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Steep - Test

Sehnsucht nach Schnee

Die Basis steht: Perfektes Winter-Flair und ein tolles Konzept reiben sich aber noch an Always-On und auf Dauer zu flachem Content.

Steep ist ein Spiel, das unheimlich Lust auf Winter und Berge macht, sogar dann, wenn man selbst gar kein passionierter Skifahrer oder Snowboarder ist. Die bezaubernde virtuelle Alpenwelt, die Ubisoft Annecy da erschaffen hat, ist wirklich unwiderstehlich. Man steht irgendwo an einem Abhang im Schnee, dreht langsam die Kamera um die Spielfigur, lässt den Blick in die Ferne schweifen, klickt sich mit einer Taste den Sonnenstand so zurecht, dass sich die Strahlen idyllisch im Schnee spiegeln. Dabei drängen sich immer wieder zwei Fragen auf: Wieso gibt es eigentlich keinen Fotomodus? Der hätte sich hier doch super angeboten. Und: Wann war ich eigentlich das letzte Mal in den Bergen?

Fernab der wunderschönen Panoramen ist Steep vor allem in den ersten Stunden nicht weniger beeindruckend und lässt sich am ehesten als eine Art "Alpen-Sandbox", umschreiben. Vom Mont Blanc bis zum Matterhorn ist die Spielwelt eine einzige zusammenhängende Winterlandschaft, prall gefüllt mit Challenges, Drop Zones, Challenges und noch mehr Challenges. Mehr oder minder ohne großen erzählerischen Rahmen laden fast alle vielversprechenden Abhänge zu Checkpoint-Rennen, Punktejagden oder Time Trials ein. Hat man selbst eine großartige Strecke gefunden, wandelt man die eigene Spur bequem in eine neue Challenge um - Teilen macht bekanntlich Freude, jedenfalls sagt man das, außerdem wird der Umfang so theoretisch fast grenzenlos, wenn man sich fast wie in einer offenen und etwas zugegebenermaßen etwas laxeren Version von Trials mit seinen Kumpels um Bestmarken battlet.

Wer bekommt bei diesem Ausblick nicht Lust, selbst mal wieder in die Berge zu fahren?

Es ist keine dieser offenen Welten zum Selbstzweck, wie man sie dieser Tage häufig sieht, sondern eine, von der man bei Ubisoft derart überzeugt ist, dass man sie völlig für sich stehen lässt, fast ohne Story und nennenswertes Drumherum. Okay, man spielt quasi den Aufstieg vom kleinen Sternchen zum YouTube-Klickgenerator nach, aber das ist nicht mehr als der Vorwand, nach dem es sich anhört. Im Endeffekt geht es hier entweder um den virtuellen Adrenalinkick beim Gleiten mit dem Wingsuit durch enge Bergspalten oder um das langsame Durchstreifen dieser großen, weiten, frei erkundbaren Sandbox. Frei nach dem Motto: Gehe dorthin, wo es dir gefällt, und mache das, was dir beliebt - und nimm' am besten Freunde mit.

Und das funktioniert, ziemlich gut sogar. Es macht richtig Spaß, im Schnee zu stöbern, neue Wege zu erforschen und nach den perfekten Rampen zu suchen. Es gibt auch mehr zu sehen und zu entdecken als nur weißes Pulver und grün gesäumte Nadelbäume: Mehr als 100 geheime Drop Zones kann man nur mit dem Fernglas und ohne Minimap-Markierung erspähen, sogenannte "Berggeschichten" arrangieren kleinere Episoden von bösen Schneemännern und Ruinen vergangener Zivilisationen oder führen an die mitunter größten Gaps und Abgründe, die man selbst vielleicht nicht gefunden hätte.

Egal ob bei Sonnenschein oder Mondlicht, bei Rückenwind oder Schneesturm: Irgendwo findet man immer etwas zu tun.

Das bleibt alles aber in einem angenehm realistischen Rahmen, ohne die Glaubwürdigkeit der Welt anzukratzen: Die Schneemänner etwa sind genau das - unbewegliche Gebilde aus Schnee, die man im Kontext der Aufgabe kaputtfahren muss - und die Ruinen erkundet man, indem man bei Mondschein einer anderen Snowboarderin folgt, die währenddessen eine kleine Geschichte von Göttern und Mysterien erzählt. Trotzdem bringen gerade diese kleinen Abenteuer eine Menge Identität in die idyllische, ansonsten aber vergleichsweise leere und oft auch leblose alpine Gebirgslandschaft.

