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The Room - Test

Spät zur Party, dieses Zimmer zerlegen wir euch trotzdem noch ordentlich.

Zugegeben, wir sind hiermit ein wenig spät dran, aber im Triple-A-Gewühle gehen auch hochkarätige iPad-Spiele schon mal unter, um später beinahe zufällig den Weg eines Redakteurs wie diesem hier zu kreuzen. In diesem Fall war es die Ernennung zu Apple's iPad-Spiel des Jahres und die folgende Ankündigung von Fireproof Games, an einem zusätzlichen kostenlosen Kapitel sowie einem ausgewachsenen Nachfolger zu arbeiten, die in mir das Bedürfnis weckten, unser Versäumnis noch zu korrigieren.

Für die, die ähnlich wie ich im Dunkeln tappen, also hier die Antwort auf die Frage, wovon uns die Guildforder Entwickler im Laufe dieses Jahres noch mehr kredenzen wollen: Es ist schlicht ein verdammt gutes Puzzle-Spiel der altmodischen Art, eines das in Aufmachung und Atmosphäre Pfeifenrauch und Lovecraft atmet, allerdings Lovecraft gelesen von den Drei Fragezeichen. Die Prämisse und das eigentliche Spiel greifen aber besonders ansprechend ineinander, geben sich nicht Puzzle-Game-Stangenware zufrieden, sondern sprechen mit schön anfassbaren Mechanismen sowohl Hirn als auch Spieltrieb auf angenehm unmittelbare Art an.

Alles beginnt mit einer Tür, die einen Spalt offensteht, und euch unter Klavierklängen in einen spärlich ausgeleuchteten Raum führt. In dessen Mitte wartet ein gewaltiger Safe mit prunkvollen Verzierungen, Beschlägen und eingearbeiteten Apparaturen, die sich nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen geben. Obenauf eine Notiz eines Freundes, nur ihr könntet das Geheimnis dieser Kiste lösen, zu ihrem Inneren vordringen, in dem sich ein "Gegenstand ungeheurer Macht" verbergen soll. Es ist diese Behauptung, mit der einen das ungemein stimmungsvolle The Room fortan fest am Kragen packt.

Das Interface ist schlicht und elegant.

Mit der Ausdauer und Unermüdlichkeit eines autistischen Rennpferdes, aber hoffentlich mit deutlich mehr Grips und zwei Satz funktionierenden Fingern, macht man sich daran, die aus Dutzenden versteckten Fächern, Schlössern und Rätseln bestehende gepanzerte Apparatur Stück für Stück zu entblättern. Perspektivrätsel, ein geheimnisvolles Okular und ungezählte dreh- und verschiebbare Teile bringen euch Schicht um Schicht dem großen Geheimnis näher, während sich das Erlebnis unterdessen fast wie die unheimliche und spielerisch bedeutend gehaltvollere Ausgabe von Peter Molyneuxs Curiosity ausnimmt.

Tatsächlich wäre "The Box" vielleicht noch ein weit besserer Titel gewesen, denn der Raum, in dem das Ganze stattfindet, spielt mit fortschreitender Dauer eine immer geringere Rolle und das gesamte Spiel dreht sich eigentlich nur um die vermaledeite Kiste. Vermutlich wäre dann in der Guildforder Spiele-Entwickler-Stammkneipe aber das eine oder andere Pint durch den Raum geflogen, während sich Fireproof und die Quasi-Nachbarn von 22 Cans darüber "unterhalten" hätten, wer denn jetzt von wem abgeguckt hat. Vielleicht aber auch nicht, nach allem, was man so hört, ist die Szene des Städtchens in Surrey, UK geradezu familiär.

Was Curiosity und The Room jedoch definitiv trennt, ist die Tatsache, dass letzteres auch ohne das Versprechen eines weltbewegenden Geheimnisses am Ende dieser Reise funktioniert hätte, was man von Curiosity - ob der Vergleich jetzt fair ist oder nicht - nicht behaupten kann. Die spielerischen Basics des Fireproof-Titels sind jedenfalls so unglaublich solide, dass es auch allein als Knobler ganz gut für sich stehen könnte. Diese Kiste mit Fingerbewegungen zu drehen, ihre Uhrwerk-artig knarzenden Räder, quietschenden Griffe und schabenden Klappen zu manipulieren, ist allein schon auf der Ebene der simulierten Haptik eine ziemlich erfüllende Angelegenheit. Zudem eine, die noch durch das exzellente Artwork und die hoch aufgelösten Texturen gestützt wird, die dafür sorgen, dass man aus jedem Winkel wirklich glaubt, diesen Steampunk von einer Schuhkiste vor sich zu haben.

Das exzellente, mehrstufige Tipp-System versteht es, euren Fokus sachte auf das aktuell wichtige Rätsel zu lenken.

So zieht ihr wie gebannt immer engere Kreise um das mysteriöse Innenleben des Behältnisses und findet zunehmend beunruhigendere Notizen eures Freundes "AS", während eure Obsession mit dem vermeintlichen Spielzeug parallel dazu phasenweise ungesunde Züge annimmt. Seltsame Dinge passieren und mit jedem gelockerten Panel oder seltsam verformten Schlüssel wird und die Sache gleichzeitig konkreter und immer vager. Will man überhaupt wissen, was sich in der Kiste befindet? Das letzte Puzzlespiel, bei dem ich so etwas wie echte und ehrliche Spannung verspürte, war Catherine und diesem hier hätte ich beinahe den gleichen Lorbeerkranz gereicht, wenn es sich Fireproof mit der letztlichen Auflösung nicht etwas zu einfach gemacht hätte.

Aber noch ist aufseiten der Handlung nicht alles verloren, denn die potenzielle Korrektur dieses (vermutlich gewollten) Patzers ist in Form des angekündigten, kostenlosen Zusatzkapitels zum Glück schon in Sicht. Selbst wenn heute Nacht dann doch noch der große Cthulhu höchstselbst aus der Kiste springt, davon, diesem Geheimnis weiter auf den Grund zu gehen, hält er mich ganz bestimmt nicht ab.

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

The Room

Android, iOS, PC, Nintendo Switch

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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