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Test zu Bright Memory: Infinite – Ich fand es schon im Early Access klasse und feiere es auch heute noch!

Sieht aus wie Triple-A, kommt aber von einem einzigen Entwickler.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Die Handlung ist dünner als Esspapier, die Levels sind schmale Gassen – trotzdem macht die Mischung aus Shooter und Nahkampf gewaltig Laune.

Die Story ist so Banane, wie man es sich nur vorstellen kann. In der nahen Zukunft tauchen seltsame Phänomene auf – offenbar Tore in eine andere Welt, denn schon bald kämpft man in der Rolle von Sheila Tan nicht nur gegen eine stark bewaffnete Spezialeinheit, sondern auch mit mythischen Kriegern und Wesen. Oder mit anderen Worten: Entwickler Zeng Xiancheng brauchte irgendeine Rechtfertigung, um sein Effektgewitter zu starten und irgendeinen Grund, aus dem man sowohl mit ballistischen Waffen als auch einem Schwert kämpft.

Mit Bright Memory wollte er nämlich ein Spiel erschaffen, das Shooter und jene akrobatische Action vereint, die eher einem Devil May Cry typisch ist. Also hat er sich in die Unreal-Engine eingearbeitet, Bright Memory komplett im Alleingang als Early-Access-Titel auf Steam veröffentlicht und damit mächtig Eindruck gemacht. Mich hat das vor zwei Jahren jedenfalls sofort begeistert, weshalb ich ihn gerne dabei unterstützt habe, aus dem Einstieg ein vollständiges Spiel zu schmieden.

Spätestens, wenn man bedenkt, dass Bright Memory: Infinite im Alleingang entwickelt wurde, ist die Qualität von Kulissen und Spielgefühl beeindruckend.

Nun hieß es damals schon, das Ganze würde kein großer Shooter sein und so kam es auch. Was im vergangenen Jahr auf PC und Xbox Series sowie dieser Tage endlich auf PlayStation 5 und Nintendo Switch als Bright Memory: Infinite veröffentlicht wurde (das ursprüngliche Bright Memory blieb als unvollendeter Prototyp zurück, den man allerdings weiterhin kaufen kann) ist ein gerade mal zweistündiger Ritt – in anderen Spielen kaum mehr als der Prolog.

Dass das charakterliche Profil der Protagonistin lückenhafter ist als einige ihrer albernen Outfits: geschenkt. Dass man von vorn bis hinten durch enge Schläuche rennt, unterbrochen nur von dezent größeren Arenen, damit wenigstens für eine Handvoll Gegner Platz ist: sei’s drum. Denn die Kämpfe sind erstaunlich cool und die Gegner in Anbetracht des überschaubaren Inhalts erfreulich abwechslungsreich. Sogar ein paar Bosse quetscht Xiancheng in die knappe Laufzeit und auch die haben mir richtig viel Spaß gemacht. Sie ähneln sich insgesamt zwar sehr, dafür kann man gegen jeden von ihnen Sheilas gesamtes Repertoire abrufen und damit mal am Stück zeigen, was sie alles drauf hat.

Spätestens gegen die von der Anomalie in ihre Welt gezogenen mythischen Krieger kann Sheila ihre besonderen Fähigkeiten gut gebrauchen.

Die Mischung aus Ballern und Nahkampf geht nämlich unter anderem deshalb so gut auf, weil der Übergang zwischen den beiden Spielweisen immer fließend ist. Feuert man in der einen Sekunde noch mit Sturmgewehr, Schrotflinte oder Sniper, wehrt man mit gehaltener Schultertaste jederzeit ankommende Schläge und sogar Schüsse ab. Stimmt das Timing, wirft man fast jeden der Angriffe sogar zurück – ja, auch Projektile! Und natürlich dient die Klinge nicht nur der Defensive, sondern auch zum schnellen Attackieren. Mit Sekundärmunition pappt man zudem Haftgranaten an Gegner oder löst anhaltenden Brandschaden aus.

