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Tactics Ogre Reborn – Test: Alte Hunde, neue Tricks

Und wie sie das Bein an am Zaun zur Grenze des Machbaren heben...

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Vielleicht etwas teure, aber maßvolle und kluge Überarbeitung eines Spiels, das Europa zu lange vorenthalten blieb. Unerlässlich für Taktik-Fans.

Als jemand, der schon immer eine Schwäche für Rundentaktik hatte, habe ich lange, lange, lange Jahre meiner Jugend damit verbracht, den Spielen der legendären Ogre-Battle-Serie hinterherzuschmachten, die in Europa nie erschienen war. Mit der Zeit – und den Mitteln eines Erwachsenen – holte ich sie nach, vor allem Tactics Ogre: Let Us Cling Together auf der PS Vita habe ich zuletzt ausgiebig gespielt und genossen, wenngleich ich noch im Frühling in einer Ausgabe Alt+F40 attestieren musste, dass es sich nicht so gut gehalten hat, wie ich erwartet hatte.

Das war vor der Ankündigung von Tactics Ogre Reborn, das nun mit satten 50 Euro als Remake eines PSP-Spiels von vornherein keinen ganz leichten Stand hat, aber vieles besser machen will. Und siehe da: Viele meiner Probleme geht diese Neubearbeitung, die dem “Original” wie aus dem Gesicht geschnitten ist, tatsächlich elegant an. Tactics Ogre: Let Us Cling Together zeigt sich in wiedergeborenem Format wieder fit für die Gegenwart. Und das relativiert auch ein gutes Stück weit den Preis wieder, denn tatsächlich mussten die Verantwortlichen, zu denen auch viele der ursprünglichen Entwickler gehören, recht tief reingehen, um die entscheidenden Systeme zu entschlacken.

Die erste Mission, in der man merkt, wie sehr die Änderungen greifen: Beim Kampf gegen den Nekromanten habe ich damals deutlich mehr Nerven gelassen. Einfach war es dennoch nicht.

Fangen wir mit dem ganz Oberflächlichen an: Optisch ist das hier eine dezente Enttäuschung, denn nicht nur wurde wenig gemacht an den Pixelcharakteren, die vor kippbaren 3D-Umgebungen in die Schlacht ziehen, es liegt auch noch ein alternativloser Weichzeichner drüber, der auch nicht abschaltbar ist. Die Möglichkeit, ihn zu deaktivieren – und, wenn wir schon dabei sind, ein paar hübsche CRT-Filter – gehören eigentlich zum guten Ton. Die gute Nachricht: Ich habe schon schlimmere Weichzeichner gesehen, dieser hier verwischt die Sprites nicht allzu schlimm und mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Was mich hingegen vom Fleck weg begeistert hat, ist der neue orchestrale Soundtrack, der absolut fantastisch ist und nicht ganz billig gewesen sein dürfte. Eine ebenso lohnende Investition wie die mehr als ordentliche englische Vertonung der wichtigsten Gespräche.

Vordergründig unauffällige, aber kluge Änderungen

Letzten Endes ist es aber sowieso die spielerische Seite, die am meisten interessiert und da hat sich Square Enix wirklich vieles einfallen lassen, wodurch das Spiel an Drive gewinnt. Ich würde nicht so weit gehen, es komplett zeitgemäß zu nennen. Niemand würde heute hergehen und dieses Spiel jetzt so designen. Mittlerweile sind Taktikspiele schlanker und besser lesbar, die HUDs aufgeräumter und zugleich informativer, sie bringen direkter und mit weniger Mikromanagement ihre Tiefe aufs Feld. Aber so, wie Tactics Ogre sich erneuert, das funktioniert auch heute noch gut, wenn man sich erst mal etwas eingearbeitet hat.

Wer die Perspektive in eine Draufsicht kippt, hat es einfacher mit der Steuerung. Hübscher ist allerdings die Standardeinstellung. Gut, dass man flink mit dem rechten Stick zwischen beiden wechseln kann!

