Unravel 2 - Test: Zwei Mal Wolle findet seinen Weg
Die Fortsetzung formuliert die Idee des Vorgängers elegant aus
Koop-Spiele haben halt dieses kleine Problem: Seid ihr allein, bieten viele keine adäquate Lösung, wie man die Mechaniken mit nur einem Controller handhaben soll. Unravel 2 bietet dafür jetzt auch nicht die ultimative Wunderwaffe, aber es alleine durch- und zu zweit anzuspielen zeigte, dass der Spaß zu zweit zwar noch größer wird, alleine aber kein Stück auf der Strecke bleibt. Bei einem Spiel mit konsequent zwei Figuren keine schlechte oder alltägliche Leistung.
Der Trick ist, dass die beiden niedlichen Wollwesen, die eh miteinander immer verbunden sind, zu einer Figur morphen können. Da recht deutlich in Puzzle- und Action-Sequenzen unterschieden wird, lauft ihr durch letztere als eine Figur, frisch und frei, als wäre es ein Mario - nun, nicht ganz, aber als Hüpfer lenkt es sich sehr solide und etwas präziser als noch der Vorgänger. Kommt ein Puzzle, teilt sich das Wollknäuel auf Tastendruck und mit dieser Taste schaltet ihr dann auch zwischen beiden hin und her.
Der Kniff des Spiels ist dabei der Wollfaden, der beide verbindet, aber auch die Wolle, die als Lasso geworfen werden kann oder zwischen bestimmten Punkten als Trampolin gespannt wird. Auf diese Weise überwindet ihr schwingend Hindernisse und darum geht es auch: Immer weiter von links nach rechts, der Aufbau ist der eines ganz klassichen Jump and Runs ohne Labyrinth-Level oder solche Dinge. Die Puzzles beschränken sich dabei in aller Regel auf einen Screen und sind in fast allen Fällen ein wenig physikbasiert. Schwingt euer Faden-Klöppel-Duo über einen Balken, zieht eine Kiste an die richtige Position, bevor sie wegrutscht, nutzt eine Wippe. Nichts Weltbewegendes, aber durch die Bank nett entworfen.
Natürlich macht das zu zweit auf der Couch am meisten Spaß, schließlich kann man darüber diskutieren, wie man etwas lösen will und die Debatten der Art "Nein, da musst Du hin, ich dahin, so meine ich das!" sind natürlich die echte Würze dieser Art von Spiel. Das panische Flüchten vor einem Waldbrand oder einem durchgedrehten Waldvogel ist da nur die kleine, spaßige Krönung.
Leider war man mit den Puzzles innerhalb der sieben, nicht zu umfangreichen Level - Spielzeit etwa fünf Stunden - nicht zu mutig. Die ersten vier Stages sind praktisch Selbstläufer, erst dann zieht es zart an, sollte aber selbst bis zum Finale für niemanden wirklich zur mentalen Tortur werden. Locker, flockig, familienfreundlicher Couch-Spaß, dazu noch mit dreistufigen Tipps zu allen Puzzles, damit es irgendwann auch für den letzten Spätmerker noch weitergeht. Die größte Herausforderung sind die oft gut sichtbaren, aber schwer zu erreichenden Sammelgegenstände, für die ihr euch schon reinhängen müsst. Oft genug wortwörtlich.
Das steigert sich dann noch mal drastisch, wenn ihr in die 24 Puzzle-Räume geht. Mit jedem geschafften Stage schaltet ihr ein neues Set frei und hier ließen die Entwickler ihrer Kreativität der Gestaltung freien Lauf. Nicht ganz die Hälfte habe ich jetzt geschafft und das hat länger gedauert als das Hauptspiel. Auch weil ich an einem Raum sage und schreibe 90 Minuten hing. Clever entworfen, sehr motivierend und es zeigt Stärken des Spiels, die es sich im eigentlichen Hauptteil leider manchmal ein wenig versagt. Es muss ja nicht gleich der ganz harte Stoff sein, aber ein Teil dessen hätte dem Story-Modus ganz gutgetan.
