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Vergesst The Mandalorian, Star Wars Andor ist endlich richtig gutes Fernsehen

Oder freue ich mich zu früh?

Warnung: Seichte SPOILER zum Verlauf von Folge 4 von Star Wars Andor.


Vorweg, vergebt den reißerischen Titel. So schamlos es auch meine Liebe zu diesem Universum ausnutzte, mochte ich The Mandalorian durchaus. Das heißt… ich mochte in etwa jede zweite Folge. Die Episoden dazwischen waren entweder belanglos, über die Maßen naiv oder melkten die Lizenz dann doch zu offensichtlich, als dass ich die Serie insgesamt wirklich als Bereicherung meiner Entertainment-Diät bezeichnen würde. Fast Food, nur eben mit wenig Kalorien, dafür aber dem gleichen Reue-Potenzial.

Über Boba will und muss ich nicht mehr sprechen und auch Obi-Wan ärgerte mich letzten Endes mehr, als dass es mich erfreute. Aber Andor nun – ich bin in Folge 4 mittlerweile so gut wie restlos überzeugt, dass wir hier die erste ernstzunehmende Star-Wars-Serie vor uns haben. Ernstzunehmend in dem Sinne, als dass sie auch dann funktioniert, wenn man den Lego-Millenium-Falcon nicht erst mit der Geburt seines zweiten Kindes aus dem Regal verbannte (das ist erster Linie eine Metapher, ob das wirklich so passiert ist, wird nicht verraten!). Star Wars, seine Welten und seine Mythologie dienen als reichhaltiger Hintergrund, nicht als Sinn und zentrale Rechtfertigung dieser Serie.

Und davor spielen diesmal Leute auf, die keine Probleme hatten, sich bei der Wahl zwischen ernst gemeintem Thriller und Muppets-in-Space für ersteres zu entscheiden.

Skarsgard darf als Luthen die Schauspielmuskeln spielen lassen. Genevieve O'Reilly bekommt als Mon Mothma mehr zu tun als in Rogue One.

Nichts gegen die leichte Weltraum-Fantasy-Abtenteuer-Geschichte, die die ursprüngliche Trilogie war. Im Gegenteil, Star Wars muss für mich kein hartes Space-Drama sein und ich verstehe vollkommen, wenn die langsame, ja, beinahe behäbige Art, wie sich hier alles entwickelt, nicht jedermann abholt. Aber alles, was seither herauskam – die Serien eingeschlossen – war tonal so zwiegespalten zwischen den “Kinderfilmen”, die George Lucas machen wollte, und dem Sci-Fi für Leute, die mittlerweile erwachsen geworden waren, dass man nie so richtig wusste, wie die Stoffe sich eigentlich selbst sahen. Dazu kam dann noch eine generelle Sprunghaftigkeit, ein Mangel an Charme, schlampig geschriebene Geschichten oder unfreiwillig komische Eskapaden – für mich treibt das alles schon länger richtungs- und freudlos dahin.

Dass sich jetzt doch noch jemand traut, ein von den Figuren getriebenes Drama mit ernstzunehmenden Dialogen und glaubwürdigen Kulissen zu drehen, ist schon ziemlich beachtlich und tut meiner Immersion in diese Welten unendlich gut. Die Schauspieler wirken nicht wie Fremdkörper, führen nachvollziehbare Gespräche und dürfen sogar darstellerisch die Muskeln spielen lassen. Stellan Skarsgards Luthen dürfte der Höhepunkt der Folge sein, als er vom raubeinigen Rebellenrekrutierer auf Coruscant plötzlich mühelos zum jovialen Antiquitätenhändler wird und auf Mon Mothma trifft. Eine Rolle, für die er sichtlich üben muss, damit seine Tarnung nicht fällt. Die Transformation ist meisterhaft gespielt.

Karn rennt zurück zu seiner Mami. Ich hoffe, wir haben ihn nicht zum letzten Mal gesehen.

Genevieve O’Reilly, die nach Rogue One zur Rolle der Senatorin zurückkehrt, erinnert an eine junge Glenn Close und spielt ebenso überzeugend staatsfrauig auf, wie Faye Marsay (“die Heimatlose” aus Game of Thrones) als Vel eine unerfahrene, aber fest entschlossene Rebellin rüberbringt. Vels kompletter Trupp, auf den Andor trifft, scheint ein wenig facettenreicher zu sein, als bunt zusammengewürfelte Teams in Stoffen wie diesem üblicherweise sind. Es scheint eine gewachsene Gruppe zu sein, in der keiner nur rumsteht. Jeder hat eine Meinung, Zweifel oder weist Andor als Außenseiter zurecht.

Der Plan, die Garnison auszurauben, schien jetzt ebenfalls nicht allzu arg meine “suspension of disbelief” zu strapazieren, auch wenn ich da gerne noch auf die Umsetzung in der nächsten Folge warte. Denn der Spruch, man könne den Coup ausgerechnet deshalb wagen, weil das Imperium davon ausgeht, dass niemand dumm genug ist, ihn zu versuchen, kommt mir von irgendwo bekannt vor. Aber bisher verhält sich keiner ausgenommen dumm – außer die Corpo-Leute um Karn, bei denen das ein wichtiger Plot-Punkt ist. Was Folge vier in Sachen der nachrückenden Bösewichte präsentierte, machte Hoffnung auf ebenbürtige und angemessen verschlagene Gegenspiele.

Noch ein MVP-Kandidat dieser Folge von Andor: Dera Meero wird für Cassian noch zum Problem werden.

Denn der Geheimdienst des Imperiums wird in Form von Dedra Meero auf Cassians Wirken aufmerksam, die Denise Gough erschütternd eiskalt auf den Bildschirm bringt, ohne ins Comic-haft Böse abzudriften. Auch ihrem Vorgesetzten, Major Partagaz, der effektiv die Rolle seiner Sternen-Stasi schildert, ist alles zuzutrauen. Anton Lesser (der Qyburn aus Game of Thrones), spielt ihn mit Autorität und einer heimlichen Gerissenheit, die verrät, dass er nicht hier ist, weil er mit den richtigen Leuten verwandt oder verschwägert ist. Ich freue mich wirklich darauf, wie das Katz-und-Maus-Spiel weitergeht und genieße es gerade sehr, die zarten Anfänge der Rebellion mitzuerleben, die das Imperium offenbar noch nicht einmal richtig als Bedrohung wahrnimmt. Was ich sagen will: Der Cast ist auch in Folge vier, in der er massiv anwächst, immer noch exzellent.

Jetzt ist die Frage, inwieweit die Action und Spannung noch anzuziehen vermögen (gemessen am Shootout der dritten Folge noch reichlich). Und auch, wie spannend das werden soll, wenn wir schon wissen, wohin die Reise zumindest für Andor und Mon Mothma geht, ist ein Punkt, der mich beschäftigt. Für den Moment bin ich aber sehr überrascht, dass wir endlich eine Star-Wars-Serie bekommen haben, bei der offenbar die Geschichte zuerst geschrieben wurde. Eine Handlung, in der interessante Figuren die Tragarbeit leisten dürfen und sie nicht der hintergründigen Mythologie, einer zu oft bemühten Ikonografie oder der Fan-getriebenen Legendenbildung überlassen. Eine der Überraschungen des Jahres. Bis hierhin zumindest. Ich hoffe, das bleibt so.


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