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Trotz NS-Symbol: Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen Bundesfighter 2 Turbo

Die alte Rechtslage sei überholt.

Zur Bundestagswahl 2017 hatte das Medienangebot funk von ARD und ZDF das Browserspiel Bundesfighter 2 Turbo veröffentlicht.

Darin traten comichaft überzeichnete Politiker gegeneinander an, darunter auch der AfD-Charakter Gauland. Bei einer seiner Sprungattacken verschränkt dieser seine Beine und Arme zu einem spiegelverkehrten Hakenkreuz.

Das ist insofern interessant, da die Darstellung von NS-Symbolen laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem Jahr 1998 nicht erlaubt ist. Damals ging es konkret um den Shooter Wolfenstein 3D.

Wie der VDVC (Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler) in seinem Blog schreibt, ermittelt die Staatsanwaltschaft nun aber nicht gegen Bundesfighter 2 Turbo.

Damit sich die Rechtslage für Videospiele ändert, wäre ein neues Gerichtsurteil nötig, das objektive Kriterien vorgibt, um eine Nutzung zu ermöglichen. Allerdings schreitet ein Gericht nur nach einer Veröffentlichung und einer darauf folgenden Ermittlung ein. Da es keinerlei Veröffentlichungen gab, folgte auch kein neues Urteil.

Rechtsexperten bezeichnen das damalige Urteil als Fehler und auch der Branchenverband BIU hatte die Behörden aufgefordert, ihre Position anzupassen. Da sich Spieler, Publisher, Rechtsexperten und Politikvertreter eine Anpassung der Rechtslage wünschen, übernahm ein Mitglied des VDVC nach der Veröffentlichung von Bundesfighter 2 Turbo die Initiative und stellte bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige. Der Antrag wurde dann an die Staatsanwaltschaft Stuttgart übertragen, da der Südwestrundfunk organisatorisch für funk zuständig ist.

Einige Wochen später erhielt der Anzeigenerstatter eine Nachricht der Staatsanwaltschaft, in der mitgeteilt wurde, dass es kein Ermittlungsverfahren gibt, obwohl auch der Staatsanwalt eindeutig ein entsprechendes Symbol erkannte.

"Der Staatsanwalt begründete die Nichtaufnahme von Ermittlungen damit, dass es keine gesetzliche Grundlage für Ermittlungen gäbe (§ 152 Abs. 2 StPO). Das Online-Spiel sei durch die Rechtfertigungsgründe aus der Sozialadäquanzklausel gedeckt und damit nicht strafwürdig. Die Veröffentlichung diene nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eindeutig 'sowohl der Kunst als auch der staatsbürgerlichen Aufklärung'. Dabei sei es unerheblich, ob digitale Spiele grundsätzlich Kunst seien oder nicht, Bundesfighter 2 Turbo sei ohnehin kein 'übliches Spiel'. Es sei Satire in Form eines Online-Spiels mit überzeichneten Charakteren und Darstellungen. Auch dass die Veröffentlichung durch den öffentlichen Rundfunk geschehe, sei ein Anzeichen dafür, dass der Schutzzweck des § 86a StGB nicht berührt sei", heißt es.

Da dieses Urteil der aktuellen Rechtslage widersprach, beschwerte sich der Anzeigenerstatter bei der Generalstaatsanwaltschaft darüber und gab an, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund des Urteils vor 20 Jahren zu Ermittlungen verpflichtet sei.

Aber ohne Erfolg, denn auch die Generalstaatsanwaltschaft sieht den Fall als erledigt an und nimmt keine Emittlungen auf.

"Zur Begründung führte der mit dem Fall betraute Oberstaatsanwalt an, dass die derzeitige Rechtslage 'überholt' sei und verwies auf die neueste Literatur zu der Thematik (vgl. Schwiddessen, Computer und Recht, Band 31, Heft 2/2015, Seiten 92-126). Zudem sei das Urteil des OLG Frankfurt in einer Zeit ergangen, als die Freigabe der USK noch nicht als gesetzlich verbindlich festgeschrieben worden war und seitdem hätte sich die strafrechtliche Vorprüfung in den Freigabeprozess als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt verschoben. Dies sei ein 'wirksame Kontrollinstanz'."

Der VDVC sieht die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft als wichtiges Signal. Um Klarheit zu schaffen, müsst ein Publisher ein Spiel bei der USK einreichen und es zur Freigabe bringen.

"Sperren sich die Ständigen Vertreter gegen eine Freigabe, bleibt der Weg einer Verpflichtungsklage auf Kennzeichenerteilung über den Verwaltungsklagegerichtsweg. Hier dürfte auch relativ schnell eine höchstrichterliche Entscheidung beim BVerwG erreicht werden können. Der einreichende Publisher kann sich alleine durch die Einreichung auch nicht strafbar machen. Mit Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 87, 209) wurde klargestellt, dass das Einreichen eines Mediums bei einer Selbstkontrolle zum Erhalt einer Freigabe durch die Landesjugendbehörden nicht als Anlass genommen werden kann, eine vorgezogene Strafverfolgung auszulösen, da die Veröffentlichung eben noch nicht stattgefunden hat. Eine Einziehung eines zur Prüfung eingereichten Mediums wäre durch das Grundgesetz verbotene Vorzensur des Staates. Gleiches müsste für eine vereitelte Einreichung gelten (vgl. USK-Prüfantrag)."

Möglicherweise gelingt durch das kommende Spiel Attentat 1942, das einen Aufklärungscharakter hat, eine baldige Änderung der Rechtslage.

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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