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Thronebreaker: The Witcher Tales - Test: Weit mehr als der Gwent-Einzelspielermodus

CD Projekt macht keine halben Sachen

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Großartige Mischung aus Karten- und Rollenspiel mit einer Kampagne voller Herausforderungen und hübscher Präsentation. Tolles Deck-Building!

Ihr kennt das sicher: Ihr fangt irgendwas an und wollt euch eigentlich nur kurz damit beschäftigen, doch dann artet es aus. Die typischen "nur paar Runden Civilization", die dann damit enden, dass ihr erlebt, wie am nächsten Tag die Sonne aufgeht, wären ein Beispiel. Oder das kleine Bier in der Kneipe, aus dem dann überraschend doch mehr werden, wobei das letzte irgendwie schlecht gewesen sein muss.

Den Leuten bei CD Projekt geht es da wohl nicht anders, denn eigentlich wollten sie nur eine Singleplayer-Kampagne für das beliebte Kartenspiel Gwent basteln. Gwent: Thronebreaker sollte es heißen. Jetzt, einige Zeit später, ist daraus ein vollwertiges Spiel mit einer rund 30 Stunden langen Kampagne geworden und auch der Titel hat sich geändert. Es heißt jetzt: Thronebreaker: The Witcher Tales.

Hier habe ich die zwei Feindesreihen in Brand gesetzt. Ein sehr befriedigendes Erlebnis. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Ihr habt es hier zwar mit einem Spiel im Witcher-Universum zu tun, Geralt von Riva verkörpert ihr diesmal aber nicht. Stattdessen übernehmt ihr die Kontrolle über Meve, Königin von Rivien und Lyrien. Meve hat einen Krieg zu gewinnen, den gegen Nilfgaard nämlich. Und genau darum geht es in Thronebreaker. Ihr bewegt euch zunächst über eine isometrische Weltkarte, in der es an einigen Ecken etwas zu entdecken gibt: Gold, Holz und kampfeswillige Rekruten. Dazu später mehr. Viel wichtiger ist, dass ihr an einigen Stellen bestimmte Elemente der Geschichte auslösen könnt - entweder optionale oder solche, die das Geschehen vorantreiben. Trefft ihr auf eine solche Stelle, wechselt das Spiel in den Kampf-Modus. Und der ist ... Gwent.

Für alle, die das Witcher-Kartenspiel noch nicht gespielt haben, hier eine kurze Zusammenfassung der Regeln: Abwechselnd mit eurem Gegner platziert ihr Einheitenkarten auf dem Schlachtfeld. Deren Stärkewert wird zur Stärke eurer Armee addiert und am Ende jeder Runde gewinnt der Spieler, der den höheren Stärkewert hat. Natürlich könnt ihr auch die Werte eurer Gegner beeinflussen, indem ihr sie angreift, es gibt Spezialkarten, mit denen ihr die Fähigkeiten eurer Einheiten verbessern könnt und in Thronebreaker kann auch Meve selbst mit einer Fähigkeit in den Kampf eingreifen.

Ein Blick auf die Weltkarte: Hier bewegt ihr Meve von einem Ort zum nächsten. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Thronebreaker erfindet Gwent nicht neu, aber es variiert die Regeln und Siegbedingungen immer wieder. Neben Kämpfen nach regulären Regeln bekommt ihr es immer wieder mit speziellen Story-Missionen zu tun, in denen ihr nur eine Runde (anstatt der üblichen drei) spielen dürft, dafür aber eine bestimmte Aufgabe erfüllen müsst. Mal befindet sich eine bestimmte Figur etwa auf der gegnerischen Spielfeldseite und ihr müsst verhindern, dass der Feind sie mit anderen Karten ausschaltet. So spiegelt das Spiel die drohende Exekution eines Charakters wieder. Oder aber euer Trupp gerät in eine Steinlawine - dann müsst ihr sämtliche herabfallenden Felsblöcke ausschalten, ehe sie euch erreichen, natürlich ebenfalls in Form von Karten. Oder ihr bekommt es mit einem riesigen Monster zu tun, dessen Kopf und Extremitäten auch in Kartenform dargestellt werden. Die Ideen der Entwickler bei CD Projekt Red waren wirklich grenzenlos und ich war beim Spielen immer wieder überrascht, was man mit einem Kartenspiel wie Gwent alles anstellen kann.