Und da kommen wir auch schon zum größten "Aber" dieser Spielwelt und gleichzeitig auch von Steep insgesamt: Es begreift sich durch und durch als Multiplayer-Spiel, selbst wenn man alleine cruisen will. Hier hinein darf folglich nur, wessen Internetverbindung gerade aktiv ist, und in der Regel sind die einzigen Lebewesen neben der eigenen Figur und Geistern für die Challenges andere Spieler, die zur gleichen Zeit irgendwo auf dem Erdball ebenfalls im Spiel unterwegs sind. Slidet man sich zufällig über den Weg, kann man sich spontan zu Gruppen zusammenschließen und gemeinsam an Challenges versuchen oder die bildschöne Landschaft erkunden, was gerade später auch den größten Reiz ausmacht. Jedoch waren das selbst kurz nach dem Launch nie besonders viele und so fühlte ich mich weitestgehend verloren und von der Zivilisation abgeschnitten und das Winterparadies kann einem schon mal wie eine sterile Einöde vorkommen. Für ein Always-on-Videospiel ist das etwas traurig, auch wenn sich das ändern dürfte, sobald mehr Spieler den Titel besitzen.

Nein, wir wollen uns nicht zu einer Gruppe zusammenschließen, sondern uns einfach ein wenig stapeln.

Es wäre nicht schwer gewesen, das á la Forza Horizon mit der Einbettung in ein Extremsport-Festival oder ähnlichem zu beheben oder zumindest an den vorgefertigten Challenges ein paar andere NPC-Sportler aufzustellen, um auch ohne Online-Pflicht etwas gegen die alpine Einsamkeit zu tun. Mit der Verpflichtenden Vernetzung sind Probleme vorprogrammiert, ich machte etwa beste Bekanntschaft mit DE-014-01. Das ist leider weder ein cooler Roboter aus Star Wars noch ein ausgefallener PSN-Nickname, sondern ein Fehlercode, der genau dann aufploppt, wenn man ihn am wenigsten braucht - nämlich dann, wenn man gerade spielen will. Ein paar Mal ist das passiert, was nach Destiny oder The Division nun wirklich nicht dramatisch klingt, aber es waren eben doch schon ein paar Mal zu viel für ein Spiel, das wunderbar auch ohne seine Online-Anbindung funktionieren könnte und einen somit unnötig gängelt, denn Steep ist definitiv kein MMO. Vorfälle wie jüngst bei der Telekom sollten für Entwickler Grund genug sein, Always-On zu überdenken.

Das alles spielt natürlich keine Rolle mehr, wenn man erst einmal in einer dieser vielen Challenges drin ist, die von Rennen bis Highscore-Jagden reichen und stets versuchen, die vier in Steep angebotenen Sportarten - Ski- und Snowboardfahren, Paragliding und Fliegen mit dem Wingsuit - optimal in die Berge, Täler und Abhänge der offenen Welt einzubetten. Das gelingt auch ganz hervorragend und macht vor allem deshalb Laune, weil man jedes Event ohne Ladezeit direkt von vorne starten kann. Die Dreieck-Taste gedrückt halten und zack, schon steht man wieder in der Drop Zone. In anderen Spielen hätte ich nach dem zehnten Baumkontakt in der Wingsuit-Challenge ob der nervigen Ladezeiten längst aufgegeben. In Steep starte ich in bemerkenswertem Flow sofort von Neuem durch.

Das gilt ebenfalls für das Hin- und Herreisen von Gipfel zu Gipfel: Dann zoomt die Kamera einfach ganz weit hinaus und dann dort, wo ich meine nächste Abfahrt beginnen möchte, wieder ganz nah hinein. Wo muss ich unterschreiben, damit wir das in Zukunft bitte in allen Videospielen so haben können?

Es ist noch kein Meister vom Himmel, aber viele schon auf die Nase gefallen. Mit etwas Übung wird das schon.

Steep ist übrigens kein SSX, weder namentlich noch vom Spielgefühl her, wenn man erst mal auf dem Snowboard den Abhang hinunterrutscht und die Spielfigur von Rampen und Hügeln abheben lässt. Das letzte SSX von 2012 - ein sehr gutes, nebenbei bemerkt - war, gerade was das Tricksystem angeht, wesentlich komplexer und tiefgründiger. In Steep genügt schon das gegenläufige Drehen oder Lehnen beider Analogsticks für die krassesten Tricks, fette 100.000-Punkte-Combos sind im Prinzip gar nicht erst möglich. Auch Grinding auf Rails bleibt hier (leider) außen vor und fehlt mir persönlich ein wenig. Zwar ist Freestyle mit Skiern und Snowboard auch in Steep ein großes Thema, aber es bleibt in dieser Hinsicht lieber bodenständig und bis zu einem gewissen Grad authentisch. Je nachdem, wie ihr an solche Extremsport-Spiele herangeht, könnt ihr das wohl auch mit "langweiliger" gleichsetzen. Ich finde es absolut okay, zumal ja nichts dagegen spricht, auch mal wieder ein älteres SSX einzuwerfen.

