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Watch Dogs = Assassin's Creed. Pearce = Altair. Hacking = Springen.

Geschichte wiederholt sich ja immer wieder mal. Würde Watch Dogs jedenfalls gut tun.

Über sieben Jahre und fast eine Hardwaregeneration von Konsolen liegen zwischen Watch Dogs und dem ersten Assassin's Creed. Beide stammen vom gleichen Publisher Ubisoft, beide wurden in Montreal entwickelt. Ansonsten scheint die beiden auf den ersten Blick nicht viel zu verbinden. Da die ganz nahe Zukunft, dort das Mittelalter. Hier Smartphones, dort Dolche. Beim längeren Spielen wird jedoch klar: Watch Dogs steht genau wie damals die Assassinen am Anfang eines langen und hoffentlich genauso produktiven Weges, denn die beiden Spiele verbindet einiges mehr als nur der Ort und Name der Herkunft.

Der Held: Pearce = Altair

Beide Helden sind eigentlich Antihelden. Sie tun, was sie für das Richtige halten, aber sie haben sehr dunkle Seiten. Pearce ist ein Krimineller und war bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr ihn übernehmt, sicher kein Robin Hood. Später liegt es dann bei euch, ob ihr die Armen nicht beklaut und nicht über jeden Fußgänger in Sichtweite hinwegrauscht, sondern als modischer Batman die Stadt beschützten wollt. Trotzdem, systemkonformes Leben ist sicher was anderes. Auf Altair trifft dies auch zu, aber er hat eine etwas unterschiedliche Rolle. Manche würden ihn "Mörder" nennen, andere ein "notwendiges Übel", wieder andere einen Helden. Der Kreis dieser Personen wird mit jeder dieser Abstufungen kleiner. Einen festen Platz in der Gesellschaft mit einem geregelten Einkommen, wie es zum Beispiel die Helden von inFamous vor der Superheldenwerdung hatten, scheinen sie lange nicht mehr zu kennen. Sie stehen aber auch nicht so weit auf der Seite krimineller Machenschaften, wie es praktisch alle Protagonisten in GTA tun. Ihre Schöpfer ließen ihre Weste bewusst grauer, vielleicht um dem Spieler mehr Identifikationsspielraum zu geben, vielleicht um sich das Scripting unterschiedlicher Spielweisen einfacher zu gestalten.

Zwei aus einem Holz.

Wie auch Pearce bewegt sich Altair außerhalb der normalen Gesellschaftsordnungen. Beide, sowohl die Assassinen als auch die Templer, sehen sich als darüberstehende Ordnungskräfte, die lenkend eingreifen. In vielerlei Hinsicht trifft das auch auf Pearce und seine Widersacher zu. Pearce ist der Außenseiter mit einer speziellen Macht, der diese Schatten ausleuchtet und bekämpft, was er daran findet. Die Motive der beiden jedoch unterscheiden sich drastisch. Pearce dürfte hier dem späteren Piraten Edward Haytham näher stehen, der auch seinen eigenen Zielen folgt, während Altair über lange Zeit in erster Linie Befehle ausführt. Persönlich denke ich, dass Pearce hier einen großen Sprung bereits hinter sich hat, denn nachvollziehbare Motive jenseits von "Mach das jetzt!" sind deutlich stimmiger und charakterprägender.

Ein weiteres verbindendes Merkmal ist der Kleidungsgeschmack der beiden. Mal abgesehen davon, dass die Kutte sich von dem langen Mantel mit Mütze funktional in erster Linie durch die Erkennbarkeit der Nackenhaare unterscheidet, ziehen beide dafür, dass sie sich ungesehen bewegen wollen, einen eigenwilligen Look vor. Praktisch niemand, schon gar nicht ihre Gegner, kleidet sich so wie sie. Sie stechen wie bunte Hunde hervor, bewegen sich aber trotzdem meist unsichtbar durch die Massen. Es dürfte daran liegen, dass Ubisoft die Helden in der Regel wie ein Designobjekt und nicht wie einen glaubwürdigen Charakter behandelt, zumindest was das Äußere angeht. In Assassin's Creed 4 gab es insoweit ein paar Zugeständnisse, dass Haytham unter anderen Piraten nicht weiter auffiel, aber das war mehr eine Anpassung der Umgebung als alles andere. Eitle und modebewusste Helden - welcher Mode auch immer sie einsam folgen mögen - werden uns in weiteren Watch Dogs' wie auch Assassin's Creed Spielen sicher sein.

