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Verwirrend. Monoton. Großartig: Die FOBs von Metal Gear Solid 5 sind ein kleiner Geniestreich

Ein asynchroner Mehrspielermodus, wie er nur von Kojima kommen konnte.

Die Geschichte von Metal Gear Solid 5 liegt nun seit über zwei Wochen hinter mir und noch immer lässt das Spiel mich nicht los. Für einen Titel, den ich so durch und durch liebe, hatte und habe ich durchaus einige Probleme mit gewissen Entscheidungen Hideo Kojimas. Die Handlung stellt sich in der ersten Hälfte ein wenig zu sehr in den Dienst einer gewissen finalen (und durch und durch wundervollen) Verbrüderung des legendären Designers mit seinen Fans. Quiets Fleischbeschau und die fragwürdigen Folterporno-Ansätze halte ich für zwei große Fehlgriffe in einem ansonsten durch und durch bewundernswerten Spiel. Und doch kann das meiner andauernden Faszination mit einem Werk, das auch nach sich Dutzenden Stunden noch neue Seiten von sich zeigt, nichts anhaben.

Ich ließ ja bereits in meinem ursprünglichen Test zu Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain anklingen, dass ich auf den Online-Part, der in Form eines asynchronen Mehrspielermodus auf so genannten "vorgelagerten Einsatzbasen" (FOBs, um die englische Abkürzung des Spiels zu verwenden) stattfindet, noch gesondert eingehen würde. Die Server waren zum Testzeitpunkt schlicht noch nicht online. Jetzt laufen sie mittlerweile rund und ich muss sagen, die FOBs fügen dem Hauptspiel noch einmal eine ganz neue Ebene hinzu.

Wie spitzfingerig ihr eure Sicherheitsmaßnahmen justieren wollt, bleibt euch überlassen.

Eine FOB ist im Grunde nichts anderes als eine zweite Version der Mother Base, die ihr an anderer Stelle von Neuem errichtet, und dort für euch selbsttätig die vorhandenen Rohstoffe abbaut. Die FOBs anderer Spieler dürft ihr infiltrieren, dort könnt ihr per Fulton Container voller Rohstoffe stehlen, euch Soldaten und Geschützstellungen permanent "borgen" und schließlich zum Kern der auserkorenen Zielplattform schleichen. Dadurch "gewinnt" ihr die Infiltration und erhaltet weitere Soldaten eures Gegners, GMP-Währung sowie zusätzliche Goodies in Form von Ressourcen. Eigentlich läuft das immer identisch ab - kennt man eine Kommando-Plattform, kennt man alle, auch wenn sie sich im Detail unterscheiden -, aber dadurch entsteht ein Zyklus aus Stehlen und Bestohlenwerden, der einen seltsam unwiderstehlichen Charme ausübt.

Vielleicht liegt das daran, dass man hier ungefiltertes Stealth-Gameplay vorgesetzt bekommt. Auf Unterstützung von DD, Quiet oder dem D-Walker muss man nämlich verzichten und lediglich in Sachen Gadgets kann man aus dem Vollen schöpfen. Das macht erste Ausflüge auf andere Basen häufig zu einer grenzfrustrierenden Angelegenheit, wenn man mal wieder eine Wache oder eine Kamera-Drohne übersah. Aber weil alles immer die eigene Schuld ist, verbeißt man sich häufig in ein bestimmtes Infiltrationsziel, bis man es schließlich zum Kern der Basis geschafft hat.

Zwei bis drei Zugänge pro Plattform gewähren immer noch genügend Gelegenheit zu Lock- und Ablenkungsmanövern