Etwas, das mich am ersten Teil störte, war die irgendwie Readers-Digest-artige, prätentiöse "Story" über Leben, den Tod, das Universum und den ganzen Rest. Aufgesetzt, anstrengend, zu gewollt. Diesmal geht man einen anderen Weg. Das Thema ist Freundschaft und Freiheit und alle Stages drehen sich um die Flucht zweier ... ich würde sagen Waisenkinder? Das Spiel bleibt weiterhin extrem vage, aber diesmal ist das ein Bonus, denn die Geschichte nimmt einige scheinbar sehr düstere Züge an, die unausgesprochen sehr viel effektiver wirken.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an einem Punkt eine Reihe von Leuten umbrachte, als ich einen Staudamm öffnete. Ihr seht das nur als vage Schatten, die irgendwie mit euch verbunden sind. Manchmal zerschlagen die bösen, grauen Schatten euren kleinen Lichtstrahl, der euch den Weg zeigt, manchmal verwandeln sie sich in grau-feurige Wesen, denen ihr entkommen müsst. Wie gesagt, es ist sehr stimmig, fast ein wenig Horror hier, ein wenig Action da und die Emotionen funktionieren, weil sie auf einem leichter greifbaren, geerdeteren Level stattfinden.
Und dann ist da die Grafik. Beim ersten Teil sagte ich trotz all meiner Zweifel an dem noch nicht ganz ausgereiften Gameplay und der "Handlung", dass das allein ein Grund sei, einen Blick zu riskieren und das gilt diesmal doppelt. Das Studio hat seinen Stil perfektioniert, fängt winzige Details atemberaubend ein, spielt viel mit der Tiefen- und Nahschärfe und das mit großem Erfolg. Von düsteren Höhlen zu weiten Panoramen fühlt sich alles weit epischer an, als es der Fall sein sollte.
Die gut korrespondierende Musik schiebt sich etwas weniger in den Vordergrund, was ihr auch gut bekommt und so rundet es sich mit teilweise unglaublich knuddeligen Animationen alles zu einem gelungenen Ganzen perfekt ab. Unravel 2 ist eines der schönsten Spiele dieses Jahres bisher und ja, auch diesmal ist das allein ein Grund, auf jeden Fall einen Blick zu wagen.
Unravel 2 kam aus dem Nichts direkt auf die Platte und das mitten in die größte Messe des Jahres hinein. Das macht man eigentlich nur, wenn man nicht möchte, dass es einer testet, weil alle mit E3 beschäftigt sind. In diesem Falle wäre das ein Trauerfall, denn es ist das Spiel geworden, das schon der Vorgänger hätte sein sollen: Ein durchdachter, stimmiger, abwechslungsreicher Puzzle-Hüpfer. Es ist das gereifte Spiel, das seinen Weg gefunden hat und bei dem diesmal vor allem der Koop-, aber auch der Solo-Spaß mit dem hinreißenden Look harmonieren. Sicher, es könnte etwas mehr Substanz im Hauptteil vertragen, das machen auch die guten Puzzle-Räume nur bedingt wett. Aber als Sommer-Snack für das gute (Spiel-)Gefühl ist Unravel 2 genau das Richtige und ich bin sehr gespannt, was diese offensichtlich so lernfähigen wie talentierten Schweden als nächstes tun.
Bevor es sie jedoch dorthin zieht, müssen sie noch den mit größten Fehler von Unravel 2 ausbügeln: Dass es keine Switch-Version von ausgerechnet diesem Spiel gibt, ist ja fast ein kleines Verbrechen.
Entwickler/Publisher: Coldwood / EA - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 20 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: englisch, deutsch und weitere - Mikrotransaktionen: Nein
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