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Streets of Rage 4 - Es ist perfekt, aber das könnte nicht reichen

Es ist genau, was es sein soll. Das könnte ein Problem werden.

Street of Rage 4 ... Eigentlich konnte es vom Start weg nur schiefgehen. Wie könnte es anders sein? Es beginnt schon mit dem Missverständnis, was Streets of Rage 2 seinerzeit war, aber wer weiß, vielleicht ist das wirklich eine Geschichte für alte Männer, die damals, kurz nach dem Krieg, dabei waren. Was dann wohl der zweite Golfkrieg wäre, liegt ja alles etwas zurück.

Streets of Rage 2 war vor allem eines: Technische Oberliga. Spielhallenqualität für zuhause. Ein Begriff, den es in Ermangelung der Spielhalle gar nicht mehr gibt. Worte einer anderen Zeit. Streets of Rage 2 war ein 16-Mbit-Modul, das erste seiner Art auf dem Mega Drive, mit einem Soundtrack und Grafik die damals vergeblich ihresgleichen suchten. Es war ein System-Seller und ein Statement in den Bit-Wars. Was das heutige Äquivalent wäre? God of War vielleicht, Forza Horizon 4, Tech-Showcases mit gewaltigem Spielspaß. Das Beste eben, was die aktuellen Konsolen zu bieten haben. Ganz sicher nicht Streets of Rage 4.

Es gibt eigentlich nicht mal mehr das Genre. Nicht wirklich. Aber der "Belt Scroller Fighter" war eben der Shooter seiner Zeit. Leicht verständlicher Action-Spaß mit Multiplayer aus der Zeit vor dem Internet. Zu zweit auf der Couch den ganzen Abend zwei Dutzend Feinden ordentlich eines auf die Nuss geben. Hohl, ja. Aber spaßig genug für eine andere Zeit. Das Genre hat nie wirklich den Sprung in die 3D-Welt geschafft. Vielleicht konnte es das nie, auch das zeigt Streets of Rage 4 gut, es zeigt nämlich in seiner klassischen 2,5D-Perspektive, was den 3D-Dauerklopfern immer abging: der richtige Punch.

Es muss krachen, wenn die Pixel aufeinandertreffen, man muss den Schlag durch das Pad bis ins Mark fühlen und wenn das Spiel das kann, dann macht diese Millisekunde glücklich. Streets of Rage 2 konnte das und Streets of Rage 4 kann das. Weil es eben kein Final Fight: Streetwise ist, sondern etwas, das auch Wayforward Studios - auf die ich unglaublich viel halte - mit Double Dragon: Neon zeigte: Wenn sich in Streets of Rage 2 Pixel begegnen, dann donnert es. Ganz, als wäre es 1993. Perfekt, elegant, einfach und doch eine hohe Kunst.

Was die Grafik anging, da flog ja viel "es sieht ja aus wie Flash-Game" herum. Es ist erst mal lustig, dass dieser Begriff so eingeprägt ist. Eine neue Generation von Internet-Usern dürfte gar nicht mal mehr so genau wissen, was Flash mal war. Und hier trifft es definitiv nicht zu, auch wenn ich beim Anblick der Screenshots verstehen kann, woher es kommt. Gut also, dass es im "echten" Leben anders wirkt, ganz anders. Als liebevolle Neuinterpretation des Stils und einzelner Elemente ist es sofort wiedererkennbar, die Filter und Techniken, die genutzt werden, erzeugen einen seltsam "warmen" Look, der die Nostalgie an alte Zeiten bedient, aber in keiner Weise rückständig wirkt.

