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Steel Battalion: Heavy Armor - Test

Entweder weiß niemand Kinect richtig zu bedienen oder ich besitze das einzige funktionstüchtige Gerät.

Ja, ja, ja, ihr habt es bestimmt schon überall gelesen. Steel Battalion: Heavy Armor ist eines der schlechtesten Spiele des Jahres, weil es nicht funktioniert und einen Metacritic-Score von 39 hat. From Software sollte sich für dieses Schandwerk mitsamt einer Kolonie Feuerameisen in einem Müllberg begraben, der von Justin-Bieber-Songs dauerbeschallt wird. Oder ähnlich qualifizierte Dinge. Und jetzt wollt ihr sehen, wie ich nach meiner recht positiven Vorschau genau wie alle anderen unter der grauenhaften Steuerung einknicke, Absätzelang über meinen Hass philosophiere und am Ende die erste Minus-Wertung zücke.

Pech gehabt. Denn Heavy Armor ist nicht nur ein gutes Spiel, das Kinect sinnvoll in das Erlebnis integriert, sondern es funktioniert. Mittlerweile frage ich mich wirklich, ob manche überhaupt wollen, dass Kinect funktioniert oder von vornherein die Flinte ins Korn werfen und mit lustlosem Trotz ihre Gliedmaßen flattern lassen. Wenn ihr nicht wollt, dann klappt es auch nicht. Ich kann auch nicht halbherzig beim Tennis den Schläger schwingen und mich zwei Sekunden später wundern, warum der Balljunge gelben Filz in seiner Zahnspange stecken hat.

Genau wie es bei Dance Central für einen Tanzschritt wichtig ist, wo genau und in welchem Winkel ihr das Bein zur Seite streckt, müsst ihr auch bei Steel Battalion lernen, wo eure Arme im virtuellen Raum hingestreckt werden müssen, damit die gewollte Aktion ausgeführt wird. Es hat bei mir keine Stunde gedauert und schon konnte ich schnell genug Munitionstypen wechseln, die Sichtluke schließen oder den Rauch ablassen. Ihr dürft nur nicht wie ein Fünfjähriger nach zehn Tafeln Schokolade zuckend den Hampelmann spielen.

Steel Battalion: Heavy Armor - Gameplay-Trailer

Wenn ich als trostloser Bewegungslegastheniker vor dem Bildschirm meine Aktionen ausführe, kriege ich die gleichen Fehler, wie sie in den meisten Berichten beschrieben werden. Sitze ich allerdings bei sanfter Beleuchtung und guten 2,5 Metern Abstand vom Sensor entfernt aufrecht auf meinem Stuhl, lässt sich mein Vertical Tank wunderbar bedienen. Eine gewisse Einarbeitung benötigt das Ganze auf jeden Fall, aber schreibt es bitte nicht als untauglich ab, nur weil ihr keinen Bock habt!

So, Luft abgelassen, Ventil kann geschlossen werden. Also weiter im Text. Wäre das restliche Spiel nicht so unkonventionell und interessant, würde mich der ganze Terror um Kinect nicht stören. Bereits angefangen mit dem Szenario hatte der Titel meine Aufmerksamkeit, obwohl sonst die bloße Erwähnung des Wortes 'Krieg' bei einer Beschreibung zum sofortigen Einschlafen führt.

Stellt euch vor, in knapp acht Jahren würde ein Silizium-fressender Virus freigelassen werden. Sämtliche moderne Technologie verschwindet und damit auch alle Katzenvideos mitsamt Internet. Doch es kommt noch dicker. Im Verlauf der kommenden 60 Jahre stürmt China zur Weltmacht und strebt nach der totalen Kontrolle. Durch den Verlust von Mikroprozessoren bleiben nur noch mit Elektronenröhren betriebene Vertical Tanks über. Stellt sie euch einfach wie die Mechs des Zweiten Weltkriegs vor, die es nie gab.

