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Test: Neon White – Ego-Shooter oder Plattformer? Jetzt weiß ich endlich, was es ist!

Kartenlegen für Speedrunner.

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Die Mischung aus Ego-Shooter und Plattformer überzeugt stilistisch, erzählerisch und mit spannendem Wettläufen gegen die Zeit.

Kein Wunder, dass Neon White erstens ungewöhnlich und zweitens gut ist: Ben Esposito, der federführend dafür verantwortlich zeichnet, hat nicht nur bei Giant Sparrow an The Unfinished Swan und What Remains of Edith Finch mitgewirkt, sondern mit Donut County auch eine Art invertiertes Katamari entwickelt. Denn darin erschafft ein Waschbär Löcher, die einfach alles verschlucken, was sich über ihnen befindet, sprich Grashalme, Haustiere, Gartenzäune, Menschen, Häuser, Berge, die ganze Welt. War auf Steam gerade im Angebot und kommt bestimmt wieder. Unbedingt einen Blick drauf werfen!

Hauptsächlich will ich euren Blick aber auf Neon White lenken, weil es nicht nur frisch erschienen, sondern auch eine ganze Nummer größer ist als der witzige Waschbär-Unsinn. Dabei hatte ich mich zur Ankündigung des Spiels noch gefragt, um was es sich da eigentlich handelt. Gut, dass man durch eine Art Hindernisparcours ballert und springt, um möglichst schnell ins Ziel zu kommen, war offensichtlich. Aber wieso hält man Karten statt Waffen in der Hand und ist das nun mehr Shooter oder Plattformer?

Dass man ballernd und springend durch 100 Level kommen muss, ist klar. Wie genau man das tut, ist allerdings recht ungewöhnlich.

Mit konventionellen Konzepten hat es Esposito eben nicht so, denn seine aktuelle Produktion ist beides gleichzeitig und dann noch mal anders – verpackt in eine mysteriöse Geschichte um martialische Wettläufe, deren Gewinner Zugang zum Himmelsreich erhält. Immerhin spielt man einen Neon, also Dämonenjäger, der aus der Hölle gezerrt wird, um an diesen Zeitrennen teilzunehmen. So geheißen es ihm zumindest jene „Gläubiger“, die sich als Gottes Helfer vorstellen und schon bald auch etwas tiefer blicken lassen…

Aber wozu überhaupt der Wettstreit? Warum darf man die weiße Maske nicht abnehmen, während andere Neons ebenfalls rote, gelbe oder grüne Masken tragen? Offenbar kennt der Neon White genannten Dämonenjäger diese Leute von früher, kann sich aber weder daran erinnern noch an den Grund, aus dem er in die Hölle kam. Dass man bei einer Katze mit Zigarre im Maul neue Levels freischaltet, ist da noch die kleinste aller Besonderheiten.

Komische Freunde hat Neon White da...

Esposito hat offenbar ein Händchen für Szenarien, die irgendwie lustig und gleichzeitig interessant genug sind, um sich länger damit zu beschäftigen. Es geht ja nicht nur darum, irgendwie durch satte 100 Levels zu kommen. Die schaltet man zwar einfach der Reihe nach frei, das pure Durchkommen ist aber nur der Anfang. Vielmehr gibt es in jedem Abschnitt eine Bronze-, Silber-, Gold- und Platin-Medaille – logischerweise entsprechend der Zeit, die man gebraucht hat – und nur, wenn man in hin und wieder Gold abstaubt, erhält man Zugang zu späteren Levels.

Himmlische Olympia

Nun ist das locker machbar. Aber ich begnüge mich doch nicht mit Gold, wenn es Platin gibt! Und schon gar nicht bin ich damit zufrieden, in der Online-Rangliste irgendwo ganz unten herumzukrebsen! Also starte ich wieder und wieder, um mich immer weiter zu verbessern. Für die Spitze reicht das freilich nicht. Aber alleine die oft knifflige Platinmedaille ist eine großartige Belohnung.

Spätestens in Boss-Levels ist es gar nicht so einfach sich die Platin-Medaille zu schnappen.

Ungewöhnlich ist jedenfalls die Art und Weise, mit der man das tut. Klar: Zeitrennen-Shooter gibt’s schon und auch hier ballert man auf Dämonen (das ist alles Schwarze, was ihr auf Screenshots und in Videos seht), während man von Plattform zu Plattform springt. Das Besondere ist nur, dass man Waffen nicht direkt aufliest, sondern stattdessen Karten findet, von denen man maximal zwei tragen kann. Und die schießen dann auf Knopfdruck wie Pistolen, Schrot- oder Sturmgewehre, haben auch nur begrenzte Munition und verschwinden deshalb, falls man über weitere Karten nicht neue Patronen aufliest.

