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Surviving Mars - Test

Doppelt hält immer besser

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Komplexes und packendes Aufbauspiel mit jeder Menge unvorhersehbaren Herausforderungen, vielen Technologien und anspruchsvollen Kolonisten.

Der Mars: Sollte die Menschheit irgendwann mal dem Traum von Elon Musk folgen und zu einer interplanetaren Spezies werden, dann wird es wohl dieser Planet sein, auf dem die Menschen sich neben der Erde ihr Häuschen bauen. Für die zahlreichen Schwierigkeiten, die dabei auf uns als Spezies zukommen, haben kluge Wissenschaftler schon vor einigen Jahren Antworten entwickelt und auf eben diesen basiert Surviving Mars - jedenfalls zu großen Teilen. Wasser holt ihr aus dem Untergrund oder ihr destilliert es aus der dünnen Atmosphäre des roten Planeten. Seine staubige Oberfläche nutzt ihr, um Beton herzustellen, Strom gewinnt ihr aus Wind oder Sonnenenergie.

Entwickler Haemimont Games hat sich merklich Mühe gegeben, mit Surviving Mars ein realistisches Aufbauspiel zu basteln. Eine Art Science-Fiction, die deutlich mehr Science als Fiction enthält und letzten Endes so packend ist, dass ich beim Spielen sogar vergessen habe zu trinken. Ein Mund, so trocken wie eine Marswüste und ein Kopf, der auch nach dem Spielen an nichts anderes mehr denken kann als an die klügste Art, die Kolonie weiterzuentwickeln. Wirklich, ich habe von Moxies geträumt. Das sind die Dinger, die man bei Surviving Mars bauen muss, um Sauerstoff zu erzeugen. In meiner ersten Partie waren die zwar vorhanden, aber ich hatte einen Teil meiner Kolonie mit einem anderen, tiefergelegenen Teil nur über einen Tunnel verbunden und als dort ein Rohr ausfiel, erstickte mir plötzlich die Hälfte meiner Kolonisten. Das ist der Stoff, aus dem Albträume sind.

Von euren Windkraftanlagen aus sieht eure Kolonie eigentlich ganz romantisch aus. (Surviving Mars - Test)

Wenn ich beim Spielen von Surviving Mars etwas gelernt habe, dann das: Nichts hält besser als ein Provisorium. Mehr als bei jedem anderen Aufbauspiel müsst ihr bei der Kolonisierung des roten Planeten darauf achten, dass eure Kolonie funktioniert - und nicht, dass sie gut aussieht. Wer brav einen riesigen Windpark baut und den dann mit einem einzigen Kabel mit seiner Kolonie verbindet, wird feststellen, dass das eine doofe Idee war. Denn ein einziger Fehler im Kabelnetz oder ein Meteorit, der genau da einschlägt, wo sich der Windpark nun einmal befindet - schon erfrieren eure Kolonisten, weil sie keinen Strom mehr für ihre Heizung zur Verfügung haben. Das ist nur realistisch und wer trägt dann die Schuld an diesen vielen Toten? Ihr, ihr ganz allein! Ihr und euer blöder neurotischer Basisbauzwang. Wer eine Kolonie auf dem Mars gründen will, muss ein bisschen umdenken, Fehler einkalkulieren und alles, was Strom braucht, besser nicht nur einmal miteinander verbinden.

Hier startet gerade eine Rakete in Richtung Erde. (Surviving Mars - Test)