Als Fahrer eines solchen Boliden sitzt ihr zusammen mit drei weiteren Soldaten eurer Einheit in der Metall-Sauna. Während sich die Handlung von der überaus faszinierenden Ausgangsposition in schlecht vermittelten politischen Kleinigkeiten verläuft, entwickeln sich zwischen euch und euren Kameraden echte zwischenmenschliche Beziehungen. Und jeder von ihnen kann im Gefecht sterben, nur um in der nächsten Mission ersetzt zu werden. Da ihr erst im zweiten Durchgang eure Fehler verbessern und gefallene Soldaten wieder ins Leben rufen könnt, befindet sich am Ende des Spiels wahrscheinlich ein komplett anderes Trio an eurer Seite.

Steel Battalion: Heavy Armor - Gameplay

Ihr erhaltet Einblick in verschiedene Persönlichkeiten, erlebt tragische Tode oder kleine Witze. Jeder Situation entspringen neue Ausrufe und Dialoge, die vom Inhalt das genaue Gegenteil eines Fußballkommentators darstellen. Durch kleine Kinect-Gesten könnt ihr sogar direkt mit ihnen kommunizieren, indem ihr einen Kaugummi als Geschenk annehmt oder eurem linken Lader auf sein Maul haut, weil er sich nicht benehmen will. Es kann sogar vorkommen, dass ein Feind durch ein Loch an der Seite seine Pistole zeigen möchte und ihr müsst rechtzeitig reagieren. Schritte auf dem Mech signalisieren die feindliche Übernahme. Steht also schnell auf, um aus der Luke zu steigen und bewegt euren Arm für einen tödlichen Messerstich.

Die restliche Steuerung wechselt zwischen Handbewegungen und genauen Eingaben mittels Controller, den ihr beim Spielen in eurem Schoß haltet. Alle Hebel und die wenigen Tasten bedient ihr mit euren Gliedmaßen. Bewegung des Fahrzeugs sowie das Schießen von Kanone und Gewehr übernehmen die Finger. Meist braucht ihr nur die Arme ausstrecken, um durch die Sichtluke zu starren oder eine Faust nach oben strecken, um nach dem Fernvisier zu greifen. Ab und zu wechselt ihr durch das Ausfahren einer Hand zwischen zwei Munitionstypen. Alle anderen Eingaben erfolgen ziemlich selten und meist nicht in der Hektik des Gefechts. Sobald ich verinnerlicht hatte, wo sich alles in meinem räumlichen Feld befand, gab es keine Verwechslungen mehr.

Auch wenn ich den Tasten-Overload des alten Controllers vermisse, fühlte ich mich durch die Einbindung meiner Arme mitten in das Geschehen versetzt. Es ist eine ganz andere Art befriedigendes Gefühl, wenn ihr ohne Überlegung das Fernvisier auspackt und einen Panzer schrottet, bevor ihr schnell wieder in die normale Sicht wechselt. Diesen perfekten Fluss erreicht ihr sicherlich erst nach ein paar Stunden, dann ist es das aber wert gewesen.

Die zahlreichen Aufträge dauern zwar im Schnitt kaum länger als zehn Minuten, doch bis ihr alle sieben Kapitel beendet habt, vergehen locker 20 Stunden, bei denen ich nicht nur wegen der körperlichen Bewegung zu häufigen Pausen rate. Steel Battalion: Heavy Armor ist für ein Spiel von From Software gewohnt mit einem ordentlichen Schwierigkeitsgrad gesegnet, der zum geistigen Wohl aber lange nicht die sadistischen Ausmaße des Vorgängers erreicht. Trotzdem müsst ihr die meisten Missionen mehrmals angehen, bevor ihr den richtigen Pfad gefunden habt. Das Studieren der Karte sowie eurer Umgebung ist Pflicht. Meistens bin ich nicht wegen eines Panzers oder gegnerischen Mechs gestorben, sondern weil sich ein mit Raketenwerfer bewaffneter Soldat hinter einer Ecke versteckt hielt.

Ein paar deftige Frontal-Treffer reichen bereits aus, bevor ihr für den nächsten Versuch die Ärmel hochkrempelt. Und Heavy Armor besitzt einen perversen Spaß darin, euren Tod auszukosten, indem es euch leiden lässt. Zuerst wird die Scheibe im Sichtfenster zerschossen oder ein Bein eures VTs explodiert. In diesem Moment wisst ihr bereits, dass ihr versagt habt und versucht dennoch mit letzter Kraft gegen das fast unvermeidbare Game Over anzukämpfen.