Zu alledem befinden sich auf der Weltkarte immer wieder sogenannte Rätsel. Das sind vordefinierte Auseinandersetzungen, bei denen von vorneherein klar ist, mit welchem Deck ihr gegen euren Gegner antretet. Auch hier wird zu Beginn eine Siegbedingung definiert und meistens gibt es genau einen Weg, die zu erreichen. Diese kleinen Puzzles erfüllen einen wichtigen Zweck - nicht nur, weil ihr dadurch an mehr Rohstoffe kommt. Sie trainieren euch auch darin, kreativ und strategisch mit euren Karten umzugehen, ihre Vorzüge genauso auszunutzen wie die Schwachstellen der Gegner. Ich empfand es als ungeheuer befriedigend, diese Rätsel zu lösen, fast noch mehr, als eine gewöhnliche Auseinandersetzung zu gewinnen.

Kreatives Kartenlegen: Ihr bekämpft eigentlich nur ein Monster, aber in Form von sechs Karten. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Für ebendiese könnt ihr euer Deck im Lauf des Spiels nämlich auch erweitern und dazu braucht ihr die oben genannten Rohstoffe. Ihr dürft jederzeit euer Lager aufschlagen und selbige ausgeben, etwa für eine höhere Nahrungskapazität, die dazu führt, dass ihr mehr Soldaten unterhalten könnt, was wiederum bedeutet, dass ihr mehr oder stärkere Karten in euer Deck integrieren könnt. Oder aber ihr forscht ein wenig und entwickelt die Fähigkeit, neue Einheitentypen zu rekrutieren. Manche Einheiten bekommt ihr im Verlauf der Kampagne zwar auch geschenkt, aber gerade langfristig ist das behutsame Management eures Decks unverzichtbar. Auch deshalb, weil ihr immer nur eine bestimmte Anzahl an speziellen Karten mit euch herumtragen könnt - das Banner etwa. Ein solches Banner liegt von Beginn an auf dem Spielfeld und hat jeweils einen bestimmten, dauerhaften Zweck. Es senkt etwa die Cooldown-Phase von Meves Spezialfähigkeit oder greift jede neue Karte des Gegners automatisch an und verursacht einen Schadenspunkt.

Thronebreaker wird manchmal unübersichtlich. In solchen Momenten lohnt es sich, sich zurückzulehnen und den nächsten Zug gründlich durchzudenken. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Es gibt eine Menge Möglichkeiten, wie ihr an eurem Deck herumfeilen könnt und ich habe mir Mühe gegeben, alle zu nutzen. Thronebreaker ist allerdings in einzelne Abschnitte unterteilt. Habt ihr einen bezwungen, dürft ihr nicht mehr zurück, alle möglichen Sidequests, die ihr dann nicht erledigt habt, sind also verloren. Aus ebendiesem Grund haben die Entwickler Wert darauf gelegt, dass stumpfes Grinden nicht nötig ist. Ich habe mich teilweise bewusst dafür entschieden, an meinem Deck nichts zu ändern und konnte dennoch auch anspruchsvollere Kämpfe für mich entscheiden. Es hat dann zwar etwas länger gedauert, bis ich die richtige Strategie gefunden hatte, aber es geht. Klar, ein gutes Deck verschafft euch viele Vorteile, aber ihr könnt Thronebreaker prinzipiell auch mit einem vermeintlich schwachen Set an Karten spielen. Von Vorteil ist es, dass das Spiel euch immer wieder Spezialeinheiten schenkt - meistens Figuren aus dem Witcher-Universum, die Fans der Reihe bekannt vorkommen dürften.

Kennste? Ja, möglicherweise aus einem der Witcher-Spiele. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Im Verlauf der Geschichte müsst ihr auch immer wieder schwierige Entscheidungen treffen. Nur selten gibt es wirklich eine moralisch gute und eine böse Wahl, häufig geht es darum, Rohstoffe auszugeben oder eben nicht. Diese Entscheidungen beeinflussen einerseits die Geschichte. Andererseits haben sie oft Auswirkungen auf die Moral eurer Truppen. Nehmt ihr also ein paar Dörfern das Essen weg und schenkt es euren Soldaten, freuen die sich und die Moral steigt. Es könnte aber sein, dass euch die Zivilisten im fraglichen Dorf im späteren Spielverlauf nicht mehr allzu wohlgesonnen sind. Eine gute Moral bringt euch handfeste Vorteile im Kampf, etwa stärkere Einheiten. Eine schlechte Moral macht sie dementsprechend schwächer. Nach jedem erfolgreichen Kampf wird die Moral wieder auf neutral zurückgesetzt. Das hat zur Folge, dass es sich lohnen kann, erst eine Entscheidung zu treffen, die sich negativ auf die Moral der Truppe auswirkt und dann einen Kampf (soll heißen: eine Partie Gwent) zu gewinnen, von dem ihr wisst, dass ihr ihn auch mit geschwächten Einheiten schaffen könnt.