Im Verlauf lernt Sheila dabei zusätzliche Bewegungen wie das Aufladen von Angriffen in der Luft oder während eines Sprints. Nicht zuletzt trägt sie ein elektromagnetisches Gerät, mit dem sie Feinde zu sich heranzieht oder in der Luft schweben lässt. Schlägt sie im Sprung auf die so außer Gefecht Gesetzten ein, bleibt sie außerdem selbst in der Luft stehen. Spätestens in solchen Momenten schaltet Bright Memory in den vollen Devil-May-Cry-Modus.

Auch gegen starke Bosse muss man sich wehren. Trotz der knappen Spielzeit begegnet man gleich mehreren von ihnen.

Es ist gar nicht mal so leicht, innerhalb der kurzen Spielzeit sämtliche Finessen vollständig zu verinnerlichen. Trotzdem hatte ich von der ersten Minute an verdammt viel Spaß mit diesem Spektakel! Zumal mit einem knappen Schleichabschnitt, einer noch kürzeren Autofahrt sowie einer ebenso absurden wie großartigen Szene mit einem Flugzeug sogar ein wenig Abwechslung hinzukommt. Wer will, startet zudem einen weiteren Durchgang auf einem noch höheren Schwierigkeitslevel mit allen bereits freigeschalteten Fähigkeiten.

Ich will auch nicht unterschlagen, dass die Freude an alldem zu einem großen Teil aus dem ausgesprochen ansehnlichen Schauplatz herrührt. Zum einen regnet und stürmt es in den unter anderem von der Guizhou-Provinz im Südwesten Chinas inspirierten Kulissen (das weiß ich natürlich auch nur aus den Tipps während der etwas zu langen Ladezeiten), wodurch viel Bewegung im Bild ist. Zum anderen sehen Flora, Animationen und Gebäude trotz vieler mehrfach verwendeter Objekte auch für sich genommen sehr schick aus.

Auf Switch muss man technische Abstriche in Kauf nehmen, aber die rasante Action geht auch auf dem Handheld auf.

Auf Switch büßt das Spiel freilich einen Teil dieser visuellen Pracht ein. Pflanzen werden vom Sturm kaum noch bewegt, Wasserspritzer sehen aus wie Fliegengitter, Gesichter wie vernachlässigte Wachsfiguren und man muss man sich mit 30 Sekundenbildern zufriedengeben. Das rasante Geschehen im Kern funktioniert aber auch auf der Nintendo-Konsole erfreulich gut, zumal man durch den optionalen Einsatz der Bewegungssteuerung mitunter genauer zielen kann. Wahlweise greift der Gyro-Sensor dabei nur beim Anvisieren über Kimme und Korn, sodass man einen schräg gehaltenen Handheld beim normalen Hantieren in die Ausgangsposition zurückbringen kann, ohne das Fadenkreuz zu verziehen. Schön, dass an die Option gedacht wurde!

Bright Memory: Infinite – Test-Fazit

Das Tolle ist: Zeng Xiangcheng hat bei seinem Soloprojekt der Fantasie freien Lauf gelassen und ein bildgewaltiges Spektakel erschaffen, das auch spielerisch voll zündet. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass das Ganze nach zwei Stunden schon vorbei ist, denn sonst würden die engen Levelgrenzen und die profane Geschichte viel stärker ins Gewicht fallen. So hat man stattdessen die gesamte Zeit über damit zu tun, den Spielfluss der explosiven Mischung aus Shooter und Nahkampf-Action zu verinnerlichen, und freut sich über das elegante Aneinanderreihen mächtiger Hiebe und ballistischer Einschläge. Ich finde es jedenfalls klasse, dass mal wieder ein einzelner Entwickler mit einer zündenden Idee zeigt, was in einem vertrauten Genre noch alles drinsteckt. Jetzt hoffe ich darauf, dass Xianchengs FYQD-Studio dieses und andere Konzepte in inhaltlich starken Spielen weiter ausbaut.

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