Wenn ihr Surviving Mars beginnt, könnt ihr euch zunächst für einen Sponsor entscheiden. Je nachdem, ob ihr euch für eine internationale Marsmission entscheidet oder für eine irre Sekte, gibt's mehr oder weniger Rohstoffe und finanzielle Mittel. Jedes Spiel beginnt damit, dass ihr eine Rakete auf dem Mars landet, daraus kommen ein paar niedliche Drohnen, die erst mal nicht viel brauchen außer Strom. Diese Drohnen dienen dazu, die Infrastruktur aufzubauen, die später die Menschen brauchen, soll heißen: Wasser, Sauerstoff, Strom, Nahrung. Aber auch: Vergnügen, Arbeitsplätze, alles eben, was das soziale Leben des Menschseins ausmacht. Menschen leben generell unter gläsernen Kuppeln - manche Gebäude baut ihr innerhalb dieser Basen, andere außerhalb. Beispielsweise gehört ein Wohngebäude oder eine Krankenstation immer in die Kuppel, der Tagebau-Betrieb muss sich aber zwangsweise außerhalb befinden. Weil der wiederum aber menschliche Arbeiter braucht, sollte er recht eng an die Kuppel angrenzen.

Hier landet dagegen gerade eine. Fertiggebäude sind wichtig, denn zu Beginn könnt ihr nicht alles aus Rohstoffen herstellen. (Surviving Mars - Test)

Und damit gehen die Probleme schon los. Natürlich wollt ihr Metalle, denn die braucht ihr, um Werkzeuge herzustellen oder später Elektrobauteile. Die könnt ihr natürlich auch von der Erde importieren, aber so geht euer Budget schneller zu neige als ihr Marsmission sagen könnt. Wie das bei einem Aufbauspiel so ist, ihr wollt irgendwie unabhängig werden. Euch sei gesagt: Das geht ganz lange nicht. Denn die zufallsgenerierten Karten meinen es oft nicht gut mit euch. Bis ihr eine Kuppel habt, die Zugriff auf ein natürliches Metallvorkommen hat, können locker drei bis vier Stunden vergehen, bis dahin müsst ihr zwingend Geld ausgeben. Die Raketen mit den Metallen landen dann dort, wo ihr es möchtet und eure eifrigen Drohnen rasen hinein und bringen die Rohstoffe heraus als hätten sie jahrelang gehungert und jetzt plötzlich ein riesiges Schnitzel bekommen. Diese Momente sind seltsam befriedigend, was vermutlich daran liegt, dass es eine Weile dauert bis es soweit ist. Es ist schwer, den Überblick über alle Rohstoffe zu behalten und wenn dann plötzlich einer fehlt, müsst ihr ihn eben auf der Erde kaufen. Wenn die Rakete dann kommt, das ist einfach wie Weihnachten.

Eure Kolonie sollte aussehen wie ein furchtbares Durcheinander. Dann habt ihr alles richtig gemacht. (Surviving Mars - Test)

Die Karte ist bei Surviving Mars übrigens ziemlich groß, zehn mal zehn Felder könnt ihr nach und nach erkunden, dort findet ihr ganz nebenbei auch Anomalien. Die wiederum könnt ihr erforschen. Einerseits findet ihr da alte sowjetische Sonden, andererseits kann es auch passieren, dass eure Forschung nach vorne katapultiert wird. Und die ist wichtig. Allein, weil die anfänglichen Kuppeln ziemlich eng sind, allzu viele Gebäude für eure Kolonisten könnt ihr darin nicht bauen. Und ihr seid genötigt, sie zu spezialisieren. Ein Metallvorkommen führt praktisch zwangsläufig dazu, dass die Bewohner der benachbarten Kuppel Industriearbeiter werden, die ebendieses Metall weiterverarbeiten - nicht gerade das, was ich mir unter einer pluralistischen Gesellschaft vorstelle. Ein interessantes Konzept aber, denn es zwingt euch immer wieder, das zu tun, was nötig ist und auf jenes zu verzichten, was vielleicht längerfristig sinnvoll wäre. Natürlich wollt ihr forschen, natürlich wollt ihr auch, dass eure Kolonisten Nachwuchs zeugen. Aber was ist schon eine Universität oder ein Kindergarten gegen eine ordentliche Metallfabrik?