Das Paragliding ist unter den vorhandenen Sportarten klar diejenige, die ich am wenigsten praktizieren wollte. Der Grund ist so logisch wie trivial: Es ist nun mal einfach erschreckend langsam und träge. Das mag der Realität abermals nahekommen, ist in einem Videospiel aber eben auf Dauer langweilig. Das Geschwindigkeitsgefühl in Steep ist auf Skiern, Snowboard oder im Flughörnchen-Anzug so packend, dass man den Gegenwind regelrecht an sich vorbeirauschen spürt - beim Paragliding wird der Adrenalinkick aber zu keiner Zeit so richtig entfacht. Sicher, "in echt" mag das völlig anders sein und ich bin immer wieder beeindruckt von den YouTube-Videos, in denen Leute vom Ortler oder sonstwo herabgleiten. Aber im Spiel kann man dieses Gefühl schwer replizieren.

In der echten Welt müsste ich das nicht unbedingt nachmachen, aber im Videospiel sind Wingsuits schon verdammt cool.

Das Handling ist die Sportarten übergreifend ziemlich solide bis richtig gut mit manchmal seltsamen Aussetzern, wenn man auf Snowboard oder Skiern mit Höchstgeschwindigkeit vom Grabenrand abspringen möchte - da hakt es ab und zu und fühlt sich ein bisschen so an, als wolle das Spiel mich hier zwanghaft in der Bahn halten. Problematisch kann zwischendurch auch die Kamera werden, wenn man mit einem Affenzahn die Piste hinabflitzt, weil sie sich nicht immer optimal positioniert. Genauer gesagt: Manchmal saß sie derart tief im Rücken meines Athleten, dass ich kaum erkennen konnte, was vor mir lag, ob dort also ein Baum folgte, ein Felsen oder der erhoffte hellweiße Tiefschnee. Zum Glück bleibt das aber die Ausnahme - meistens waren Unfälle eher meine Schuld und weniger die des Spiels.

Gedanken, das Ganze wäre zu "simulationsartig" im Sinne von "schwer zu steuern", braucht ihr euch trotzdem gewiss keine machen, auch wenn man natürlich regelmäßig mal einen Tricksprung versemmelt oder wie erwähnt mit dem Wingsuit bei 150 km/h den einzigen Baum weit und breit umarmt. Das gehört schließlich dazu und macht das Erfolgsgefühl später größer. Und manchmal kann dabei sogar ein idyllischer Screenshot herausspringen wie im zweiten Bild dieses Artikels, als es mich auf einem Gletscher kurz vor dem Matterhorn gelegt hat. Passend dazu gibt es auch liebevoll betitelte "Bone-Collector-Challenges", in denen man á la Skate coole Stürze hinlegen muss, um maximale G-Kräfte auf den Körper einwirken zu lassen. Eine nette Ausrede, wenn man gerade Tricks üben möchte.

Steep ist kein SSX und man kann weder durch Vulkane sliden noch auf Rails grinden. Großen Spaß macht es trotzdem.

Die eigentliche Herausforderung liegt oft gar nicht in schnellen Reflexen und hoher Geschwindigkeit, sondern - und das dürfte wieder zum realistischeren Ansatz von Steep passen - in der Anfahrt selbst. Einfach drauflos zu fahren und irgendwie die Kontrollpunkte in Rennen abzugrasen, funktioniert anfangs zwar schon, alles andere wäre auch schädlich für die Motivation, überhaupt in dieses Spiel hineinzufinden. Aber desto schwerer die Challenges werden, umso mehr muss man sich selbst darum kümmern, die richtige Route zu finden. Gerade in Zeiten von Ideallinien und Wegnavigation habe ich wahnsinnig Spaß daran, weil es einfach gut tut, sich selbst einen Weg zum Ziel zu bahnen, durch Täler, Wälder, manchmal gar Felstunnel oder Dorfhütten. Schön auch: Es führen fast immer viele Wege nach Rom und auch hierfür gibt es spezielle Aufgaben, in denen man einfach nur zu einem weit entfernten Zielpunkt gelangen muss. Das ist übrigens nicht ansatzweise so simpel, wie es sich anhören mag. Bereitet euch darauf vor, beim ersten Anlauf hoffnungslos in der Wildnis verloren zu gehen.