Etwas, das einem zu Beginn nicht so einfach in den Kopf will, ist etwa das Aufheben von Schlachtfeldgegenständen wie Loot-Drops. Es sträubte sich schon im Original einiges in mir, einen Bewegungszug zu opfern, nur um eine Tüte mit zufällig ausgewürfelter Ausrüstung aufklauben. Denn dafür muss man seinen Zug auf dem entsprechenden Feld beenden. Alles, was zum Ende der Mission noch liegenbleibt, geht unwiederbringlich verloren. Dass Tactics Ogre nun mit den neuen Buff-Karten noch mehr Gegenstände aufs Feld wirft – und durchweg neue nachreicht –, hat mir zunächst so gar nicht geschmeckt, weil es mich verführte, meine Schlachtfeldordnung durcheinanderzubringen.

Und die ist wichtig, denn in Tactics Ogre schlagen die Gegner recht hart zu. So manches Mal erledigt ein Duo Bogenschützen eine meiner Figuren in nur einem Zug oder stoßen Distanzkämpfer gemein vor, um einen angeschlagenen Heiler, der sich gerade zurückgezogen hatte, den letzten Rest zu geben. Es ist allgemein recht schwierig, vorherzusagen, wen die überarbeitete KI als Nächstes aufs Korn nimmt. Aber sie hat keine Skrupel, sich mit Macht auf das schwächste Glied eurer Truppe zu stürzen, ohne allzu rücksichtslos zu agieren (nicht schlecht, übrigens!). Kurzum: Sich unter diesen Vorzeichen auf etwas anderes als das Dezimieren der Feinde zu konzentrieren, schien mir wenig intuitiv.

Wusstet ihr übrigens, dass die Titel der Reihe von Queen-Songs geliehen sind? March of the Black Queen, Ogre Battle und Let us Cling Together sollten Fans der Kult-Band bekannt vorkommen. Gern geschehen.

Dann aber fiel der Groschen: Auch die Feinde sammeln Loot und Buff-Karten fleißig ein und wenn man einmal merkt, dass sich deren Boni tatsächlich wirklich lohnen, sind sie entscheidende Beschleuniger dieser Kämpfe, die man gerne aufklaubt. Man nimmt den Vorwärtsgang raus, stellt schon mal einen oder zwei seiner Streiter extra dafür ab und strickt sich sogar Taktiken drumherum. Ich bin nicht sicher, ob sie irgendwo auch ein Zugeständnis sind, dass das Kampfsystem von Tactics Ogre heute andernfalls einfach statisch und zu schwer ausrechenbar war – die Gegner machen wirklich selten, was man denkt, sich darauf vorzubereiten ist schwer möglich. Aber im Grunde ist das egal. Die Kämpfe ergeben Sinn, haben Tiefe und machen Spaß.

Weniger Frust und Grind

Cool ist, dass Distanzkämpfer und Zauberer neuerdings die Flugbahn ihrer Geschosse angezeigt bekommen. Mich irritiert zwar immer noch, dass ich einen Schuss, den das Spiel klar als hoffnungslos kennzeichnet, trotzdem abgeben darf (das hat mich zu Beginn ein, zwei gute Runden gekostet), aber es ist sehr willkommen und zeitgemäß. Das gilt auch für den Grind, den Reborn mit der ersatzlosen Streichung von Zufallskämpfen und einem Level-Cap für euren Trupp an die Leine nimmt. Wer trotzdem etwas nachleveln will, verdingt sich in den optionalen Trainingskämpfen. Eine kluge Entscheidung.

Die Zauber-Effekte sind bisweilen sehr spektakulär.

Auch die Charakterentwicklung fasste Square Enix feste an. Im ersten Schritt fielen zum Beispiel viele etwas willkürliche und unnötige Beschränkungen für Ausrüstungsgegenstände weg. Sofern etwas zur Klasse passt, könnt ihr es ausrüsten, sobald ihr es findet, was euch sehr entgegenkommt, die Kämpfe eine Idee einfacher und eure Charakteranpassung individueller erlaubt. Neue Fertigkeiten, die nun auch von Magiepunkten gespeist werden, anstatt eine eigene Ressource (TP) zu verbrauchen, lernen die Klassen nun automatisch. Ihr müsst nur die vier zusammenstellen, die ihr verwenden wollt und könnt eure Trupps so wunderbar aufeinander abstimmen, ohne die Übersicht zu verlieren. Eine neue Fähigkeit, die viel für die Gefechtsdynamik tut, ist der Zangenangriff. Rüstet ihr ihn aus, kann eure Spielfigur einen Folgeangriff ausführen, wenn sie sich im Rücken eines Gegners befindet, den ein anderer eurer Charaktere angreift.