Das gleiche gilt für die Animationen. Jeder Move, der die Jahrzehnte hier überbrückte ist sofort wiedererkennbar, aber die feineren Abläufe hieven das gekonnt in das aktuelle Jahrzehnt. Es ist einfach ein guter Look, der mit Finesse und Feingefühl genau das erreicht, was er soll. Es gab ungefähr zehn Millionen Möglichkeiten, dieses Look&Feel zu versauen und Dotemu ist ihnen allen elegant aus dem Weg gegangen. Musikalisch kann ich noch nicht so viel sagen. Das Original war eine Kaskade aus 16-Bit-Brillianz und einer der Gründe, warum der Name Yuzo Koshiro bis heute etwas wert ist. Das Wenige, was ich hörte, klang jetzt erst mal solide, aber riss mich noch nicht vom Hocker. Ein etwas wüster Techno-Jazz-Mix, was wohl in Anlehnung an die 16-Bit Interpretation des Elektro-Funk im Original gedacht ist, nur eben auf 11 gedreht. Da hatte ich den Eindruck, dass ein wenig mehr Zurückhaltung gut getan hätte.

Aber zurück zu meiner initial angedeuteten Skepsis, was das Spiel angeht: So hinreißend es sein mag, ein modernes Spiel zu schreiben, dass trotzdem eines "wie früher" ist, klingt erst mal gut, nur leider lassen sich die eigentlichen Gründe, warum man solche Hingabe zu einem Produkt von damals empfindet, nicht allein in Pixel packen. Wie gesagt, zum einen war Streets of Rage 2 ein Technik-Meilenstein des damals langen und bereits vor langer Zeit abgeschlossenen Weges aus der Arcade auf den heimischen TV. Und vor allem, war es auch spielerisch die hohe Kunst. Nun, relativ zumindest. Aber auf jeden Fall auf der Höhe der Zeit.

Heute spiele ich das allein für zehn Minuten und denke mir bereits, dass das jetzt schon ein wenig hohl ist. Zu dritt dann wurde es definitiv besser. Für eine habe Stunde. Der jüngste in der Runde, Mitte 20, fragte dann auch etwas ermüdet: "Und das ist es jetzt?" - "Nun, es kommen ja andere Gegner und so ... Neue Grafik auch." "Okay. Na dann." Der andere, auf halben Wege zwischen mir und der Next-Gen, der mit der PSOne-Ära aufwuchs, war auch etwas konsterniert. "Nun, ja, das kenne ich noch von meinem älteren Bruder. Der wollte dann immer meine PS-Sachen spielen und hatte sein Mega Drive praktisch eingemottet. Jetzt sehe ich auch warum." Ja, nun, mit Metal Gear kann das hier nicht ganz in Sachen Komplexität mithalten. Ich redete mir für die Spielzeit ein, dass ich Spaß wie früher hatte, was komplett in die Tasche gelogen war.

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Für all das konnte Streets of Rage 4 herzlich wenig. Es ist praktisch die Leugnung der 3D-Umsiedlung der späten 90er, die alle diese Genres durchmachten und oft genug dabei verendeten. Es sieht aus wie ein Streets of Rage heute halt aussehen würde, wenn es keine Entwicklung auf der Welt gäbe. Es ist ein echtes, ehrliches Streets of Rage, das da auf uns zukommt. Das wird alle freuen, die den Namen noch in Ehren halten. Aber sofern ab Stage drei dann nicht alles anders wird - was ich schwerstens bezweifle - dann wird das nur einige alte Menschen wie mich zumindest lose für eine halbe Stunde interessieren. Es gibt Spielkonzepte, die sich überlebt haben. Ich hatte die Vermutung, dass das für diese Art von Prüglern Ende der 90er der Fall war, aber da keine guten davon mehr kamen, konnte ich es nie wirklich wissen. Aber da Streets of Rage 4 bei all dem glänzt, was es tun soll, denke ich, dass seine Probleme in Kürze viel tiefgreifender sein könnten und viel weiter zurückliegen.


Entwickler/Publisher: Dotemu Erscheint für: PS4, Xbox One, Switch, PC - Geplante Veröffentlichung: 2020 - Angespielt auf Plattform: PC

In diesem artikel

Streets of Rage 4

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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