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Traut euch endlich! Monster Hunter für Anfänger

Riesenschwerter, Riesensaurier, Riesenspaß.

Monster Hunter ist eine Serie voller Gegensätze. Sie fühlt sich dem Genre der Japano-Rollenspiele zugehörig, pfeift allerdings auf Levelaufstiege, einen sinister grinsenden Bösewicht und derlei Gepflogenheiten. Sie setzt weltweit mehr als 40 Millionen Einheiten ab und gilt dennoch als Underdog. Sie wird für ihre endlose Loot-und-Grinding-Spirale verehrt, für die jedes andere Spiel geächtet würde. Sie führt seit Jahren diverse "Muss man mal gespielt"-Toplisten an - und trotzdem habt ihr es offenbar noch nicht getan, wenn ihr auf diesem Artikel gelandet seid.

Bitte sehr: Diese Ambivalenzen wären die Faszination dieser eigentümlichen, bis heute einzigartigen Reihe in einer Nussschale. Widersprüche sind per se reizvoll, in einem uniformen Kosmos wie dem der Videospiele erst recht. Eingepfercht zwischen all die auf Disc gepressten Auf-Nummer-sicher-Geher und picobello herausgeputzten Großproduktionen tun sich verschrobene Spiele mit Ecken und Charakter umso stärker hervor. Die Entwickler von Capcom haben dieses anarchisch angehauchte Image jedoch keinesfalls bewusst kultiviert. Es ist vielmehr die natürliche Folge eines konsequent den eigenen Vorlieben entsprechend entwickelten Spiels, das ohne aufwendige Marktforschungen oder vorauseilendem Mainstream-Gehorsam entstand.

In dieser Kompromisslosigkeit liegt eine der größten Stärken und Schwächen von Monster Hunter. Die Action-Rollenspiele arbeiten sich keine Sekunde an den üblichen Konventionen der Branche ab - ein leicht zu verklärender, geradezu romantischer Wesenszug, der im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass dem Einstieg in dieses komplexe Universum jede Menge Hürden vorausgehen. Hürden, die es sich zu nehmen lohnt.

Monster Hunter hat es Neugierigen nie besonders leicht gemacht, einen Blick zu riskieren. Das soll sich mit World zumindest ein Stück weit ändern.

Darum geht es: Die Handlung

Ha, "Handlung", der war gut. Die deutsch- und englischsprachigen Wikipedia-Artikel bringen die Geschichte einigermaßen auf den Punkt. Nachfolgend der vollständige Auszug beider Einträge:

" … "

Oder anders formuliert: Es gibt dutzende guter Gründe, Monster Hunter zu spielen - die Handlung gehört aber ganz sicher nicht dazu. Nicht, dass sie vorhersehbar, schnarchig oder sonst was wäre; sie ist schlicht kaum vorhanden. Ein hübsches CGI-Intro zu Beginn eines jeden Spiels, viel mehr setzt man euch dankenswerterweise gar nicht erst vor. Capcom weiß selbst am besten um den Füllmaterial-Charakter seiner Erzählung und drängt euch daher auch nicht mehr davon auf als unbedingt nötig. Wer genau zuhört, erfährt aber immerhin von einer vergangenen Zivilisation, die mit Hilfe domestizierter Urzeitviecher riesige Bauwerke aus dem Boden stampfte. Das nahezu verlorene Wissen über diese Kultur zu bergen ist eines der zentralen Anliegen der Jägergilden, dessen Mitglied ihr in bislang jedem Teil wart.

Das so langsam an die Startlinie rollende World scheint diesem eher zurückhaltenden Kanon - anders als seine Vorgänger - nun einiges hinzufügen. Auch wenn da, zugegeben, noch viel Konjunktiv drinsteckt, ist zumindest die Grundprämisse bekannt: Alle zehn Jahre versammeln sich uralte Drachen auf einer unerforschten Insel, der buchstäblichen "Neuen Welt". Als Forschungstrupp macht ihr euch fortan daran, dem Eiland seine verborgenen Geheimnisse zu entlocken und die Ursache für das mysteriöse Drachenzusammenkommen in Erfahrung zu bringen. All das soll dabei erst der Auftakt einer elaborierten Geschichte sein. Warten wir's ab.

Der letzte auf einer stationären Konsole erschienene Teil: Monster Hunter 3 Ultimate.

Deshalb wollt ihr es: Der Reiz

Gamer im Allgemeinen und Videospielredakteure im Speziellen beschreiben Spiele gern im Vergleich mit oder in Abgrenzung zu ähnlich gestrickten Titeln. Ein arg bequemes, aber durchaus zielführendes Vorgehen, sofern wir von absurden Auswüchsen wie der Unart, offenbar ausnahmslos jedes knackigere Game mit Dark Souls vergleichen zu müssen, einmal absehen. Im Fall von Monster Hunter ist das aber schlicht keine Alternative, weil Capcoms Action-Rollenspiele selbst 13 Jahre nach ihrer Geburtsstunde auf der Playstation 2 weitestgehend ihr eigenes Mini-Subgenre bilden.

