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Vorfreude ist die schönste Freude, aber wer hat sie mir genommen?

Das aufregende Warten auf ein Spiel und warum es langsam verfliegt.

Von Jahr zu Jahr schaffen es Spiele, mir immer mehr Emotionen zu entlocken und ich bin regelmäßig erstaunt über die jährliche Vielfalt, die uns erwartet. Trotzdem gibt es ein Gefühl, das mit jedem Kalenderwechsel seltener wird und ich habe Angst, es komplett zu verlieren.

Ich spreche von der Vorfreude auf einen bestimmten Titel. Natürlich blicke ich ab und zu auf die kommenden Erscheinungen und würde einige davon am liebsten jetzt schon spielen. Doch niemals bleiben meine Gedanken gezielt an einem Spiel hängen und blenden alles Weitere aus.

Da ich zu diesem Thema bis jetzt noch nie wirkliche Erfahrungen ausgetauscht habe, weiß ich nicht, ob meine persönlichen Erlebnisse normal oder eher seltsam erscheinen. In beiden Fällen bleibt meine Erkenntnis gleich. Ich vermisse dieses Gefühl. Auch wenn ich mich damals wohl ziemlich verrückt aufgeführt habe.

Im Jahr 2003, als der Euro noch eine gute Idee repräsentierte und das Nachmittagsfernsehen weitestgehend frei von Realityshows war, sah ich mir eine Vorschau zu Metroid Prime für den GameCube an, das kurz zuvor in Nord Amerika erschienen war. Die Optik war für damalige Verhältnisse unbeschreiblich und allein die Vorstellung, ein Metroid in 3D spielen zu können, ließ meine Stimme zwei Oktaven höher aufschreien.

Auch heute noch ein Musterbeispiel für herausragendes Spieldesign.

Obwohl ich in den kommenden Monaten mehrere Magazine las, lenkte mich kein anderes Spiel von Metroid Prime ab. Ich konnte nur noch an den baldigen Release denken. Mehrmals studierte ich zahlreiche Artikel und als endlich die ersten Tests zwei Wochen vor der Veröffentlichung erschienen, stieg meine Aufregung nur noch weiter.

Das Ganze ging so weit, dass ich mir sogar einen Kalender extra für Metroid Prime gebastelt habe, ihn neben mein Bett hing und jeden Abend vor dem Einschlafen ein weiteres Kästchen abhakte. Ich glaube sogar, eine Nacht davon geträumt zu haben, wie ich es endlich in den Händen halten durfte. Die letzten beiden Tage waren die schlimmsten und das Warten wurde unerträglich. Die gesamte Zeit drehten sich meine Gedanken nur um die Abenteuer, die ich bald erleben würde.

Dann kam der ersehnte Moment endlich. Nachdem ich die Disc mit chirurgischer Genauigkeit in meinen lila Würfel legte, blieb ich für die nächsten fünf Stunden ohne Regung vor dem Fernseher sitzen, nur um irgendwann wegen eines trockenen Halses in die Küche zu hetzen. An diesem Wochenende spielte ich Metroid Prime von vorne bis hinten durch und suchte danach auch den letzten Missile-Container. Meine unmöglich hohen Erwartungen wurden nicht nur erreicht, sondern haushoch überboten. Bis heute gehört das Meisterwerk der Retro Studios zu meinen meist geschätzten Spiel-Erlebnissen und die Vorfreude gepaart mit meinem abnormalen Verhalten hat sicherlich dazu beigetragen.

Selbst mein geliebtes SSX, mit dem ich in 5 Tagen 70 Stunden verbrachte, konnte die alten Gefühle im Voraus nicht wecken.

Nun, vielleicht lag es an meinem jungen Alter. Immerhin war ich zu dieser Zeit gerade Mal 13 und meine Probleme bestanden hauptsächlich aus Schulprüfungen und der Wahl des richtigen Starter-Pokemons. Zudem hatte ich wie die meisten Schüler kaum Geld für neues Spiele-Futter. Geburtstage und Weihnachten mussten reichen, um einen über das Jahr zu versorgen. Sicherlich lag es daran.

Nur passierte es vier Jahre wieder und dieses Mal ein wenig ausgeprägter. Das Ziel meiner Begierde: Ein inzwischen beschlagnahmtes und deshalb nicht weiter erwähnenswertes Spiel. Nur für diesen Titel kratzte ich meine Kohle zusammen und kaufte mir eine Xbox 360. Bevor ich mir das Gerät allerdings leisten konnte, verbrachte ich ein komplettes Frühjahr im Freizeitpark als Aushilfe. Und glaubt mir, wer über einen Monat 30 Stunden die Woche unhöflichen und teilweise gefährlich dämlichen Personen in Achterbahnsitze helfen muss, braucht ein festes Ziel vor Augen.

Um gegen die monotone Hirnzellenausrottung anzukämpfen, beruhigte ich mich abends mit dem Anschauen von Gameplay-Videos. Die kommende Aussage mag ein wenig seltsam klingen, doch ich habe mir sogar eine Playlist auf DVD gebrannt, um sie vom Bett aus sehen zu können. Ja, ich war regelrecht besessen von dem Wunsch, diesen Titel zu spielen. Und genau wie Metroid Prime beendete ich ihn direkt am ersten Wochenende. Dreimal. Es war großartig.

Seitdem habe ich auf jeden Fall viele Erfahrungen gemacht, die mir für immer in Erinnerung bleiben werden. Doch danach gab es für mich nie wieder diesen einen magischen Titel, der mich komplett an sich zog, ohne ihn auch nur ein einziges Mal gespielt zu haben. Ich freue mich weiterhin auf viele Spiele, die in diesem oder nächstem Jahr erscheinen. Aber wirklich auf den ersten Tag hinfiebern? Nein, das wiederum nicht.

Woran das liegen mag? Die mir nun verfügbare Masse an Spielen im Vergleich zu früher kann ich unmöglich ausblenden. Außerdem existieren mittlerweile weitaus wichtigere Ziele in meinem Leben. Allein daran kann es aber nicht liegen. Vielleicht haben Spiele mit der Zeit einen Teil ihrer Magie verloren. Mittlerweile hat man einfach zu viel gesehen. Selbst Innovationen bergen bekannte Elemente in sich.

Genau wie ich mich nicht mehr so sehr auf Weihnachten oder eine Geburtstagsfeier freue, verlor alles andere über die Jahre hinweg an Reiz und man fängt an, Dinge rationaler zu betrachten, anstatt sich blind in sie hineinzusteigern. Man erkennt bestimmte Muster und analysiert im Voraus unterbewusst jeden Trailer. Auch wenn dies sicherlich eine wichtige Änderung ist, wünsche ich mir dennoch, den Schalter in meinem Kopf kurz umlegen zu können, nur um dieses Gefühl noch einmal zu verspüren.

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Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.