Sorgen gebühren eher der Frage, ob ihr euch tage- oder wochenlang mit einer Wintersport-Sandbox beschäftigen könnt, die eben außerhalb dieser vier genannten Sportarten und über 100 mehr oder minder beliebiger Challenges wenig an handfestem Content mitbringt, auch wenn sie ihre (zweifellos guten) einzelnen Bestandteile immer wieder in neuer Konstellation an anderen Pisten zusammenmixt. Zwar sollen noch vier Disziplinen kommen, darunter Schlittenfahren und "Rocket Wings", was in etwa einem Wingsuit mit Raketenantrieb entspricht, aber, ihr ahnt es schon, diese sind... richtig geraten, kostenpflichtige DLCs bzw. Teil des Season Pass. Auch vor Mikrotransaktionen bleiben wir nicht gefeit, wobei diese sich nur auf Kostüme beschränken, die auch mit In-Game-Währung erstanden werden können. Geld auszugeben bleibt somit optional.

Was fehlt also? Zumindest ein, zwei Sportarten mehr oder größere Turniere hätte Steep schon ganz gut gebrauchen können. Das können die Unmengen an Kostümen, Helmen, Brettern und sonstigem Equipment nur bedingt ausgleichen, obwohl man mit dem Freispielen natürlich lange beschäftigt ist und sich die echten Wintersportler sicherlich für Original-Wear von The North Face oder Salomon begeistern werden. Aber selbst dann läuft es eben langfristig auf die stetige Wiederholung des Gleichen raus, während man sich mit den Leuten auf seiner Freundesliste misst. Für den passionierten Boarder mit Faible für Mehrspieler absolut kein Thema, weil man sich gegenseitig zu Bestleistungen und diversen Quatschtaten anspornt, für den SSX- und Tony-Hawk-Fan ohne Interesse an Multiplayer-Features aber weniger befriedigend. Auf jeden Fall solltet ihr vor dem Kauf diese Antwort bei euch selbst suchen, denn wie viel Spaß ihr haben werdet, hängt zu weiten Teilen auch davon ab, wie virtuell gesellig ihr seid.

So betreibt man gutes Product Placement. Viele große Namen sind vertreten, GoPro und Red Bull dürfen natürlich auch nicht fehlen, aber im Großen und Ganzen trägt das eher zur Authentizität bei und schadet dem Spiel absolut nicht.

Und damit sind wir wieder zurück am Anfang. Steep ist eben kein Spiel wie SSX oder Tony Hawk. Es ist eine große Sand..., sorry, SNOW-Box für Extremsport-Fans und eine glaubwürdige, greifbare und ungemein beeindruckende, wenngleich ein wenig leblose Rekreation der winterlichen Alpenwelt. Selten hat bei mir ein Spiel eine derartige Sehnsucht nach Bergen und weiß glitzernden Schneelandschaften ausgelöst. Für diejenigen von euch, die es dieses Mal über die kalten Tage leider nicht selbst ins Gebirge schaffen, ist Steep deshalb vielleicht genau das richtige Spiel.

Aber: Das leidige Always-On hätte es nicht gebraucht. Auch wenn oder gerade weil der Netzcode meist stabil blieb, waren die vereinzelten Aussetzer umso ärgerlicher. Nichts hätte gegen einen Offline-Modus gesprochen und auch der Spielwelt hätte mehr Lebendigkeit durch KI-Boarder, Wanderer und notfalls auch Statisten wirklich gut getan. Dazu noch ein bis zwei Sportarten mehr, Rail-Grinding und ein komplexeres Tricksystem... um es kurz zu fassen: Steep ist bei weitem noch nicht dort, wo es vielleicht mal sein könnte. Aber das sei Ubisoft bei diesem ersten Anlauf auf ein neues Genre verziehen. Bei Rainbow Six: Siege haben sie große Lernfähigkeit und Beharrlichkeit bewiesen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass auch hier mit der Zeit nachgebessert wird, um Steep zum bestmöglichen Wintererlebnis zu machen.


Entwickler/Publisher: Ubisoft Annecy/Ubisoft - Erscheint für: Xbox One, PlayStation 4, PC bereits erhältlich - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: Erhältlich - Getestete Version: PlayStation 4 - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Ja, Kosmetisches

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In diesem artikel

Steep

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Über den Autor

Tim Bissinger

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