Der Technologiebaum: Nicht gerade übersichtlich. (Surviving Mars - Test)

Surviving Mars hat auf diese Frage durchaus eine Antwort, denn die Menschen von der Erde haben individuellen Fähigkeiten und wirklich effizient wird eure Kolonie nur dann, wenn die Kollegen immer genau da arbeiten, wo sie das beste Talent mitbringen. Schickt also den Geologen ins Bergwerk, lasst aber um Himmels Willen nicht die geniale Biologin an der Supermarktkasse arbeiten. Komisch ist, dass sie das manchmal freiwillig macht und dann könnt ihr sie zu ihrem Glück zwingen. Allerdings nur für einen Tag - früher oder später kehrt sie wieder zu ihrem unnützen Alltagsjob zurück. Es ist ein wenig, als würde mir Surviving Mars sagen wollen, dass das, was wir gut können, nicht zwangsläufig das ist, was uns glücklich macht. Oder es ist ein Bug. Wer weiß das schon.

Eine Kampagne im engen Sinne gibt es bei Surviving Mars übrigens nicht, aber das Spiel erzählt dennoch eine Geschichte. Die variiert von Spiel zu Spiel, aber sie kann durchaus recht bedeutend sein. In einem meiner Spiele hatte sich auf meiner Kolonie eine tödliche Krankheit entwickelt, mit der ich über die Handelsraketen auch die Erde infiziert hatte. Letztlich hätte ich wohl auch ein Heilmittel erfinden können, dafür hatte ich aber nicht genug Mittel, so dass letztlich nicht nur die Erde im Chaos versunken ist, sondern auch meine Mars-Kolonie letztlich nur noch aus den wenigen Drohnen bestand, die noch in der Lage waren, sich zu bewegen. Und wenn sie nicht gestorben sind, transportieren sie noch jetzt Beton von A nach B.

Eure Kolonie könnt ihr auf der wirklich großen Karte weitläufig ausbauen. (Surviving Mars - Test)

Leider lässt das Interface hier und da ein wenig zu wünschen übrig, das Spiel steuert sich einfach nicht besonders intuitiv. Warum der Computer beim Ziehen von Stromleitungen und Kabeln immer genau den Weg vorschlägt, der eben nicht funktioniert, weil da Steine liegen - das will mir nicht in den Kopf. Genauso unklar ist mir, warum ich nicht jedes Gebäude abreißen kann, dass ich gerade ausgewählt habe, sondern das über ein spezielles Menü machen muss. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich mich darüber gerade ärgere und mir bewusst mache, dass das Spiel eigentlich so ein bisschen aussieht wie Playmobil-Plastik, dann stelle ich fest, dass ich die Wahl zwischen verschiedenen Mars-Radiosendern habe. Die untermalen das Geschehen dann so nett, dass ich gar nicht anders kann, als Surviving Mars zu mögen. Wirklich, tolle Musik, teilweise sogar mit skurrilen Anmoderationen, die mich an GTA erinnert haben.


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Surviving Mars ist die Art Spiel, bei der ihr nach dem Beenden plötzlich wieder eure Körperteile spürt. Weil ihr die beim Spielen nämlich komplett vergessen habt. Vermutlich würdet ihr beim Bauen der nächsten Kuppel sogar ausblenden, wenn alles um euch herum brennen würde. Es mag nicht perfekt zu bedienen sein und vielleicht könnte es die Grafik auch in hübsch geben - aber dafür, dass ihr weit raus- und ganz nah reinzoomen könnt, sieht das doch okay aus. Wenn ich euch zum Schluss noch einen Rat geben darf: Baut nicht die Kolonie eurer Träume. Baut ein funktionales Spinnennetz. Lasst eure Kolonie wachsen, Gebäude für Gebäude. Baut auf Sicherheit. Werdet Marsianer.


Entwickler/Publisher: Haemimont Games/Paradox Interactive - Erscheint für:PC, PS4, Xbox One - Preis: etwa 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsche Bildschirmtexte, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Surviving Mars

PS4, Xbox One, PC, Mac

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Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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