Nur: Habt ihr einmal eine Entscheidung getroffen, könnt ihr die nicht mehr umkehren. Und ich meine: gar nicht mehr, denn ihr könnt auch keinen alten Spielstand laden. Thronebreaker speichert in kurzen Abständen automatisch, manuell speichern dürft ihr nur, wenn ihr das Spiel verlasst. Ich habe mich nicht nur einmal über eine Entscheidung geärgert, gerade in Zeiten, in denen Ressourcen relativ knapp waren. Wenn ich meine hart ersparten 1.500 Gold und 1.000 Holz aus Versehen für etwas ausgegeben habe, was ich gerade eigentlich gar nicht gebraucht hätte, hätte ich schon ganz gern mal in den Tisch gebissen. Andererseits, wie oben erwähnt: Thronebreaker bleibt immer spielbar, es ist mir auch trotz größerer Dummheiten nicht gelungen, mich jemals in eine ausweglose Situation zu manövrieren.

In eurem Zeltlager könnt ihr neue Karten freischalten. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Mein einziger Kritikpunkt an Thronebreaker ist die Geschichte. Im Vorfeld wurde kolportiert, dass selbige aus der Feder der genialen Köpfe stammt, die auch für die legendäre Blutiger-Baron-Quest in The Witcher 3 verantwortlich waren. Das habe ich ihr leider ehrlich gesagt nicht angemerkt. Die Dialoge sind zwar gut geschrieben, die Figuren schön mit all ihren zugeschriebenen Charaktereigenschaften in Szene gesetzt, aber der Plot selbst bleibt alles in allem doch relativ blass. Großartig gestört hat mich das nicht, ich habe mich ohnehin eher gefragt, welche Herausforderung in der nächsten Gwent-Partie auf mich wartet. Ich glaube dennoch, dass hier mehr möglich gewesen wäre, auch wenn ich nicht ausschließen möchte, dass Spieler, die tiefer im Witcher-Universum stecken als ich, mehr von der Geschichte zehren können. Letzten Endes hat mir sogar Königin Meve als Figur sehr gut gefallen, ihr herrschaftlicher Tonfall und die gutsherrnhafte Gnade, die sie bisweilen bei in Ungnade gefallenen Untertanen walten lässt. Nur halt nicht die Geschichte als Gesamtkunstwerk.

Und wo wir schon beim Thema Kunstwerke sind: Die Grafik ist in einem weitgehend sehr hübschen Comic-Stil gehalten, der für seinen Detailreichtum überraschend gut lesbar ist. Das liegt daran, dass Thronebreaker früh im Spiel eine Signalfarbe etabliert, die euch sagt: Hier gibt's was zu holen. Es handelt sich um ein leuchtendes Grün und es dauert nicht lang, bis euer Hirn ganz automatisch anfängt, den Bildschirm vor lauter Gier nach Holz und Gold nach dieser Farbe zu scannen. Funktioniert wirklich gut. Und vor allem sorgt der einheitliche Comic-Stil dafür, dass das durch den Wechsel von Weltkarte zu Kartenspiel ja schon recht fragmentierte Spiel immer noch wirkt wie aus einem Guss.

Flammen, überall Flammen. Kein Problem für Königin Meve. (Thronebreaker: The Witcher Tales - Test)

Ich mag Kartenspiele wie Gwent sehr, weshalb ich ein leichtes Opfer für Thronebreaker war. Denn was ich an ihnen oft vermisse, ist ein zusammenhängender Überbau, der mir irgendwie einen Grund vorgaukelt, warum ich diese virtuellen Karten eigentlich gerade auf den Tisch lege. Den liefert CD Projekt Red hier - in einer Brillanz, die ich mir so nicht hätte träumen lassen. Es ist ein entspannender Genuss, in Thronebreaker die Karten aus dem Deck auf den Tisch zu legen, es ist eine riesige Befriedigung, einen zunächst übermächtig erscheinenden Feind doch noch zu besiegen und es macht Spaß, zwischendurch detailversessen das Deck neu zu strukturieren, ein wunderbares Wechselspiel aus der übergreifenden Strategie und der kleinteiligen Taktik der Gwent-Partien selbst. Thronebreaker ist eines der Spiele, die ich garantiert auch nach diesem Test noch häufig starten werde, auch wenn mich die Geschichte nicht wirklich begeistert. Das ist nämlich gar nicht nötig. Dieses Spiel ist ohnehin schon ein kleines Meisterwerk.


Entwickler/Publisher: CD Projekt Red - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 25 Euro - Erscheint am: PC: 23. Oktober 2018, Konsole: 4. Dezember 2018 - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Thronebreaker: The Witcher Tales

Android, iOS, PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Über den Autor
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Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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