum Switch-Titel nur mit 30 Sekundenbildern laufen, obwohl technisch mehr möglich scheint. Es geht beim mobilen Spielen nicht um blanke Power, sondern um ein pragmatisches Balancieren von Machbarem und Spielbarkeit. Ich hätte zumindest nicht gedacht, dass ich mal freiwillig auf eine höhere Bildrate verzichten würde, und bei schneller Action kommt mir das auch hier nicht ins Haus. Aber oft ergibt es eben Sinn und in Anbetracht des Ergebnisses ist es dann auch weniger schmerzhaft, als man denken sollte. Ich finde es jedenfalls klasse, dass mir Valve die Kontrolle darüber gibt, anstatt mich auf ein vorgezeichnetes Anwendungsszenario festzunageln! Und dass es ein solches Kinderspiel ist, mit diesen Einstellungen zu jonglieren.

Nachdem ich anfangs zudem über die Ergonomie gemeckert habe: Zum allergrößten Teil fühlt sich alles, was einen Controller sonst noch ausmacht, angenehm hochwertig an. Zumal es sich um einen verdammt guten Controller handelt, der weit mehr kann als jedes andere Gamepad. Dazu zählt das Simulieren einer Maus per Trackpad – was so gut funktioniert, dass ich damit sogar Endless Space 2 spiele. Dass in solchen Fällen auch der Touchscreen hervorragende Dienste leistet, ist das Tüpfelchen auf dem i.

Die Sache ist, dass Vieles einfach läuft, ohne dass die Spiele je für dieses Hardware-Umfeld vorgesehen waren. Valve hat quasi hervorragende Übersetzungsarbeit für nahezu alle Einsatzzwecke geleistet und gibt einem auch hier ein mächtiges Werkzeug in die Hand: das freie Konfigurieren der Eingabemöglichkeiten, denen man jede erdenkliche Funktion zuweisen kann. Eine Bewegung des Gyro-Sensors nach oben soll die B-Taste auslösen? Bitte sehr!

Ob die Taste beim Drücken oder beim Loslassen aktiviert wird oder gar ein Dauerfeuer auslöst, könntet ihr noch genauso aussuchen wie vieles mehr. Jede Taste darf eine beliebige Tastatur-Eingabe sein, die Deadzones der Analogsticks sind ebenso einstellbar wie das Reaktionsverhalten beim Bewegen der Hebel, die Trackpads können Mausrad, Starttaste oder Anderes sein und so weiter. Diese Flexibilität macht die Schwächen der Ergonomie locker wett.

Leider fühlt sich ausgerechnet das tolle Hardspace: Shipbreaker nicht gut auf Steam Deck an. Die mitunter drastisch abstürzende Bildrate ist dabei das größte Problem.

Ach, und ich könnte ewig mit den Trackpads auf der virtuellen Tastatur herumtippen! Beide Daumen liegen dann auf jeweils einem Pad und bewegen voneinander getrennte "Mauszeiger" über die Tastatur, während das haptische Feedback die Fingerkuppen massiert. Klingt albern, ich weiß. Fühlt sich aber fantastisch an und funktioniert nach kurzer Übung hervorragend.

Läuft und läuft und läuft

Apropos funktionieren: Wie gesagt läuft nicht jedes Programm vernünftig auf dem Steam Deck – aber doch sehr viele mehr, als ich zunächst gedacht hatte. Wobei ich gar nicht die inzwischen 2.000 Spiele meine, die Valve ganz offiziell als voll kompatibel deklariert. Ich habe nämlich extra zahlreiche Titel heruntergeladen, die mit einem Ausrufe- oder gar Fragezeichen versehen waren, und die meisten laufen ohne nennenswerte Einschränkungen.

Das liegt zum einen daran, dass Valve die Messlatte seines grünen Häkchens ausnehmend hoch ansetzt und schon einem Spiel mit kleinen Texten oder einmaliger Verwendung der virtuellen Tastatur das gelbe Ausrufezeichen verpasst. Solche Programme laufen daher meist hervorragend. Zum anderen ist der Proton genannte Kompatibilitätsmodus so gut, dass die meisten Titel mit Fragezeichen ebenfalls keine Probleme machen, weshalb ich meist munter herunterlade und ohne Umschweife dort weitermache, wo ich am PC zuletzt aufgehört hatte.

Ja, ich werde weiterhin jede Gelegenheit nutzen, um das famose BallisticNG hervorzuheben.

Mit großer Freude sitze ich damit auf dem Sofa und rase durch den ebenso inoffiziellen wie großartigen WipEout-Nachfolger BallisticNG, den feinen Zwei-Stick-Shooter Assault Android Cactus oder das olle Geometry Wars: Retro Evolved und erlebe mit Impostor Factory das Finale der To-the-Moon-Trilogie. Sogar die eleganten Drifts in Hotshot Racing bleiben einem nicht verwehrt, obwohl das Spiel als "nicht unterstützt" markiert ist. Vielleicht habe ich dort nur etwas übersehen, aber bislang läuft es einwandfrei. Tatsächlich mache ich mir darum inzwischen kaum noch einen Kopf, denn der Großteil der Bibliothek arbeitet ohne Murren mit dem Deck zusammen.

Ganz Hartgesottene können sogar Microsofts Cloud-Service für Game Pass in Steam einbinden. An der Stelle bin ich dann zwar raus, denn mit der Eingabeverzögerung gestreamter Spiele stehe ich auf Kriegsfuß – schon alleine deshalb, weil sie recht zuverlässig Motion Sickness bei mir auslöst. Dafür bekommt man selbst den Epic Game Store zum Laufen. Den muss man – genau wie xCloud – auf dem Desktop des Betriebssystems manuell einbauen, doch mit einer entsprechenden Anleitung ist das schnell erledigt. Auch dort gibt es selbstverständlich einige mehr und andere weniger gut funktionierende Spiele (Sifu hängt sich leider bei jedem Tod auf), während die Benutzung des Stores virtuelle Maus und Tastatur verlangt, das sind aber auch hier verschmerzbare Einschränkungen.

Einer der besten Zwei-Stick-Shooter, Assault Android Cactus, passt zu Valves Unterwegs-PC wie die Faust aufs Auge.

Überhaupt: Dass das Deck nicht nur Konsole, sondern ein kompletter Rechner ist, macht es zu so viel mehr als jedes vergleichbare System. Es erweitert das mobile Spielen um die Vielseitigkeit eines PCs und macht diese Kombination endlich salonfähig, weil es die Komplexität der offenen Plattform so zugänglich macht, wie man es von Switch, PlayStation und Xbox kennt, ohne sie in irgendeiner Form zu beschneiden.

Die Möglichkeiten, mit denen man das variable Spielerlebnis über wenige Handgriffe an die individuellen Bedürfnisse des Unterwegs-Zockens anpasst, sind in meinen Augen der eigentlichen Clou. Sie sind es, die den Umgang mit dem Deck zu einem famosen Erlebnis machen.

Wusstet ihr, dass man auf eBay wesentlich mehr für den Handheld bekommt als er offiziell kostet? Nun halte ich von diesen Geschäften ohnehin wenig. Aber mal rein theoretisch: Am Tag des Auspackens, noch vor Ostern, hätte das womöglich seinen Reiz gehabt. Perfekt ist die Hardware eben nicht und man muss sich erst in sie hineindenken. Hat man das getan, ist das Steam Deck aber das Beste, was PC-Spielern mit mobilen Ambitionen passieren konnte! Ich gebe meins jedenfalls auch zum dreifachen Preis nicht her.

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Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.
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