Versuchte man es seinerzeit dennoch, kamen, nun, diskussionswürdige Aussagen dabei heraus wie "Monster Hunter fühlt sich schlicht irrelevant an. Sein einziger Zweck scheint darin zu bestehen, die von Phantasy Star Online vermittelte Spielerfahrung zu replizieren, ohne aber einen eigenen Reiz entwickeln zu wollen." Kein Vorwurf an die Kollegen, zumal das Zitat aus einem 2004 erschienenen Test des ersten Teils stammt und derartige Urteile geradezu zwingend mit ungewöhnlichen Spielen einhergehen, für die die Welt noch nicht bereit war (viel Spaß beim Schmökern ein paar früher Tests zu Shadow of the Colossus oder Demon's bzw Dark Souls). Dass diese Einschätzung aber heute - ein gutes Jahrzehnt, zwei Konsolengenerationen und etliche Monster-Hunter-Lobpreisungen später - gerade skurril anmutet, zeigt umso mehr, welche Probleme die Einordnung dieses ungewöhnlichen Konzepts anfangs bereitete.

Streicht das anfangs: Noch heute gibt es nicht den einen Satz, mit dem sich der nur schwer greifbare Reiz dieser Reihe präzise auf den Punkt bringen ließen. Leichter ist es, die verschiedenen Säulen zu definieren, auf denen der Erfolg beruht. Die gleichsam bedeutsamste und am schwersten zu verdauende: Grinding, Loot, Repeat. Hinter der prähistorischen Rollenspiel-Kulisse greifen dutzende kleine Zahnrädchen ineinander, deren Gesamtheit ein fein verästeltes Netzwerk bildet. Dessen Wirken ist nicht so ohne weiteres zu erklären, dessen Effekt hingegen schon: Während andere Spiele durch stumpfes Grinding ausgebremst werden und an Reiz verlieren, ist dieser eigentliche Fluch Monster Hunters größter Segen.

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Unter anderem auch deshalb, weil sich Monster Hunter durch den hohen Schwierigkeitsgrad, vor allem aber die komplexen Bosskämpfe in etliche Schichten hüllt, die ihr nach und nach entblättern könnt - vorzugsweise im Verbund mit bis zu drei weiteren Jägern. Im Kampf gegen einen tonnenschweren, geifernden Flugsaurier gibt es etwa nie den einen Königsweg, sondern eher viele kleine Kniffe, mit denen ihr nicht binnen der ersten Minute aus den Latschen gepustet werden. Kreaturen sind keine Ansammlung von Einsen und Nullen, sondern launische Naturgewalten innerhalb eines riesigen Ökosystems, in dem es alles darauf abgesehen hat, euch nach dem Leben zu trachten. Nur wer all die kleinen Zeichen zu lesen lernt, wer weiß, dass aufgeblasene Nüstern beim einen Monster ein Zeichen von Schwäche, beim anderen der Vorbote eines verheerenden Angriffs sein können, hat hier langfristig eine Chance. All diese unheimlich befriedigenden Lerneffekte sind überhaupt erst deshalb möglich, weil euch Capcom gezielt, aber nie beliebig dem Prozess des Grindings aussetzt.

Ihr führt nie stumpf die immer gleichen Missionen aus. Stattdessen lernt ihr bei jedem Streifzug wieder ein paar Details über eure Umwelt und die Kreaturen, die diese beherbergt. Außerdem kehrt ihr nach getaner Arbeit im Regelfall mit einem proppenvollen Rucksack zurück, einem Potpourri verschiedenster Materialen und Ressourcen, aus denen ihr dringend benötigte Ausrüstung zusammenzimmert. Da jedwede Levelsysteme aus anderen Rollenspielen durch Abwesenheit glänzen, stellt euer Equipment - neben dem Schärfen euerer eigenen Fähigkeiten - die einzige Möglichkeit dar, euren Charakter dem üblichen Verständnis nach zu verbessern. Weil Händler aber wenig mehr als B-Ware verramschen, müsst ihr euch die wirklich dicken Dinger schon selbst schmieden. Diesem Prozess geht viel Planung und noch mehr Ressourcenbeschaffung voraus, doch am Ende steht dabei jedes Mal eine enorm relevante Ergänzung eures Arsenals, dessen Beschaffung mit einer konkreten, ganz persönlichen Geschichte verknüpft ist.