KI, die hilft

Zudem dürft ihr bis zu fünf verschiedene Trupps speichern, um auf diverse Arten von Kampf eingestellt zu sein. Das wird dadurch besonders sinnig, dass ihr neuerdings das Schlachtfeld schon vor Beginn des Kampfes auskundschaften dürft. Clever. Das gilt auch für die beiden Bonus-Ziele, die ihr in jedem Fight erfüllen könnt und zusätzliche Belohnungen wie Erfahrungspunkte oder Talismane dafür erhaltet. Auch hier schiebt euch das Spiel weiter

voran und füttert wiederum eure Charakterprogression, was die kommenden Herausforderungen erleichtert. Wer weniger Mikromanagement möchte, darf außerdem jeden einzelnen seiner Kämpfenden von der KI übernehmen lassen. Habt ihr zum Beispiel keine Lust, das Heilen selbst zu übernehmen, stellt ihr einfach eure Kleriker auf “Heilen, was das Zeug hält” ein und kümmert euch nur noch um eure Angreifer. Es ist ein simples, aber komfortables System, das die meiste Zeit gut funktioniert und dafür sorgt, dass man die traditionell recht langen Tactics-Ogre-Kämpfe etwas schneller hinter sich bringt.

Drückt auf PlayStation das Touch-Pad, um jederzeit Erklärungen aller Anzeigen und Funktionen aufzurufen - ging allerdings schon auf der PSP.

Ach, erwähnte Talismane sind natürlich ebenfalls neu und sind nett, wenn ihr gezielt beider Ausarbeitung und Verfeinerung bestimmter Figuren nachhelfen wollt. Hebt den Level an, erhöht bestimmte Werte oder verändert die Element-Affinität, wenn ihr das Gefühl habt, eure Gruppe ist in dieser Hinsicht nicht ausgewogen genug aufgestellt. Weiterhin ist das Shoppen nun simpler aufgezogen und das Crafting gelingt euch immer, sodass ihr nicht länger verschwendeten Ressourcen hinterherweint.

Tactics Ogre Reborn Test – Fazit:

Und bevor ich mich hier noch weiter im Update-Kleinklein verliere, das für eine Kaufentscheidung nicht von Belang ist, vielleicht einfach das abschließende Fazit: Ja, da geht was! Man sieht es ihm auf den ersten Blick nicht an, aber in Tactics Ogre: Reborn ist sehr viel Arbeit geflossen. Der Mangel an visuellen Optionen ist bedauerlich und das Interface trotz der Überarbeitung immer noch keines, das man heutigen Usern wieder genau so hinstellen würde. Aber es funktioniert gut genug, um einen lange verloren geglaubten Rundentaktik-Pionier endlich einem breiteren Publikum zu präsentieren.

Das erlebt daraufhin zunächst etwas erschlagende, aber erstaunlich erwachsene Mittelalter-Fantasy voller politischer Winkelzüge und motivierender Schlachten, die zu langem Kopfkratzen verleiten. Vor allem, wenn ihr Triangle Strategy zu verquasselt fandet und euch das Dating-Drumherum von Fire Emblem auf den Keks geht, seid ihr hier bestens aufgehoben. Tactics Ogre mag trotz der Neuerungen kein zeitloses Spiel sein, aber es ist eine Bildungslücke, die man dank der Reborn-Version endlich schließen kann – und sollte –, wenn einem etwas an diesem Genre liegt.

Tactics Ogre Reborn Test – Wertung: 8/10

Tactics Ogre Reborn Test – Pro und Contra

Pro
  • Tiefschürfende Taktik mit vielen Optionen
  • Smarte Neuerungen, die das Spiel bereichern
  • Phänomenaler neuer Orchester-Soundtrack und gute Sprecher
  • Schöne, wenngleich klassische Geschichte
  • Tactics Ogre endlich im Westen angekommen!
Contra
  • 50 Euro fürs Remake eines PSP-Spiels, das bereits ein Remake war
  • Weniger Komfort, als man heute gewohnt ist
  • Weichzeichner nicht abschaltbar, keine CRT-Filter

Entwickler: Square Enix - Publisher: Square Enix - Plattformen: PS4, PS5, PC, Nintendo Switch - Release: 11.11.22 - Genre: Rundentaktik - Preis (UVP): 49,99€

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Tactics Ogre Reborn

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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