Die Gegner: ctOS = Die Templer

Nun, der Vergleich passt bedingt, schließlich ist das alles in Chicago überwachende ctOS-System ein Werkzeug, dessen sich auch Pearce bedient, während die Templer eine Gruppe von Menschen mit Zielen sind. Diese finden sich auch in Watch Dogs, schließlich muss ja jemand das System missbrauchen, damit es einen Missbrauch aufzudecken gibt. Die Mischung aus Konzernen, Politik und Mafia repräsentiert dabei wie auch bei Assassin's Creed eine Macht, die im Hintergrund arbeitet. Die Templer agieren auch mit einer anderen Front in der Öffentlichkeit, die die wahren Motive verbirgt oder gesellschaftlich legitimiert. Politiker mit einer eigenen Agenda sind leider zu oft nicht viel anders, Konzerne wollen in der Regel Geld verdienen, aber einige Methoden lassen sie lieber im Geheimen und die Mafia... nun, der nette Onkel Pepe kann so freundlich sein, wenn man seine Hilfe braucht. Am Ende geht es den Bösen in beiden Spielen um Macht und wie man sie nutzt, ohne dass nach Außen die geheimen Agenden sofort ablesbar sind.

Wer ist euch unheimlicher?

Einen Schritt weiter ist Watch Dogs allerdings schon. Erst ganz zum Schluss wird Altair ein persönliches Motiv gegeben, indem sein Mentor ihn und seine Sache verrät. Pearce dagegen kann ein ganzes Spiel lang seiner schlechten Laune ob seiner schon vor dem Start getöteten Nichte folgen und wirkt damit zumindest phasenweise weniger unbeteiligt als der sehr unterkühlte Altair. Auch ist seine persönliche Nemesis nicht nur vorhanden, sondern interagiert auch deutlich häufiger mit Pearce.

Wo das letztlich alles hinführt muss man sehen, die beiden Universen schließen sich bisher jedenfalls keineswegs aus. Die Templer würden ctOS lieben.

Die Spielwelt und ihr Mechaniken: Chicago = Naher Osten

Einen größeren Kontrast könnte es nur geben, wenn Watch Dogs auf dem Mond spielen würde. Selbst Nostradamus hätte dem Wein abgeschworen, wenn er Visionen dieser augmentiert verstärkten Realität gesehen hätte. Chicago ist so weit von Jerusalem entfernt, wie es nur geht, wahrscheinlich wäre sogar das antike Rom als Kulisse einer Großstadt ähnlicher. Hinter den Fassaden jedoch schlägt in beiden Spielen ein sehr ähnliches Herz.

Die Bewohner ticken ähnlich, nämlich nicht sonderlich kompliziert.

Das beginnt bei seinen Bewohnern. Die Menschenmassen in Assassin's Creed waren damals etwas zwar nicht ganz Unbekanntes, schließlich gab es vorher schon Open-World-Spiele, aber ihre Dichte und Bewegungen schienen glaubwürdiger als zuvor. Passanten standen herum und hielten einen Schnack über die Dattelpreise, spazierten die engen Gassen hinunter und schienen recht zufrieden mit sich selbst zu sein. Das gilt auch für die Bewohner Chicagos. Sie stehen herum, halten einen Schnack, telefonieren und unterhalten sich über Smartphone-Preise. Aber halt, haben sie nicht ein Eigenleben mit Geheimnissen, Vorlieben und Persönlichkeit? Nun, das hängt davon ab, wie ihr diese Qualitäten in einem NPC bewerten wollt. Für mich genügt es nicht, dass eine recht große Datenbank zufällig eine Eigenschaft wie "mag Katzenpornos" herausgreift und dem ziellos herumwandernden Konstrukt zuordnet. Viel mehr ist es am Ende nicht, schließlich könnt ihr diesen Interessen nicht nachgehen und diese Figuren in den Spielablauf involvieren. Jetzt haben die Massen manchmal einen iTunes-Song dabei, ein paar Bankdaten oder unterhalten sich über ihre Belanglosigkeiten. Weit sind sie seit dem Mittelalter nicht gekommen.

Der spielerisch größte Unterschied dürfte die spezielle Macht des Helden in der Welt sein. Beide haben mehr Ein- und Überblick als alle anderen um sie herum. Altair nutzt seinen Adlerblick, Pearce zückt sein Handy und hackt die Kameras. Er nimmt ein Auto, um schnell in der Welt herumzukommen und das möglichst, ohne über Gebühr belästigt zu werden, Altair springt wie eine Gämse über die Dächer. Beide müssen dabei ein wenig Vorsicht walten lassen, so darf sich Altair nicht gleich den Wachen zeigen, während Pearce nicht jeden Fußgänger mitnehmen darf, um die Polizei nicht auf den Plan zu rufen.