Das war es: Erbe und Bedeutung

So riesig die Pfotenabdrücke der titelgebenden Monster sind, so unscheinbar nehmen sich die Spuren bislang aus, die Monster Hunter in der Spielebranche hinterlässt. Von einer Handvoll zweitklassiger Trittbrettfahrer mal abgesehen (von denen God Eater noch der mit weitem Abstand relevanteste ist) haben die Monster-Hunter-Elemente nie sonderlich weit in den Videospielkosmos abgestrahlt. Trotz der kontinuierlichen Popularisierung des ehemaligen "Ey, hast du davon schon mal gehört"-Geheimtipps und der Anerkennung, die Capcom allerorten dafür entgegengebracht wird, sind die Einflüsse bis heute kaum spürbar. Keine Renaissance sackschwerer Spiele wie im Post-Souls-Zeitalter, nichts zu sehen von Rollenspielen, die sich den vorbildlichen Loot-und-Grinding-Kreislauf zum Vorbild nehmen.

Die Einflüsse von Monster Hunter sind subtilerer Natur, ohne ein bisschen Kaffeesatzleserei und guten Willen also nur schwer zu belegen. Aber: Bereits lange vor Borderlands, Destiny und Co. hat Capcom hiermit das "Loot ist das neue Level-up"-Zeitalter eingeläutet, wie es aus unserer Gegenwart kaum mehr wegzudenken ist. Auch wischten die hier beheimateten Bestien bereits zu einer Zeit mit unvorsichtigen Spielern den Boden auf, als die Souls-Reihe lediglich als gotischer Fiebertraum in Miyazakis Vorstellung existierte. Mit inzwischen mehr als 40 Millionen abgesetzten Einheiten ist Monster Hunter inzwischen aber vor allem eines: eine der drei wertvollsten Marken in Capcoms gut bestücktem Franchise-Katalog.

Gleich fliegen die Fetzen.

Das wird es: Das kommt demnächst auf uns zu

Nach einer zuletzt sehr zerfaserten Veröffentlichungsperiode, in der Capcom neben dem sympathischen Stories-Ableger vor allem mehrere kompetente, aber wenig ambitionierte Erweiterungen und Best-of-ähnliche Pakete schnürte, steht nun mit Monster Hunter: World der längst fällige Evolutionsschritt an. Die nahezu ein Jahrzehnt währende Nintendo-Exklusivität und die damit verbundene kurzatmige Hardware-Heimat gehört damit wohl ebenso der Vergangenheit an wie ein konstantes Déjà-vu beim Spielen. "Kennst du ein Monster Hunter, kennst du alle" wäre eine Spur zu drastisch formuliert, kam der Wahrheit zuletzt aber erschreckend nahe.

Mit der Leistung der PS4 (respektive der Pro, wenn ihr dieses Spektakel in 4K und HDR erleben wollt) unterm Hintern und dem unbedingten Willen, endlich aus dem seichten Fahrwasser der jüngeren Vergangenheit auszuscheren, endet diese Epoche der nicht ganz grundlosen Müßiggang-Vorwürfe mutmaßlich Ende Januar. Auch einige der unnötig hohen Hürden beim Einstieg in dieses Universum dürften umgestoßen werden, so World sein ambitioniertes Versprechen von einem neuen Spielgefühl bei gleichzeitiger Bewahrung des alten einlöst. Eine Serie voller Gegensätze, no shit.

Die Qual der Wahl: Mit welchem Teil einsteigen?

Klare Sache: World. Die bessere Frage wäre daher: Mit welchem Freund zieht ihr los? Ohne einen die Reihe überspannenden Handlungsbogen oder wirklich relevante Unterschiede zwischen den aktuelleren 3DS-Teilen, scheitert der Einstieg in dieses Universum bislang kaum an der Wahl des Spiels. Dass etliche Anläufe trotz guten Zuredens regelmäßig im Sande verlaufen, lag vielmehr am unnötig ruppigen Einstieg. Monster Hunter hatte nie großes Interesse daran, Neulingen seine Komplexität in mundgerechten Stücken zu präsentierten, weshalb ihr euch diese schon selbst erarbeiten müsst - idealerweise mit jemandem, der euch mit Dualshock-Controller in der Hand ein paar Schritte begleitet.

Monster Hunter: World dürfte dafür die ideale Gelegenheit bieten. Nach Jahren des Auf-der-Stelle-Tretens geht es mit riesigen Schritten in eine, in die Neue Welt. Gemeinsam mit dem halben Erdball könnt ihr diesen verlockenden Spielplatz ab Ende Januar erkunden, weitestgehend ohne die riesig Diskrepanz, die normalerweise unweigerlich zwischen Veteranen und Anfängern besteht. World holt Grünschnäbel schneller ab als jeder andere Teil und stellt erfahrene Jäger vor etliche unbekannte Herausforderungen, sodass beide Seiten sukzessive die ihnen gegebenen Möglichkeiten entdecken können.

Kurzum: Wenn ihr je ein Ticket in dieses Universum lösen wolltet - tut es jetzt.

In diesem artikel

Monster Hunter: World

PS4, Xbox One, PC

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