Danach geht es meist zum Beginn der Mission zurück. Checkpoints existieren zwar in einigen Missionen, doch auch sie bergen ein fieses Geheimnis. Eure Munition wird nämlich nicht wieder aufgestockt und so kann es passieren, dass ein Checkpoint in einer unmöglichen Situation gespeichert wird. Und glaubt mir: Ihr wollt lieber gleich den Auftrag neu starten und die letzten fünf Minuten wiederholen, bevor der Stuhl unter euch durch eure entfachte Wut zu brennen anfängt, weil ihr nach zehn Versuchen endlich zum finalen Gefecht gelangt seid, nur um das Klacken eurer leeren Rohre zu hören.

Steel Battalion: Heavy Armor - Trailer

Eigentlich würde ich gar nichts gegen einen solchen Schwierigkeitsgrad sagen, wenn ihr teilweise nicht immer wieder langweilige Laufwege, gescriptete Sequenzen oder Dialoge anhören müsstet. An einer Stelle besteht das Ziel nur aus zwei feindlichen Fahrzeugen, denen ihr auflauert. Falls ihr sie nach zwei Minuten Wartezeit dann nicht sofort entdeckt, könnt ihr den kompletten Part wiederholen. Diese Szenarien unterliegen allerdings der Überzahl an abwechslungsreichen Missionen, die euch in jedem Kapitel an einen anderen Schauplatz versetzen und sogar in die Wüste schicken.

Zwischendurch zwingt man euch dann pro Kapitel einmal in eine kooperative Mission, in der ihr online bis zu drei weiteren Piloten beitreten könnt. Falls ihr offline spielt oder keinen Partner findet, weil nur gefühlte fünf Leute den Titel gekauft haben, übernimmt der Computer die Kontrolle der VTs. Auf den Schlachtfeldern müsst ihr meist bestimmte Ziele oder eine Anzahl an Fahrzeugen zerstören. Stets mit einem Zeitlimit im Nacken. Zwar könnt ihr diese Einlagen alle alleine bewältigen, doch weil die CPU schon ab der zweiten Episode nach zehn Sekunden anscheinend die Selbstzerstörung aktiviert, erhaltet ihr keine guten Ränge. Diese benötigt ihr leider, um Upgrades für euren Vertical Tank zu bekommen. Und es gibt sie ausschließlich in kooperativen Einsätzen. Großartige Idee.

Aber selbst ohne dieses Hindernis bleiben die Möglichkeiten, euren eigenen Mech zu gestalten, eher gering. Anstatt mit Credits komplett neue Todesmaschinen zu kaufen, könnt ihr nur kleine Änderungen vornehmen und die Camouflage ändern.

Eine fantastische Idee und abwechslungsreiche Missionen prallen mit 180 Sachen auf japanischen Design-Eigenwillen. Verpackt man das Ganze nun mit einer Steuerung, die zwar funktioniert, aber der sich die meisten nicht fügen wollen, hat man einen Titel, dessen Zielgruppe in meine Küche passt. Es ist wirklich traurig. Wer sich für das Setting interessiert und mit dem knallharten Schwierigkeitsgrad sowie den teilweise nervenden Toden umgehen kann, vermisst den brachialen Controller des Vorgängers oder will einfach nicht mit Kinect spielen. Und wem die Steuerung passt, der möchte bei jedem Tod einem Karnickel das Genick brechen.

Trotz oder auch gerade wegen der spielerischen Barrieren hat sich mein Erlebnis mit Steel Battalion: Heavy Armor für immer in mein Gedächtnis geklammert und ich werde sicherlich für eine zweite Runde zurückkehren, um meine gefallenen Kameraden zu retten. Falls ihr euch mit Kinect anfreunden könnt und ein wenig Zeit in dieses Spiel investiert, erlebt ihr eines der fesselndsten Spiele dieser Konsolengeneration. Ich liebe es, ich hasse es und ich liebe es, es zu hassen.

7 / 10

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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