Der eine hüpft, der andere hackt, für beide ist es nur ein Knopfdruck für eine real sehr schwierige Aktion.

Trotzdem ist es eben das Hacken und das Springen, was das jeweilige Spiel definiert. Beides ist im ersten Augenblick sehr unterhaltsam. Beides eignet sich, um lästige Verfolger abzuschütteln, geht aber als taktisches Element darüber hinaus. Pearce hat einen übermenschlichen Überblick über die Lage und kann die Umgebung nutzen, um Attentate oder Ablenkungen auszuführen. Altair verlässt sich auf sein Klettertalent, um von oben die Lage auszuspähen und von dort auch zuzuschlagen. Watch Dogs steht mit dem spielerisch noch sehr einseitigen - einen Knopf drücken, fertig - Hacking sehr am Anfang dessen, was wir davon in Zukunft hoffentlich noch sehen. Assassin's Creed hat über die Jahre und weiteren Teile die Fertigkeit des Springens genommen und immer weiter ausgebaut, aber nie zu sehr an ihrem Grundgerüst gerüttelt. Stealth kam dazu, Hilfsmittel und Gimmicks wie offene Fenster oder Bäume. Aber ob Altair oder Haytham, klettern und springen tun sie beide gleich. Es ist nicht auszuschließen, dass auch Watch Dogs diese Richtung wählt, und das nun eingeführte System umfassender gestaltet, aber nie im Grundsätzlichen anfasst. Ob dies gut oder schlecht ist, ob es langweilig wird oder zu ultimativer Perfektion reift, weiß ich nicht. Wahrscheinlich keines von beidem. Diese Ähnlichkeit und ob es sie überhaupt geben wird, werden wir in ein paar Jahren einschätzen können.

Den besseren Blick von seinen Türmen hatte sicher Altair.

Und dann sind da ja noch die Türme. Sie stehen stellvertretend für die gesamte Struktur des Spielinhalts beider Titel. Schaltet einen Turm frei, indem ihr ihn hackt oder erklimmt - vielleicht das schönste Beispiel, dass die beiden äußerlich so verschiedenen Elemente so ähnlichen Zielen dienen - und ein weiterer Teil der Karte öffnet sich und mit ihm zahlreiche Sammelgegenstände und Nebenmissionen. Das ist beim einen Spiel wie beim anderen so. Die Masse dieser Missionen und Möglichkeiten ist bei Watch Dogs deutlich höher, aber das Grundkonzept zieht sich durch praktisch jedes Open-World-Spiel seit Assassin's Creed, nur GTA scheint diesem Trend weitgehend zu widerstehen.

Geschichte wiederholt sich. Vielleicht.

Watch Dogs, das Erste = Assassin's Creed, das Erste? Nun, recht weitgehend: ja. Es gibt natürlich immer noch genug relevante Unterschiede. Die Assassinen haben ihre Metahandlung um Desmond, eine solche fehlt Watch Dogs bisher. Der Kampf ist sehr verschieden. Das eine ist ein solider Deckungsshooter, das andere ein primitives Schwert-Fest. Wenn man es spielt und weniger im Kontext der Spielmechaniken überdenkt, dann sind Hacken und Springen natürlich schon zwei sehr unterschiedliche Dinge. Trotzdem sieht man sehr gut, dass Ubisoft sich auf Basis seiner Erfolgsserie eine neue Blaupause bastelte, die erneut den Weg der Reifung noch vor sich hat, den Assassin's Creed über die Jahre nahm. Dort zeigen die Highlights Brotherhood und Black Flag, wohin eine solche zarte Evolution führen kann und ich habe keine Zweifel, dass Watch Dogs auf Basis dessen einen ähnlichen Weg einschlagen wird. Gewöhnt euch an das Hacken. Ich weiß nicht, womit es erweitert werden wird, aber es wird die Serie nie verlassen. Genauso wenig wie der extrem auffällig-unauffällige Mantel oder das Telefon. Die Assassinen haben das Springen schließlich auch nie verlernt, nie auf den Adlerblick verzichtet und sich immer als der Ballkönig herausgeputzt.

Ob ich Lust habe erneut dieser Evolution zu folgen, das weiß ich noch nicht. Ich denke schon. Die Gelegenheit das herauszufinden, werde ich in absehbarer Zeit sicher oft genug haben.

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