Auch besticht, was für ein stetiges Abwägen diese Infiltrationen sind. Es ist ein bisschen schade, dass die wenigen Zugänge von einer Plattform zur nächsten die wählbaren Ansätze ein wenig limitieren, aber man befindet sich ständig im Zwiespalt dazwischen, maximale Beute aus dem Zielgebiet mitzunehmen und dadurch eine Entdeckung zu riskieren, oder sich wie ein Geist bis zum Herzen der Plattform durchzuschlagen. So vermeidet man unter Umständen eine Konfrontation mit den Wachen oder gar dem infiltrierten Spieler, der ihnen aktiv beistehen kann, wenn er will, und dem an seinem Startpunkt auf dem Elfenbeinturm häufig Antipersonenminen und ein Scharfschützengewehr reichen, um dem Spuk ein Ende zu machen. Doch damit steigt auch das Risiko, denn wer kurz vor dem meist noch schwerer gesicherten Ziel entdeckt wird, hat noch schlechtere Karten, überhaupt irgendetwas aus dem Einsatz mitzunehmen. Das Lösegeld, das dann fällig wird, taugt zwar nicht als Abschreckung, aber schmerzen tut es doch ein wenig.

Dass man sogar Atombomben entwickeln kann, die dafür sorgen, dass Spieler unterhalb einer gewissen Heroismus-Schwelle euch nicht angreifen dürfen, macht die Sache nicht gerade besser. Denn es sorgt dafür, dass sich euch vornehmlich wirklich gute Spieler vor die Brust nehmen, um eure nuklearen Angstmacher zu stehlen. Die Nukes sind eher die Würze im Prozedere, mit der man sich umso mehr als Held oder Bösewicht gerieren kann. Bekommt man einen in die Finger und entsorgt ihn in der Heimatbasis kostspielig, macht man seinem Widersacher nur eine noch längere Nase. Schwierig. Aber köstlich.

Nehmt ihr Änderungen an eurer Mother Base vor, solltet ihr dringend einen Trainingseinsatz starten, um eure eigenen Sicherheitsmaßnahmen auf die Probe zu stellen.

Wie so vieles in MGS5 erklärt sich auch die Absicherung der eigenen Basis nicht allzu gut. Ein etwas unübersichtliches Menü regelt Personalzuteilung, ihre Ausrüstung sowie die Sicherungsmaßnahmen von Lichtschranken bis hin zu Kameras, Minen und Drohnen. Auch darf man spezielle Sicherungszonen einrichten, die dann besonders bewacht werden. Aber das alles kostet reichlich Geld - und damit ist das reine Spielgeld gemeint, das man sich im Verlauf der Missionen verdient, nicht etwa die Echtgeld-Währung der MB-Punkte. Im Verteidigungsfall verliert ihr fast immer GMP, die auch ein Lösegeld für einen geschlagenen Angreifer nicht vollends aufwiegt. Dass ich das Gefühl habe, noch immer nicht alle Vorgänge unter der Haube des FOB-Modus verstanden zu haben, spricht gegen die Spielerführung Kojimas in diesem exotischen Mehrspielerpart, aber für die schiere Komplexität einer eigentlich einfachen Räuber- und Gendarm-Kiste.

Ich kann nicht behaupten, die Echtgeld-Währung "MB-Punkte" hätte bis jetzt auch nur ein mal den Drang erzeugt, weiteres Geld in den Titel zu stecken. Mehr als eine FOB stelle ich mir nicht nur unglaublich unübersichtlich vor, sie gegen Infiltrationen durch andere zu verteidigen, wird auch immer schwieriger und teurer. Mittlerweile bin ich ziemlich sicher, dass MB-Punkte vielleicht in Metal Gear Online eine größere Rolle spielen werden, das im Oktober erscheinen soll.

Unterm Strich sind die FOBs ein sperriges, häufig frustrierendes, aber dennoch durch und durch verquer-faszinierendes Erlebnis, das meinen andauernden Kreuzzug durch Kojimas Afghanistan und Angola-Zaire-Grenzgebiet um eine willkommene Facette ergänzt. Regelmäßig schaue ich mir die Infiltrationsrouten erfolgreicher Feinde an, stelle das Loadout meiner Wächter darauf ein und errichte neue Sicherheitszonen, während mich meine Vergeltungssucht - "Such a lust for revenge! WHOOOOOOOO!?" - selbst in eine Infiltration nach der anderen treibt. Alleine stehend und für sich genommen wären die FOBs vielleicht nicht der Rede wert. Aber als Teil eines der besten Spiele seit Jahren tragen sie nur noch mehr zu dessen Legendenbildung bei. Unbedingt ausprobieren!

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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