Der elegante Kartensprung

Und jetzt der eigentliche Kniff: Die Karten verschwinden auch, wenn man ihre Zweitfunktion einsetzt, und die hat mit Ballistik nicht das Geringste zu tun! Vielmehr aktiviert man über die „Pistole“ einen Doppelsprung, fliegt mit der „Schrotflinte“ einige Meter in die anvisierte Richtung, stampft mit der „Maschinenpistole“ auf den Boden, um dort großen Schaden anzurichten, und wirft mit dem Sturmgewehr eine Art Granate, die nicht nur mehrere Dämonen zerstört, sondern Neon White auch als explosives Sprungbrett dient.

Stimmt, das hat ein Stück weit mit Ballistik zu tun. Der Punkt ist aber, dass man Bewegungsaktionen über die Waffen beziehungsweise Karten auslöst und sich deshalb ständig zwischen Sprung und Schuss entscheiden muss. Anfangs ist das noch idiotensicher strukturiert. Da hat man nur einen Dash, mit dem man den einzigen Abgrund überwinden kann, oder einen letzten Schuss, mit dem der letzte Dämon beseitigt werden muss.

Mit dem Dash dieser Waffe gleitet man einige Meter über tiefe Abgründe. Trifft man dabei einen Gegner, ist der sofort erledigt. Das gilt für alle akrobatischen Fähigkeiten und ist ein wichtiges Element beim Durchlaufen der Levels.

Schnell gibt es jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten, wenn man zum Beispiel mit einem Schuss, einem Stampfer oder dem immer zur Verfügung stehenden Nahkampf explodierende Fässer zerstören könnte, um weit nach oben gesprengt zu werden. Welche Aktion benutzt man und welche hebt man sich für das kommende Hindernis auf? Darum dreht sich vieles – wobei erledigte Dämonen eines Typs übrigens stets die gleiche Karte fallenlassen, sodass man jeden Run präzise planen kann.

Hin und wieder muss man also erst mal in Ruhe tüfteln, um im folgenden Versuch dann geschickt zwischen den Karten zu wechseln und mal die primäre, mal eine sekundäre Funktion auszulösen, was mir hin und wieder sehr geflissentlich das Gehirn verknotet! Hat man aber eine flotte Route entdeckt und wird nach Dutzenden Versuchen endlich mit einer schnellen Zeit belohnt, fühlt sich das umso besser an. Wer mit Maus und Tastatur spielt, hat im internationalen Wettstreit natürlich einen großen Vorteil. Aber auch mit der Gamepad-Steuerung liegen sämtliche Finessen gut in der Hand.

Erst die Arbeit, dann die Erkenntnis

Ach, und mit den Speedruns ist es ja nicht getan. In jedem Level befindet sich nämlich ein oft gut verstecktes, auf jeden Fall aber nicht einfach zu erreichendes Geschenk, das man zu gegebener Zeit einem der Charaktere überreichen könnte, mit denen man sich im Zentralhimmel unterhält. Dorthin darf man jederzeit zurückkehren, um bei Katze Mikey neue Levels freizuschalten, in der Bar mit Neon Red zu trinken oder Neon Violet im Park zu treffen, sprich die Welt kennenzulernen.

Spezielle Herausforderungen machen den Weg zu Neon Whites Erinnerung frei.

So macht man sich mit den Figuren vertraut und erhält mit jedem zweiten Geschenk außerdem Zugang zu besonders anspruchsvollen Levels außer Konkurrenz, in denen schon das bloße Erreichen des Ziels kein Zuckerschlecken ist. Die könnte man zwar ignorieren, nur auf diesem Weg erinnert sich Neon White aber irgendwann an seine geheimnisvollen… Freunde? So optional das Suche nach den Geschenken also ist, so bedeutsam ist sie für das Aufdecken der vollständigen Geschichte.

Neon White – Test-Fazit

Und damit ist Neon White in wirklich jeder Hinsicht eine runde Sache, denn auch wenn es immer ein überschaubarer Plattformer bleibt, verpackt Ben Esposito die scheinbar profanen Speedruns in ein motivierendes Ganzes, das ständig hier mit einer interessanten Erkenntnis lockt, dort mit einer Medaille winkt, weiter drüber eine neue Herausforderung freischaltet und anschließend die Rangliste auszurollt. Dass die Dämonenhatz in der Wolkenstadt mit ihren kleinen Türmen, grünen Gärten, geschwungenen Torbögen sowie Luxusapartments auch noch meinen Sinn für ästhetischen Minimalismus trifft und zu allem Überfluss hervorragend auf dem Steam Deck läuft, ist da nur das Tüpfelchen auf dem i dieses feinen Ego-Karten-Speed-Shooters.

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